Sind Links auf Nazi-Seiten selbst strafbar?

Ermittlungsverfahren gegen den Autor Burkhart Schröder wegen seiner Linkliste eingeleitet

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Am 9. November soll es in Berlin die Demonstration eines über alle Unterschiede hinweg geeinten Deutschlands geben, das, wie man jetzt so sagt, sein Gesicht zeigt und gegen rechte Gewalt protestiert. Im Vorfeld der Großkundgebung sind in den letzten Monaten ungezählte Initiativen gegründet worden, die eint, dass sie gegen rechts sind. Und weil die Rechtsextremen und Neonazis im Internet agieren und immer mehr Websites einrichten, hat auch das BKA zusammen mit Polizei, Justiz und den deutschen Internetprovidern jüngst beschlossen, alle technischen und rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, "um rechtsextremistischen Inhalten entgegenzuwirken".

Offenbar aber will man jetzt das Netz auch von Links auf beanstandete Webseiten säubern. Beim Berliner Landeskriminalamt ist so am 31. 10 gegen den Autor und Journalisten Burkhart Schröder ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Grund der Beschuldigung:

Tatvorwurf: Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen
Tatort (Anschrift): Links mit strafrechtlich relevantem Inhalt unter "burks.de"

Wer hinter der Anzeige steht, war am Freitag Nachmittag nicht zu erfahren. Es könnten aber sowohl Menschen aus dem rechten Lager sein, die das umfangreiche Material von Schröder über die rechte Szene stört, aber auch "wohlmeinende" Menschen, die jeden Link auf verbotene Inhalte bereits selbst als verboten betrachten wollen. Schröder hat in der Tat eine umfangreiche Linkliste für Publikationen und Websites aus dem rechtsextremen Lager angelegt, allerdings nicht, um für die rechte Szene zu werben, sondern einerseits als eine Art Verweisliste für seine Publikationen, die übrigens auch in gedruckter Form die beanstandeten Links enthalten, und andererseits aus der Ansicht heraus, dass sich rechte Ideologie nicht durch Schweigen und Unkenntnis bekämpfen lässt.

Über der von ihm ins Netz gestellten Linkliste, auf die auch wiederum von anderen Webseiten wie dem der SPD nahestehenden blick nach rechts verwiesen wird, hat er schon mal sicherheitshalber als Motto den Artikel 19 aus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte gestellt, die von der UN ja auch auf dem Hintergrund des deutschen Faschismus im Jahr 1948 verabschiedet wurde: "Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten." Schröder hat sich zwar nicht ausdrücklich von den Inhalten auf den verlinkten Seiten distanziert, doch aus seinem gesamten Werk und aus den Inhalten seiner Website ist unzweifelhaft deutlich, dass er über rechtsextreme Aktivitäten, aber auch über die Verführungskraft der rechten Szene für Jugendliche Aufklärung schaffen will, um sie wirksam bekämpfen zu können. Vor den Links auf die rechten Seiten kommen nicht nur die auf antifaschistische Seiten, sondern auch noch ein Tucholsky-Zitat: "Der Feind steht rechts!"

Übrigens wurde gerade von "blick nach rechts" schon einmal der Link zu Schröders Webseite kurzfristig im August dieses Jahres entfernt, nachdem ein SZ-Artikel die erstaunliche, aufgeregt mitgeteilte Beobachtung gemacht hat, dass man über den Link in "blick nach rechts" auf die Webseite von Schröder und von dieser wieder zu Neonazi-Seiten gelangen konnte (Seltsame Kapriolen in der Feindlichkeit gegenüber der Fremdenfeindlichkeit). Später wagte man doch wieder den Link zu legen, mal schauen, wie man beim "blick nach rechts" jetzt reagiert.

