Solarstrom treibt Biosynthese in Bakterien an

Bild: lbl.gov

Hybride bioanorganische Systeme koppeln technische Apparate und lebende Organismen, um das Prinzip der Photosynthese für den Menschen nutzbar zu machen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.


Die Natur nutzt das Sonnenlicht für chemische Synthesen, doch bislang fiel es schwer, diesen Prozess an menschliche Bedürfnisse anzupassen. Ein neuerer Ansatz nimmt sich die Photosynthese zum Vorbild, trennt die Reaktion aber in zwei Teile auf: Photoelektroden oder Solarpanele liefern die Energie, mit der modifizierte Mikroorganismen Kohlendioxid in biologische Bausteine verwandeln.

Die Photosynthese verwandelt jährlich etwa 130 Terawatt Sonnenstrahlung in 115 Milliarden Tonnen Biomasse - kein industrieller Prozess erreicht auch nur annähernd diese Größenordnungen. Das weckt Begehrlichkeiten: Wissenschaftler versuchen seit langem, die Photosynthese nach menschlichen Bedürfnissen umzugestalten. Doch dies hat sich als äußerst schwierig erwiesen, ein großer Durchbruch lässt weiterhin auf sich warten.

Ein Teil des Problems liegt darin, dass die Photosynthese aus zwei unterschiedlichen Prozessen besteht. Im ersten Schritt wird die Energie der Sonne genutzt, um das Kohlendioxid in der Luft für die Zelle verwertbar machen. Erst im zweiten Schritt erfolgt die Biosynthese von Zuckern und anderen Substanzen. Wissenschaftler wollen meist nur den zweiten Schritt verändern - statt Zucker sollen etwa Biotreibstoffe oder Bausteine für Kunststoffe und Medikamente entstehen. Doch derartige Manipulationen beeinträchtigen meist auch den ersten Schritt: Die Lichtenergie kann nicht mehr optimal genutzt werden und der Prozess wird ineffizient.

Solarpanele ersetzen Chlorophyll

Einige Forschergruppen streben nun eine radikale Lösung an: Sie trennen Lichtreaktion und Biosynthese in separate Vorgänge auf. Photoelektroden und Solarpanele ersetzen das Chlorophyll und die natürlichen Photosysteme, während ausgesuchte Mikroorganismen für die Produktion der gewünschten Substanzen zuständig sind. Der Stoffwechsel der Mikroben kann nun manipuliert werden, ohne dass die Lichtausbeute wesentlich darunter leidet.

Zu den Vorreitern dieses Ansatzes gehört das Labor von Peidong Yang am Kavli Energy NanoSciences Institut in Kalifornien. Die Forscher entwickelten ein sogenanntes hybrides bioanorganisches System (Nichols et al., PNAS 2015, Hybrid bioinorganic approach to solar-to-chemical conversion): Als Energiequelle dient eine Photoelektrode, die Wasser - wie bei einer klassischen Elektrolyse - in Sauerstoff und Wasserstoff aufspaltet. Der Wasserstoff ermöglicht es im nächsten Schritt dem Archaeon Methanosarcina barkeri, das reaktionsträge Kohlendioxid in den potentiellen Biotreibstoff Methan zu verwandeln.

Dieses hybride System beeindruckt durch hohe Effizienz. Gekoppelt an leistungsfähige Solarpanele könnten etwa 10 % der einfallenden Sonnenenergie in chemischen Verbindungen gespeichert werden. Zum Vergleich: Die natürliche Photosynthese erreicht meist nur etwa Werte von 3 bis 4 %.

Synthese von biologischen Bausteinen

Doch für eine kommerzielle Anwendung ist Methan kein attraktives Produkt - es gibt genügend Methoden, um dieses Brenngas einfacher und günstiger herzustellen. Wesentlich interessanter wäre es, wenn hybride Systeme das natürliche Stoffwechselprodukt Acetyl-Coenzym A erzeugen könnten: Dieser Baustein bildet die Grundlage für die Synthese von höherwertigen Treibstoffen, Kunststoffen und Medikamenten.

Auch für diese Aufgabe haben Yang und seine Kollegen eine mögliche Lösung beschrieben (Liu et al, NanoLetters 2015, Nanowire−Bacteria Hybrids for Unassisted Solar Carbon Dioxide Fixation to Value-Added Chemicals). Als Energiequelle dient erneut eine Photoelektrode, die mit Hilfe von Licht Wasserstoff erzeugt. Die nachfolgende Biosynthese wird jedoch in zwei Schritte aufgeteilt: Den Wasserstoff nutzt das anaerobe Bakterium Sporomusa ovata, um Kohlendioxid in Essigsäure zu verwandeln. Und aus der Essigsäure stellt ein genmodifiziertes Darmbakterium dann das gewünschte Acetyl-Coenzym A her. Das Endprodukt ist nun zwar wertvoll, die Effizienz der Reaktion ist jedoch unbefriedigend - verwertet werden gerade einmal 0,38 % der eingestrahlten Energie.

Große Hürden warten

Hybride bioanorganische Systeme können im Moment also entweder effizient arbeiten oder wertvolle Produkte herstellen, aber nicht beides zusammen. Von der Marktreife sind sie daher noch weit entfernt. Dies könnte sich jedoch bald ändern. Die Wissenschaftler hoffen auf den Fortschritt der synthetischen Biologie, die beständig neue Methoden entwickelt, um den Stoffwechsel von Bakterien für menschliche Zwecke umzugestalten (Stoffwechsel nach Maß).

Der Forscher Yang hält hybriden Systeme für kommerziell lebensfähig, wenn sie ohne unter akzeptablen Kosten etwa 10 % der Sonnenenergie für chemische Synthesen nutzen können. Unter Laborbedingungen könnte dies ein machbares Ziel sein. Doch die eigentlich Hürde wartet bei der Umsetzung in eine industrielle Produktion: Alle Versuche, die Photosynthese zur Erzeugung von Biotreibstoffe zu adaptieren, haben dies bereits leidvoll erfahren.

2/3