Sind nur Menschen Personen?

Ein Rechtsfall in Österreich, bei dem es um die Regelung der Vormundschaft für einen Schimpansen geht, stellt interessante Fragen und untergräbt das anthropozentrische Selbstbild

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Der österreichische Verein gegen Tierfabriken (VGT) lässt in seinem rechtlichen Kampf um die Rechte des 26jährigen Schimpansen Hiasl nicht nach (Schimpanse von Gericht in Österreich nicht als Person anerkannt). Als Baby war er aus Sierra Leone für eine österreichische Pharma-Firma verschleppt worden. 1999 wurde er einem Tierschutzverein übergeben und seitdem von der in Wien lebenden Britin Paula Stibbe betreut. Interessant ist der Fall, weil zwar viele Staaten Versuche an Menschenaffen nicht mehr zulassen, es aber weiter nicht geklärt ist, ob unsere nächsten Verwandten, die sowieso vom Aussterben akut bedroht sind, auch in besonderer Weise geschützt und ihnen daher gewisse Menschenrechte zugestanden werden müssten.

Der Schimpanse Hiasl. Bild: VGT

Um sicherzustellen, dass Hiasl nicht wieder in das Risiko gerät, für Tierversuche herhalten zu müssen, haben Stibbe mit der Hilfe des VGT und unterstützt von Primatologen (Menschenrechte für Menschenaffen?) versucht, für den Schimpansen eine Vormundschaft zu erhalten. Hiasl hätte dann einen gesetzlichen Betreuer. Was den Fall interessant macht. In Österreich können nur Menschen unter Vormundschaft gestellt werden. Hiasl müsste also als Person anerkannt werden. Letztes Jahr hatte eine Richterin ein entsprechendes Begehren zurückgewiesen, weil ein Bezirksgericht dafür nicht zuständig sei. Das Problem, ob Schimpansen rechtlich als Person anerkennt werden, müsse gesetzlich geregelt werden.

Nachdem auch dar Oberste Gerichtshof den Antrag aus formellen Gründen abgewiesen hat, zogen die Tierschützer mit ihrer Beschwerde vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Ob das Gericht die Klage annimmt, ist noch unbekannt. Beschwerdeführer Martin Balluch vom VGT erklärte zum Vorgehen:

Zum Verfahren in Österreich haben wir 4 Expertengutachten international anerkannter WissenschaftlerInnen und UniversitätsprofessorInnen in den Fächern Verfassungsrecht, Rechtsphilosophie, Anthropologie und Biologie vorgelegt, um unsere These, dass der Schimpanse Matthias Pan nach dem österreichischen Recht als Person anzusehen ist, zu untermauern. Leider haben die Gerichte, und insbesondere der Oberste Gerichtshof, kein faires Verfahren zugelassen und diese Beweise nicht beachtet. Wir haben daher diese Beschwerde zum Europäischen Gerichtshof eingebracht, weil jedem steht ein faires Verfahren zu, auch einem Schimpansen.

Schwierig ist nicht nur, dass sich mit einer (juristischen) Erweiterung des Personenbegriffs über den Menschen hinaus, der sich nicht unbescheiden anthropozentrisch als Homo sapiens sapiens bezeichnet und sich religiös eine angeblich von Gott begründete Alleinstellung zugesteht, das menschliche Selbstbild verändern muss. Zudem müssten für die frei, in Zoos oder auch sonst in Gefangenschaften lebenden Menschenaffen weitaus stärkere Schutzmaßnahmen eingeführt werden, die durch etwaige rechtliche Vertreter auch juristisch geltend gemacht werden könnten.

Viel schwieriger wird aber das Problem, das mit der Anerkennung der großen Ähnlichkeit mit dem Menschen und der zahlreichen gemeinsamen emotionalen, kognitiven und sozialen Eigenschaften die unbedingte Achtung der Menschenrechte Risse bekommen könnte. Der Philosoph Peter Singer, der für Menschenrechte für Menschenaffen eintritt, hat gleichzeitig darauf aufmerksam gemacht (Schonung der Tiere, Euthanasie für schwer behinderte Kinder?), dass die "Heiligkeit des menschlichen Lebens" an das Personsein gebunden ist, also dass ein Wesen Bewusstsein und Selbstbewusstsein, Empfindungsfähigkeit und Rationalität hat.

Dem Leben eines Wesens bloß deshalb den Vorzug zu geben, weil das Lebewesen unserer Spezies angehört, würde uns in dieselbe Position bringen wie die Rassisten, die denen den Vorzug geben, die zu ihrer Rasse gehören.

Peter Singer

Die Erweiterung der Menschenrechte auf andere Arten muss keineswegs, wie Singer argumentiert hat, zu einer Einschränkung auf der anderen Seite führen, schließlich könnten die Heiligkeit und Würde anderer, dem Menschen nahestehender Arten, auch dann geachtet werden, wenn die Personalität des Lebens noch nicht oder nicht mehr vorhanden ist. Trotzdem ist es sinnvoll, weil es die moralische Entscheidungsdimension verschärft, die Frage auf dem Hintergrund der Argumentation von Singer zu stellen. Wenn Tiere wie Primaten oder auch Wale die Bedingungen zur Anerkennung von personalem Leben erfüllen, sie also Bewusstsein, Selbstbewusstsein, intentionale Interessen und Zukunftserwartung beispielsweise im Sinne vorausschauender Planung besitzen, dann müssten sie als Personen gelten, die denselben "Wert oder Schutzanspruch" wie Menschen haben. Auf der anderen Seite wären Föten, schwerst geistig Behinderte, Neugeborene oder Menschen, deren Gehirn unheilbar geschädigt ist und die im Koma liegen, keine Personen im vollem Sinn. Müsste man diesen den Vorzug vor Menschenaffen mit Personalität geben? Oder wäre es, wie Singer umgekehrt zu bedenken gibt, dann auch notwendig, den Tötungsschutz entweder herabzusenken oder ihn auf andere Arten zu erweitern.