Das Ermittlungsverfahren gegen Schröder wäre, sollte es nicht wieder eingestellt werden, ein hochinteressanter Fall, weil geklärt werden muss, in welchem Fall das Legen eines Links, der - in wie vielen Schritten? - zu in einem Land verbotenen Inhalten führt, rechtswidrig ist, auch wenn sich in keiner Weise unterstellen lässt, dass derjenige, der den Link gelegt hat, damit auch für den Inhalt auf dieser Seite eintritt oder für ihn wirbt. Sollte Schröder tatsächlich durch "Links mit strafrechtlich relevantem Inhalt" selbst eine Straftat begangen haben, dann wäre nicht mehr nur die Möglichkeit des Verweisens auf Belege über Links auch in wissenschaftlichem oder journalistischem Kontext gefährdet, sondern das Web überhaupt, bei dem man prinzipiell in nur wenigen Schritten von jeder beliebigen Seite zu jeder anderen beliebigen Seite kommen kann. Gefährdet wären dann natürlich auch die Suchmaschinen, die dann womöglich für jedes Land unterschiedliche Filter für Suchbegriffe oder angezeigte Webseiten einbauen müssten - mit all den Problemen, die daran hängen.

In der sogenannten "Meckenheimer Erklärung", die auf der Tagung des BKAbeschlossen wurde, heißt es unter anderem, dass die Internetserviceprovider "adäquate Filtertechnologien zur Verfügung" stellen sollen, wobei man nicht recht weiß, wem sie zur Verfügung gestellt werden sollen, und dass sie "ihrerseits alle technischen und rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um rechtsextremistischen Inhalten entgegenzuwirken, z B. durch Anpassung ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen." Das aber heißt im Klartext, dass die Provider auch dann, wenn Inhalte nicht verboten sind, diese entfernen sollen, indem sie einfach ihre Geschäftsbedingungen daran anpassen. Das mag relativ unproblematisch sein, wenn es sich um rassistische Inhalte handelt, aber so ließe sich natürlich gegen alle möglichen Inhalte vorgehen, die gerade von der Regierung, dem BKA oder der Mehrheit der Bevölkerung nicht erwünscht sind, sofern sich die Provider unter Druck setzen lassen. Eine, wie ich meine, nicht ungefährliche Entwicklung.

Sie wurde bereits in der Berliner Erklärung vom 26./27. Juni 2000 angelegt, die ihrerseits die Zivilgesellschaft und namentlich die Provider als ihre Repräsentanten zu Zensurmaßnahmen aufrief, die rechtlich möglicherweise nicht durchsetzbar wären. Gefordert wurde so: "die Selbstverpflichtung von Internet-Musikverlagen oder von Internet-Auktionshäusern, Lieder bzw. Objekte von Hass-Gruppen nicht ins Programm oder den Katalog aufzunehmen; die Selbstverpflichtung von Internet-Providern, Websites mit Parolen, die zum Hass gegen Fremde, religiöse oder ethnische Minderheiten gegen Behinderte oder Schwule aufrufen, nicht aufzunehmen oder nach Bekanntwerden unverzüglich zu entfernen, gehört ebenfalls dazu. Solche Selbstverpflichtungen sollten in Zukunft stärker eingefordert werden. Gerade hier kann auch ein wichtiger Beitrag von zivilgesellschaftlichen Organisationen liegen." Das aber kann so doch nur funktionieren, wenn die Selbstverpflichtung in Übereinstimmung mit dem herrschenden Wertekanon steht. Verändert sich dieser, dann auch die Selbstverpflichtung ...

Internetprovider haben sich überdies noch zu einer weiteren Initiative zusammengeschlossen, um Rechtsextremisten die Verbreitung ihrer Ideen über das Internet zu erschweren. No abuse in Internet gehören Provider wie Strato oder 1&1 an, aber auch etwa die zentrale Registrierungsgestelle für deutsche Webadressen Denic. Die Mitglieder des Vereins hätten bereits die von ihnen gehosteten Internetseiten kontrolliert "und 100 rechtsradikale Seiten sowie fünf Kinderpornografie-Seiten gesperrt", sagte Wetzel, Vorstandsvorsitzender der Strato AG. Aufgerufen wird vom Verein, dessen Schirmherr der ehemalige RTL-Chef Helmut Thoma ist, rechtsextreme oder sittenwidrige Seiten zu melden. Von den Vereinsmitgliedern würden sie dann "nach rechtlicher Prüfung" gelöscht.

