Showdown Iraq

Strukturiert die Logik des Spiels den gegenwärtigen Irak-Krieg?

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Eine Computersimulation diente als Vorlage für den zweiten Golfkrieg. Damit wurde ein Krieg erstmals nach den Regeln des War Games geführt. Ob auf linguistischer, militärischer oder medialer Ebene - die Logik des Spiels ist auch dieses Mal nicht von der Hand zu weisen. Bezeichnend ist, dass sich diese Tendenz nicht erst seit dem offiziellen Kriegsbeginn abzeichnet.

Screenshot aus dem Spiel "Gulf War: Operation Desert Hammer"

Das 1999 von 3DO entwickelte Computerspiel Gulf War: Operation Desert Hammer wurde bereits Ende letzten Jahres aus "aktuellem Anlass" in einer überarbeiteten Version auf den Markt gebracht und verkauft sich dieser Tage überraschend gut. Ebenfalls beliebt ist Conflict: Desert Storm, dessen Untertitel den laufenden Krieg bestens paraphrasiert: "No Diplomats, No Negotiation, No Surrender" (Üben für den Krieg im Irak) Warum diese Spiele so gut ankommen, erklärt ein Entwickler aus dem Hause 3DO mit folgenden Worten:

"It has a subject matter that's interesting for people who are switching back and forth between CNN and video games."

Showdown Iraq

Um dieses ausgewogene Verhältnis scheinen sich auch die CNN-Macher seit einigen Monaten zu bemühen. Jedenfalls kursiert der Schriftzug "Showdown: Iraq" seit einigen Monaten auf Bildern und als Überschrift von Irak-Dossiers. Fotos von Associated Press und Reuters wurden seitdem regelmäßig mit diesem Slogan bedruckt: Waffeninspekteure, Saddam, UN-Konvoys auf dem Weg zum Arbeitsplatz, Blix, Powell, Kriegsvorbereitungen, Bush, Panzer. Immer wieder beschriftet mit dem Slogan "Showdown: Iraq".

Kurz vor Ausbruch des Krieges waren vermehrt karthografische Gedankenspiele in Umlauf. CNN stellte interaktive Grafiken online, CNN-Schwester TIME wartete sogar mit einer spekulativen Irak-Karte auf, betitelt mit How the war might be waged.

Am 19.03., also wenige Stunden bevor der offizielle Startschuss fiel, textete der Berliner Kurier "Heute sagt Bush 'Go'." Auf dem grünlich schimmernden Bild war auf einem Radarschirm Irak zielbewusst eingekreist und mit gelben Linien umrissen worden.

Als der Krieg über Nacht ausgebrochen war, wurde die CNN-Website komplett neu gestaltet. Auch bei TIME und anderen Medien gibt es nur noch ein Thema. Was an der CNN-Website beachtlich war: Im Zentrum stand eine für CNN-Verhältnisse überdimensional große Überschrift. Auffällig war diese grafische Zäsur vor allem auch deshalb, weil das Layout am 25.03., also nach einer Arbeitswoche Irak-Krieg, wieder an den herkömmlichen Standard zurückangepasst wurde. Da es sich um eine ephemere Ausnahme handelt, lohnt eine eingehendere Betrachtung der kurzweiligen Boulevardisierung des Layouts ganz besonders.

Nachfolgend sind nur die 17x2cm großen Überschriften genannt, die an den jeweiligen Kriegstagen zu lesen waren:

20.03.

"Decapitation Attack" (Enthauptungsattacke")
"Sources: Marines In Iraq"

21.03.

"Troops Push Into Iraq"
"Massive Strike Begins"
"Strikes Rock Iraq"
"US: Iraq In Disarray" ("Irak in Auflösung begriffen")

22.03.

"US: Iraq In Disarray"
"War'Unlike Any Other'"
"Rolling Airstrikes"

23.03.

"Resistance In The South"
"Resistance On The Rise"
"Clashes Intensify"

24.03.

"Battle At Nasiriya"
"Coalition Presses On"
"Saddam Addresses Iraq"
"Allies Press Attack"
"'A Crucial Moment'"

25.03.

