Seehofer inszeniert sich als Filz-Terminator

Kabinettsmitglieder, die Mitarbeiterverträge mit Ehefrauen oder nahen Verwandten hatten, sollen öffentliche Gelder zurückgeben

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"Wir machen konsequent reinen Tisch", versprach CSU-Chef Horst Seehofer gestern auf dem Konvent seiner Partei, die sich mit der Vetternwirtschaft-Affäre herumschlägt.

Seehofer weiß, dass die Affäre seine Partei nicht nur peripher berührt. Es geht um Beziehungs-Filz, nennenswerte finanzielle Vorteile, die man sich in der CSU-Großfamilie zuschanzte, dem Blick der Öffentlichkeit entzogen. Nicht nur in den Medien, sondern auch in Kreisen der CSU-Zielgruppen ist erneut von einer Amigo-Affäre die Rede, das trifft die Partei.

So musste der Parteichef und bayerische Ministerpräsident den Mund voll nehmen, um die Sorgen über das Filzgespenst im Wahlkampf zu vertreiben. Er versprach "Aufklärung, strengere Regeln bei der Beschäftigung von Verwandten und personelle Konsequenzen bei eklatanten Fällen". Und setzte der Reihe dessen, was in solchen Situationen von einer Auf-den-Tischhauer-Ansprache des Chefs erwartet wird, eine etwas leiser formulierte Ankündigung obenauf, mit dessen Publikumswirkung Seehofer rechnen konnte.

Auf das Beispiel des Kultusministers Spaenle, der 34.000 Euro zurückzahlen will, die der Staat an seine Frau als Abgeordneten-Mitarbeiterin erstattet hatte, verweisend sagte Seehofer:

Ich denke, dass das ein guter Weg ist. Er wird Fortsetzung finden für die Kabinettsmitglieder.

In den heutigen Nachrichten wird dies als Forderung und Zeichen verbucht, das Seehofer als "Austreter der Spezlaffäre", der "mit seinen eigenen Leuten abrechnet", in Szene setzt.

Das ist Arbeit am Image, politisch ist mit der bloßen Absichtserklärung nichts getan. Der Fehler steckt anscheinend tief im bayerischen System, das seit vielen Jahrzehnten von der CSU maßgeblich geprägt wurde, und mit reichlich Filz durchzogen ist.

Horst Seehofer Bild: Wikipedia, Foto von Ralf Roletschek. Lizenz: CC-BY-SA-3.0

Dass die Sache mit den Mitarbeiter-Verträgen für Ehefrauen und Verwandte ersten Grades überhaupt erst ans Licht kam, ist dem Mitte April erschienenen Buch des Staatsrechtlers Hans Herbert von Arnim, "Die Selbstbediener" zu verdanken, das wird auch in einer Pressemitteilung des Landtagsamt des Bayerischen Parlaments so dargestellt: "Seit der Vorstellung dieses Buches konzentrieren sich die Nachfragen von Journalistinnen und Journalisten auf die Arbeitsverträge von Abgeordneten mit Ehefrauen sowie Verwandten und Verschwägerten ersten Grades".

Hätte es das Buch nicht gegeben, hätte es auch die neue Amigo-Affäre nicht gegeben, weil diese Praxis von keinem Parlamentarier zuvor als anstößig empfunden wurde. Zumindest nicht in dem Maße, dass es einen vernehmbaren Widerspruch dazu gegeben hätte - oder gar Empörung. "Weich gebettet" (von Arnim) im System, jedoch auf filzigem Grund, hat sich auch die Opposition, die ja sämtliche Entschlüsse, die Gültigkeit von Altverträgen zu verlängern, mitgetragen hatte. Dass eine unabhängige Kontrollinstanz fehlt, fällt erst jetzt auf, aber auch nicht allen und Seehofer gar nicht.

Bayern sei "deutscher Meister in Sachen Politik-Finanzierung", ein bundesweiter Sonderfall, kritisiert von Arnim in einem Gespräch mit dem Deutschlandradio. Darin spricht er "von einer gezielten Ausschaltung der öffentlichen Kontrolle bei der Bewilligung und Verwendung der Mittel".

Sollte Seehofer tatsächlich an Aufklärung des Skandales und an Konsequenzen daraus interessiert sein, dann wäre die Veröffentlichung des Umfanges von Mitarbeiter-Verträgen der MdLs mit Verwandten zweiten und dritten Grades ein nächster Schritt und dazu die Konzeption einer Kontrollinstanz, die solchen Missbrauchsmöglichkeiten öffentlicher Gelder besser auf der Spur ist als bisher.