Allerdings kommt in dem Verein bereits eine explosive Mischung an unterschiedlichen Zielrichtungen zusammen, die erst einmal unter dem Deckmantel eines Kampfes gegen Rechts zusammen gestrickt werden können: "Der Verein wendet sich gegen jede Art von Gewalt. Dazu gehört sowohl Rechtsradikalismus als auch Kinderpornografie und Gewaltverherrlichung, ferner die Copyright-Problematik sowie die Verbreitung von Viren und SPAM's. Durch das Instrument der freiwilligen Selbstkontrolle soll die Internet-Community für den Tatbestand eines Missbrauchs sensibilisiert werden."

Man denkt darüber nach, ob man national den Zugang zu Websites mit in Deutschland verbotenen Inhalten sperren oder Suchprogramme verwenden soll, die permanent das Netz nach bestimmten Inhalten absuchen. Die Idee, den Zugang zu bestimmten Websites etwa durch Filter zu blockieren, die jeder Internetprovider für seine deutschen Kunden installieren müsste, wurde auch bereits auf einer Antirassismus-Tagung der UN diskutiert (Gute Intentionen mit bedenklichen Folgen) und könnte sich womöglich aus einer immer wieder verschobenen Gerichtsentscheidung in Frankreich gegen Yahoo ergeben. Dort wurde Yahoo wegen der Ermöglichung von Auktionen mit Nazi-Gegenständen, die auch von Franzosen besucht werden können, aufgefordert, zumindest den Zugang zu diesen Seiten für Franzosen zu sperren. Der Richter hatte Yahoo bereits für schuldig gesprochen, aber den endgültige Urteilsvollzug noch von weiteren Informationen über die technische Realisierung und Effizienz solcher nationaler Begrenzungen des Internetzugangs abhängig gemacht (Nationale Rechtssprechung im Internet).

Womöglich entsteht aus dem Versuch, so unterschiedliche Dinge wie Kinderpornographie, Rechtsextremismus oder Rassismus und Musikraubkopien durch eine Umsetzung des nationalen Rechts mittels Technik (Filter oder das von der Phonoindustrie entwickelte Rights Protection System) zu bekämpfen, eine Renationalisierung des Internet. Bei aller Liebäugelei mit solchen Blockaden ist jenseits aller rechtlichen Bedenken dennoch vorauszusehen, dass kaum je der Zugriff auf Internetinhalte auf ausländischen Servern zu verhindern sein wird, wenn die entsprechenden Länder dabei nicht mitspielen. Oft werden beanstandete Websites einfach bei einem anderen Provider, vielleicht in einem anderen Land, manchmal mit einer anderen URL erneut ins Netz gestellt oder von Sympathisanten bzw. Anhängern einer liberalen Netzideologie vielfach gespiegelt. Und es genügt bekanntlich ein Link auf einer ansonsten "harmlosen" Seite, von dem man direkt oder über weitere Links zu unerwünschten oder verbotenen Inhalten gelangen kann. Ein Fall unlängst in der Schweiz gibt für den gefährlichen Zensurüberschwang einiges zu denken (Ab wievielen Zwischenschritten ist ein Link auf eine rechtswidrige Website strafbar?).

In den USA ist im Hinblick auf Links bereits ein wichtiges Urteil ergangen, allerdings in einem anderen Kontext. Beim Rechtsstreit über die Veröffentlichung von DeCSS, des Programms zur Umgehung der DVD-Verschlüsselung, erging das Urteil, dass nicht nur das Anbieten des Programms selbst, sondern auch der Link auf eine Webseite verboten ist, auf der dieses Programm angeboten wird, sofern bei diesem Links automatisch der Prozess des Herunterladens eingeleitet wird. Damit würde man das funktionale Äquivalent anbieten, selbst den DeCSS-Code dem Benutzer des Links zu übermitteln. Bei anderen Links sei dies schwieriger, so der Richter, der diese Frage aber für sein Urteil als nicht maßgeblich ansah. Hier werden also in einem Urteil, bei dem es auch um die Meinungsfreiheit ging, zwei Arten von Links unterschieden, aber erst einmal nicht grundsätzlich Links auf verbotene Inhalte selbst als unrechtmäßig bezeichnet. Allerdings sah der Richter hier das Netz als besonders gefährlich an, weil sich Daten hier so schnell wie eine Epidemie ausbreiten können (8656).