Serbien im Medienkrieg
Wie die serbische Regierung im Internet die internationale Verschwörung der Medien zu brandmarken sucht
Daß der Infowar überwiegend noch keine reale Bedrohung, sondern vorwiegend ein Popanz ist, den Regierungen beschwören, um sich einen fehlenden Feind zu verschaffen und die nationale Einheit im Zeitalter der Globalisierung herzustellen, liegt auf der Hand, auch wenn die künftige Bedrohung der Infrastruktur eines Landes tatsächlich realistisch ist.
Siehe auch Die Politik der verbrannten Erde von Ivo Skoric
Auf ihrer Web-Site führt die jugoslawische Regierung, gegenwärtig wegen ihrer "ethnischen Säuberung" durch einen militärischen Schlag der NATO bedroht, vor, daß die Beschwörung des Medienkriegs selbst ein Medienkrieg oder Propaganda ist. Vor kurzem hatte der stellvertretende Regierungschef Seselj den serbischen Intellektuellen und Kollaborateuren mit dem Westen angedroht, sie sollten möglichst schnell außer Landes gehen, um nicht als Geiseln im Falle eines Angriffs herhalten zu müssen. Und um die Infosphäre zumindest für diejenigen zu schließen, die keinen Zugang zum Internet haben, wurde den Redaktionen unabhängiger Zeitungen und Radiostationen wie B92 verboten (siehe auch den TP-Bericht), ausländische Presseinformationen zu übernehmen. Die nämlich sind, wie man unter Medienkrieg lesen kann, nichts anderes als Informationsbomben.
Auf die Frage von B92 antwortete allerdings Goran Matic, der serbische Informationsminister, daß es in Jugoslawien keine Zensur gebe. Man setze auf eine größtmögliche Zahlen von Informationen, da dies die beste Antwort auf den Mißbrauch und die Manipulation von Journalisten sei. Er habe von solch einer Anordnung jedenfalls nichts gehört. Wahrscheinlich sei das nur wieder eine Gegenpropaganda, um Jugoslawien als undemokratisch hinzustellen. Dusanka Djogo-Antonovic vom Informationsministerium allerdings räumte ein, daß die Schreiben an Medien nur eine Aufforderung und keine Drohung gewesen seien. Es gebe durchaus bei einigen Medien einen Mißbrauch durch Veröffentlichung falscher Informationen, die Panik hervorrufen und die verfassungsgemäße Ordnung des Landes untergraben könnten und die "verfassungswidrig und illegal" seien: "Es gibt solche Medien - das ist wahr und eine Tatsache. Diese Mitteilung sollte andererseits diesen Medien den Hinweis geben, daß in der nächsten Zeit die derzeit in Kraft befindlichen Gesetze befolgt werden müssen." Man habe den Behörden den Auftrag erteilt, illegale Aktionen der Medien zu beobachten und strafrechtlich zu verfolgen: "Kein einziger Journalist sollte Angst um seine rechtliche, finanzielle und persönliche Sicherheit haben." Die Lage ist also wirr, die das Informationsministerium, zuständig für den "Medienkrieg", schafft.
Deswegen ist es gut, wenn uns die Regierung darüber informiert, was überhaupt ein Medienkrieg ist: "Ein 'Medienkrieg" besteht aus einem Repertoire von Techniken zum Erzeugen eines psychologischen Druckes, die von politischen Lobbies, Organisationen und Individuen in der Verfolgung ihrer eigenen politischen Ziele angewendet werden und die Massenmedien gegen bestimmte Zielgruppen im eigenen Land und in anderen Ländern über eine bestimmte Zeit hinweg einsetzen." Seit dem Beginn des militärischen Eingreifens von Serbien im Kosovo habe sich gezeigt, daß der Medienkrieg die "rechte Hand" der politischen Lobbies darstellt. Noch dazu werde der Medienkrieg gerne unter dem Begriff der Globalisierung geführt.
