Schulfach: Anleitung zum Glücklichsein

In Großbritannien sollen "happiness classes" an den Schulen eingeführt werden, dabei geht es vornehmlich um Leistungssteigerung und Verhaltensprogrammierung

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In Deutschland will man gegen die suizidale Aggression von Amokläufern und die Ausbrüche von jugendlichen Gewalttätern mit einem Verbot der "Killerspiele" vorgehen. Das ist symbolisches Handeln, da allen klar sein dürfte, dass Anregungen und Vorbilder für Gewalt aus vielen Quellen kommen können und die Ursachen, Gewalt anzuwenden oder einen Selbstmordanschlag als Amoklauf durchzuführen, woanders liegen. In Großbritannien, in dem man schon lange einen Kampf um Respekt und gegen "antisoziales Verhalten" führt (Respekt durch Überwachen und Strafen), steht im Unterricht hingegen auch der Erwerb von emotional literacy hoch im Kurs und soll zum Pflichtschulfach werden.

Schule, so heißt es, soll für das Leben ausbilden und die dafür notwendigen Kenntnisse vermitteln. Nachdem vielfach die Eltern als Erziehungsinstanzen ausfallen und dafür vermutlich Medien mit den Prominenten als Elternersatz mit allen Folgen der damit einhergehenden Aufmerksamkeitsökonomie an ihre Stelle treten, werden Schulen und Lehrer auch ganz anders gefordert – und augenscheinlich eher überfordert. Leitbild der mittlerweile allseits erwünschten Ganztagsschulen sind dann wohl Institutionen wie Internate, also die Übertragung der Erziehung und der Ausbildung an staatliche oder private Instanzen jenseits der Familie.

Schulen können nicht die ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen nicht mehr nur auf Leistung trimmen, die bei der weiteren Ausbildung, im Beruf oder im Studium bestenfalls Grundlage zum Erwerb neuer Kenntnisse sein kann. Nur auf Disziplin zu dringen, um den Unterrichtsstoff irgendwie in die Gehirne zu pressen, ist sicherlich ebenso wenig eine erfolgreiche Strategie wie die Bekämpfung von Amokläufen durch ein Verbot von Killerspielen.

Bei aller Hysterie in Großbritannien über die Ausbreitung antisozialen Verhaltens will man hier auch aktiv, nicht nur über Überwachen, Strafen und Verbote, eingreifen. Anleitungen zum Glücklichsein, die wohl in aller Regel Anleitungen zum Erfolg sein dürften, könnten bei aller Skepsis durchaus bei Kindern sinnvoll als Ausgleich sein, denen ihre Eltern kein Vorbild sein können. Das könnte auch hier zu einer besseren Chancengleichheit dienen, wenn es denn vor allem jenen zugute käme, die solche Anleitungen am dringendsten bräuchten. Der Ausdruck "happiness classes" ist gleichwohl irreführend, letztlich geht es um staatlich geführte Programmierung von erwünschten Verhaltenweisen und Gefühlen.

An Privatschulen wie dem Wellington College wurden bereits "Glücklichkeitsstunden" oder Unterricht in well-being eingeführt, nachdem die Regierung empfohlen hatte, es sei auch wichtig für die Kinder, emotionale Intelligenz zu entwickeln und ihre Gefühle kennen zu lernen, die auch das Verhalten prägen. Geistige Leistungsfähigkeit und soziales Verhalten finden auf der Grundlage der emotionalen Intelligenz statt, glaubt man nicht ganz zu Unrecht, weswegen das britische Kultusministerium bereits 2005 den Umgang mit Gefühlen als Thema des Unterrichts in Schulen vorgeschlagen hat. In diesem Jahr sollen die ersten Versuche an Schulen bewerten werden, um zu entscheiden, ob man "happiness classes" als Pflichtstunden an allen Schulen einführt.

Britische Schulen haben bereits jetzt die Verpflichtung, sich um das geistige, emotionale und soziale Wohl der Schüler zu kümmern. So sollen bereits alle Grundschulen Sitzungen machen, auf denen die Schüler über ihre Gefühle sprechen. Dabei sollen die Lehrer Anleitungen geben, wie man Freundschaften schließt, Streitereien schlichtet oder mit Ärger umgehrt. Sekundärschulen sollen emotionale Bildung (emotional literacy) in diesem Jahr mit den Themen Selbstbewusstsein, Mitgefühl, Kontrolle von Gefühlen, Selbstmotivation und soziale Interaktion einführen.

Im Grunde geht es darum, den Kindern und Jugendlichen Möglichkeiten zu bieten, sich besser kontrollieren zu können, sozialverträgliche Umgangsformen zu lernen, vermeintlich negatives Verhalten zu vermeiden und bessere, gesellschaftlich belohnte Leistungen zu entwickeln. Die Devise ist "Positives Denken", also letztlich der Versuch einer Verhaltensprogrammierung. Konzipiert wurde der Unterricht auf der Grundlage der "Wissenschaft vom Well-Being", die von Well Being-Institut der Universität von Cambridge entwickelt wurden. Dort hat man Lebensläufe von Menschen unter die Lupe genommen, denen es besonders gut ergangen ist, um daraus Strategien und Fertigkeiten zu entwickeln, die Menschen psychologisch, körperlich und sozial fördern sollen. Die Lehrinhalte beschäftigen sich etwa mit dem Verhältnis zwischen Geist und Körper und zwischen Bewusstem und Unbewusstem oder mit den Beziehungen zu anderen Menschen oder zur eigenen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, einschließlich der Fantasien. Sie sollen das Selbstbewusstsein stärken und klares Denken fördern Gelernt werden soll dabei etwa, wie man seine emotionale Energie positiv ausrichtet, Ängste und Blockaden überwindet oder seine Imagination einsetzt, um seine Leistung zu verbessern.

Kritiker warnen weniger vor der staatlichen Beeinflussung der Persönlichkeit von Schülern, sondern fürchten, wie der Soziologe Frank Furedi von der Kent University, der ein kritisches Buch über die Therapiekultur geschrieben hat, dass mit der "therapeutischen Erziehung" der Erwerb von Wissen zu kurz kommen könne. Die Lehrer würden das Unterrichten aufgeben und lieber über Gefühle sprechen, was die Schüler vermutlich lieber haben würden, als die Anstrengung auf sich zu nehmen, sich Mathematik anzueignen: "Das Erlernen, sich selbst zu schätzen, hat keine positive Folgen. .. Je mehr wir über Selbstschätzung in Schulen sprechen, desto mehr werden Kinder verstrickt in ihre Gefühle und desto eher werden sie emotionale Probleme haben."