"Advancing On Baghdad"
"Battle Shifts To Basra"
"Cavalary On The Move"
"US: WeŽre On Track"
"Bush: 'Steady Advance'"

Auffällig sind die Perspektivenwechsel. Mal deskriptiv-beobachtend, mal aus der Innenperspektive, einerseits objektiviert (US), andererseits subjektiviert (Bush). Dann wieder anonymisierend ("Quellen"). Sprachlich häufig recht unsachlich, sofern zumindest von Enthauptung (wohlgemerkt durch Bombenabwürfe) und Auflösung die Rede ist. Auffällig daran ist aber auch, dass die Schrift so zentral im Vordergrund steht - reduziert auf die Länge von Kommandos, vielleicht in der Annahme, der Stand des Krieges ließe sich, wie ein Fußballspiel, mit nur wenigen Zeichen wiedergeben.

Solche Erklärungsversuche machen nicht unvergessen, dass es sich hier um einen medialen Anachronismus handelt. Von full immersion (was ja wohl das Negativ-Dispositiv zu full embeddedment wäre) kann hier nicht die Rede sein. Nicht das zeitgenössische Computerspiel, sondern eher herkömmliche Brettspiele - mit ihren schriftlichen Spielanleitungen und Spielkarten - scheinen als Modell Pate gestanden zu haben. Auch die TV-Berichterstattung hat ein eher unerwartetes Vorbild gefunden.

Wie ein Fußballspiel?

Der Kölner Medienwissenschaftler Dietrich Leder brachte das Modell in der Berliner Zeitung auf den Punkt:

"Spätestens in jenem Augenblick, als auf dem Fernsehschirm ein amerikanischer Journalist live einen Staff-Sergeant in einer Feuerpause interviewte, war es evident geworden. Die USA versuchen mit ihren medialen Bündnispartnern in den weltweit operierenden Fernsehstationen die Berichterstattung vom Krieg gegen den Irak so aufzuziehen, wie normalerweise große Sportereignisse im Fernsehen dargeboten werden. Denn das Gespräch mit dem Sergeant, der lässig sein Präzisionsgewehr in den Armen hielt, ähnelte den Interviews, wie sie die Reporter jeden Samstagnachmittag mit den Fußballern führen, die gerade ihr Spiel beendet haben, bis in die Floskeln der Einfühlung hinein."

Abschließend macht Leder auf Wiedersprüche aufmerksam und zeigt, warum "die Militärs ihre Rechnung ohne das Medium selbst gemacht haben". Zur Sprache gebracht werden eben jene Diskrepanzen, die in Bezug auf das fully embedded-Prinzip zu Genüge thematisiert worden sind (Bildbereinigung in den Medien).

Doch was das Modell Fußball in diesem Fall ebenfalls so zweifelhaft erscheinen lässt, hat mit einer ganz einfachen Spielregel zu tun: Ein Fußballspiel hat, genau wie jedes andere Spiel eben auch, einen Anfang und ein Ende. Doch wie der eingangs beschriebene, monatelange Vorlauf zeigt, hatte dieser Krieg noch nicht mal einen Anfang - kritische Beobachter sahen mit Blick auf die unablässigen Gefechtssituationen in den irakischen Flugverbotszonen schon seit geraumer Zeit einen Krieg im Stile eines low intensity conflicts Gestalt annehmen.

Ob der gegenwärtige Irak-Krieg ein Ende haben wird, scheint ebenso fraglich. Am jüngsten Beispiel zeigt sich, dass ein Sieg noch lange nicht das Ende der "Intervention" bedeutet: In Afghanistan wird, großenteils unbemerkt von den Massenmedien, noch immer gekämpft.

Das haben auch die Militärstrategen im Hinterkopf und mittlerweile sogar auch schon erkannt, dass die Spiellogik im gegenwärtigen Krieg nicht zu greifen scheint. Wie der amerikanische General William Wallace, am 28.03. zu verstehen gab: "The enemy we're fighting is different from the on we'd war-gamed against."