Seit 1991 sei die Bundesrepublik Jugoslawien ein Opfer medienbasierten politischen Drucks gewesen, der "in der modernen Kommunikationsgeschichte ohnegleichen" sei. Aber warum haben so wenige darüber berichtet? Alles eine klassische Verschwörung, die die Medien und ihre Vertreter heimlich lenkt, als gäbe es so etwas wie das serbische Informationsministerium im globalen Stil. Man kann halt aus der eigenen Haut nicht heraus: "Mächtige Interessengruppen und internationale Medien wollen nicht, daß dieses Thema in die Aufmerksamkeit der internationalen Öffentlichkeit kommt. Informationen über die Techniken und Methoden des Medienkriegs sind nicht im Interesse der großen multinationalen Lobbies, weil dann die weltweite demokratische Öffentlichkeit erkennen würde, daß die 'einfachen Wahrheiten' über die "Guten und Schlechten" in der Welt in Wirklichkeit eine Täuschung und die bewußte Erzeugung von Verwirrung darstellen."
Die Massenmedien verfügen über Hunderte von Techniken, um die Menschen zu täuschen. Schließlich können sie "subliminal", also unterschwellig das Bewußtsein beeinflussen, so daß die Menschen, die diesen Medien ausgesetzt sind, diese Informationen als "normal, natürlich und als 'ihre eigenen' Ideen" akzeptieren. So eine Methode hätte man wohl nicht nur in Jugoslawien gerne.
Man habe die Serben dämonisiert, die Regeln des Journalismus verletzt, indem man nur immer oppositionelle Serben zu Wort kommen ließ, irreführende Terminologie gebraucht, mit verschiedenen Maßstäben gemessen und falsche Informationen verbreitet. Und man habe prominente Intellektuelle, Philanthropen und ehemalige Politiker (wie George Soros, Daniel Cohn-Bendit, Pascal Bruckner, Bernhard-Henry Levy, Susan Sontag, André Glucksmann oder Margaret Thatcher, Vaclav Havel oder Benazir Bhutto) eingesetzt, um das sezessionistische Kroatien, das von Muslimen dominierte Bosnien und den "unabhängigen Kosovo, d.h. Großalbanien", zu verteidigen, weil man davon ausgehe, daß die normalen Menschen den Prominenten glauben.
Als wesentlicher Beleg für die internationale Verschwörung der Medien dient der Bericht über das Lager in Trnopolje, das durch einen Bericht des Journalisten Roy Gutman als "Todeslager" um die Welt ging. An diesem Beispiel wird "bewiesen", wie aus einem biederen "Flüchtlingslager", in dem die Menschen nicht schlecht behandelt worden seien, eine Lüge geschaffen wurde. Die Bereitschaft der Welt, diese Art von Mediengeschichten zu schlucken, beweise, daß das, was den politischen Interessen bestimmter Länder diene, für die großen Medien Priorität habe, und daß die Medien dem glauben, dem sie glauben wollen.
Und im Kosovo-Konflikt werden wieder alle Medientechniken eingesetzt, die man schon während der Jugoslawienkrise verwendet habe. Wieder habe sich die gesamte "Fremdenlegion" versammelt, um die "berechtigten Interessen der Albaner" zu unterstützen und ein Großalbanien zu schaffen. So versichere man etwa immer, daß die Mehrheit der Menschen im Kosovo Albaner seien: "Aber niemand weiß genau, wieviele 'Albaner' es im Kosovo und in Metohija gibt, weil sie seit 1991 die Volkszählung boykottiert haben." Mehr als 900000 ethnische Albaner aber gebe es überhaupt nicht - dafür hat man seit März schon gesorgt. Der albanische Widerstand sei nur ein Terrorismus und müsse von der internationalen Gemeinschaft "eliminiert" werden.
Unter dem Stichwort Terrorismus findet man denn auch auf dem Regierungsserver lediglich Bilder von serbischen Opfern.