Segeltörn im suborbitalen Ozean endete im Fiasko

Cosmos-1-Sonnensegler löste sich nicht von Trägerrakete. Dennoch wird dieses innovative Antriebssystem die Raumfahrt beflügeln

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Das schnellste Segelschiff der Welt wird seine Premiere nicht im kosmischen, sondern im irdisch-maritimen Meer feiern. Allerdings verschiebt sich diese zwangsläufig etwas nach hinten, da letzten Freitag der Testflug des ersten Sonnenseglers der Raumfahrtgeschichte fehlschlug: Der Cosmos-1-Segler schaffte nicht rechtzeitig den Sprung von seiner Trägerrakete. Wann der nächste solare Segler in See sticht, ist indes noch offen.

Wenn Ende dieses Jahres das schnellste Segelschiff der Welt im kosmischen Ozean seine Jungfernfahrt feiert, dürften seine irdisch-maritimen Kollegen vor Neid glatt erblassen. Denn im Unterschied zu den historisch hölzernen Bezwingern der sieben Weltmeere und seinen Nachfolgern muss das neue Weltraumgefährt nicht gegen Wellen, Wind und Wetter ankämpfen. Statt dessen driftet es in stets gleichbleibend ruhigen Gewässern - und dies entschieden schneller.

Cosmos-1 löste sich nicht von Trägerrakete

Ruhig und schnell sollte es auch beim ersten vor wenigen Tagen absolvierten Testflug des Sonnenseglers Cosmos-1 im All zugehen. Doch gleich bei der Generalprobe ging der erste ins All geschickte Solar Sail der Raumfahrtgeschichte baden. Wenngleich der Start der modifizierten Volvna-Interkontinentalrakete von Bord eines russischen U-Boots am Freitag um 4.33 Uhr Moskauer Zeit "aus" der Barentsee nördlich von Murmansk noch bilderbuchmäßig war, so endete der zweite Teil der Mission in einem Fiasko. Aus bislang ungeklärten Gründen scheiterte die Trennung der Trägerrakete von Cosmos 1. Anstatt sich wie vorgesehen in einer Höhe von 412 Kilometern aufzuspannen, tauchte der 40 Kilogramm schwere Sonnensegler mitsamt seiner Trägerrakete wieder in die Erdatmosphäre ein. Ursprünglich sollten sich nach der Trennung zwei der insgesamt acht vorgesehenen 15 Meter langen Flügel im Zeitlupentempo ausfalten. Dabei sollten während einer 31-minütigen Flugphase zwei in einer Black Box installierte Kameras das Entrollen der Segel dokumentieren. "Das Experiment hat nicht stattgefunden", erklärte am Montag Igor Schewaljow, ein Sprecher des Lawotschkin-Forschungsinstitut bei Moskau gegenüber der Moscow Times. Durch den Fehlschlag verzögert sich auch der Start der Cosmos-2, der für Ende dieses Jahres angesetzt war.

Lichtdruck der Sonne sorgt für enorm hohe Fluggeschwindigkeit

Angetrieben werden Cosmos-1 und seine Nachfolgemodelle durch den Lichtdruck der Sonne. Treffen die von der Sonne ausgesandten Photonen auf die Bespannung des Seglers, erreicht das Leichtbauraumschiff durch den Rückstoß und infolge der Impulsübertragung der Photonen eine überraschend hohe Geschwindigkeit. Ähnlich wie bei einem Segelschiff, das mit dem Wind fährt, muss sich eine segelnde Raumsonde am Stand der Sonne orientieren, von der die antreibenden Lichtstrahlen ausgehen. Wird dabei die Intensität des Lichtdrucks der Sonne vollends genutzt, sind Geschwindigkeiten bis zu 360.000 Kilometer in der Stunde realistisch. Am schnellsten fliegt der Sonnensegler, wenn er relativ nahe an der Sonne vorbeifliegt. Theoretisch wäre es auch möglich, mit speziellen Satelliten in der Erdumlaufbahn, die mit Hilfe von Solarenergie fokussierte Laser in Richtung Solarsegel schießen, einen künstlichen Sonnenwind zu erzeugen und somit Raumsonden auch in großer Entfernung weiter zu beschleunigen.

An Fahrt gewinnen kann ein Sonnensegler aber nur, wenn Lageregelung und Ausrichtung der relativ großen, meist aus Aluminium bestehenden Segel perfekt abgestimmt sind. Diese müssen zudem eine gewisse Stabilität und Mikrometeoriten-Resistenz aufweisen, da der Einschlag solcher Partikel nahezu vorprogrammiert ist. Sie können aufgrund ihrer hohen Geschwindigkeit die dünne Aluminium-Folie durchschlagen und den Segler empfindlich ramponieren. Gerade im Teilchenbereich von 10 bis 100 Mikrometern, wo im Weltraum die höchste Konzentration von Staubteilchen vorhanden ist, rechnen die Forscher mit bis zu 10.000 Einschlägen pro Jahr pro Quadratmeter.

Solar Sail öffnet Tor für interplanetare- und stellare Reisen

Trotzdem eignet sich das treibstofflose Solar-Sail-Raumschiff besonders für interplanetare und mitunter sogar interstellare Langzeitmissionen, verfügt es doch über unbegrenzte Antriebsressourcen. Daher wäre ein solches Antriebssystem für Missionen, die einen sehr hohen Antriebsbedarf haben, wie etwa bei Orbiter-, Kometen- oder Asteroiden-Rendezvousexkursion, bestens geeignet. Theoretisch könnten die Segler auch in eine Umlaufbahn um die Sonnenpole gelangen, um eine kontinuierliche Beobachtung des Zentralgestirns aus relativer Nähe zu ermöglichen.

Revolutionär an Cosmos 1 ist allerdings nicht nur die Erprobung des neuartigen Weltraumantriebs, sondern auch die Tatsache, dass die Entwicklung nicht von namhaften Weltraumagenturen wie der NASA oder ESA (die ebenfalls eigene Sonnensegler entwickeln) initiiert wurde. Vielmehr haben die privaten Organisationen Cosmos Studios und die Planetarische Gesellschaft, welche von Carl Sagan, Bruce Murray und Louis Friedman gegründet wurde, das Projekt ins Leben gerufen und vorangetrieben.

Von den geschätzten vier Millionen US-Dollar Kosten (4,55 Millionen Euro/8,8 Millionen Mark) für die kosmischen Segel-Experimente übernimmt die amerikanische Planetary Society allein 2,5 Millionen Dollar.

Ursprünglich sollte Cosmos 1 bereits am 26. April 2001 gestartet sein. Doch bei einem Bodentest wurde der Segler leicht beschädigt, so dass eine Startverlegung unumgänglich war.

Die visionäre Idee des Sonnensegelns im Weltraum wurde übrigens schon von dem russischen Raumfahrtpionier Konstantin Ziolkowski sowie vom deutschen Ingenieur Hermann Oberth in den zwanziger Jahren angedacht. Doch für den damals höchst exotischen Vorschlag fehlte seinerzeit noch das technische Know-how. Heute steht dieses indes in Gestalt modernster High-Tech zur Verfügung. So verwundert es nicht, dass auch andere an der Entwicklung eines Sonnenseglers engagiert arbeiten, allen voran die NASA, aber auch das DLR.