Spanien: Proteste weiten sich aus
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Angesichts dieser Vorwürfe durch den ohnehin seit langem umstrittenen Sàmper verweisen immer mehr Menschen auf ein Konzept der katalanischen Polizei, das "Sherwood-Syndrom" genannt wird. Es wurde vom Generalkommissar der Mossos d'Esquadra für territoriale Koordination, David Piqué i Batallé, ausgearbeitet und hat die Zerschlagung von Bewegungen zum Ziel.
In dessen Papier, die die Zeitung La Directa veröffentlicht hat, werden zweifelhafte Methoden offen angesprochen. Auch mit "wenig begründbaren Festnahmen" soll provoziert werden, wobei "eine demütigende Behandlung die Gemüter weiter erhitzen" soll.
"Gegen Demonstranten soll direkt vorgegangen werden" und man müsse sie "schnell genug angreifen, um ihre Flucht zu verhindern", heißt es in dem Konzept. Was das Ziel ist und welche Bilder gezielt erzeugt werden sollen, schrieb er auch:
"Die absehbare Folge dieser Vorgänge und die Gestaltung des Polizeieinsatzes ist, dass das Ganze in einer Straßenschlacht endet."
Und entsprechend war man am Samstag auch in Barcelona aufgestellt. War die Aufstandsbekämpfungseinheit Brimo bisher nur zu 50 Prozent im Einsatz, waren nun alle verfügbaren Kräfte im Einsatz.
Dazu kamen auch noch Spezialeinheiten der Stadtpolizei. Ein Vorgehen wie in Barcelona war aber in der vergangenen Woche nicht nur in Katalonien zu beobachten, sondern auch in Madrid, Valencia oder Granada. Ein Video aus Valencia zeigt in aller Deutlichkeit, wie ein friedlicher Marsch angegriffen wird, um Ausschreitungen zu provozieren.
In diesem Zusammenhang wurde auch der Abgeordnete Carles Esteve der Regionalpartei Compromis ohne Anlass geprügelt, wie ein Video zeigt, das die Partei per Twitter ebenfalls veröffentlicht hat.
In Katalonien ist wahrscheinlich, dass Teile der Regionalpolizei über ihr Verhalten die Regierungsbildung beeinflussen wollen. Es gibt innerhalb der Mossos Kräfte, die mit allen Mitteln verhindern wollen, dass die antikapitalistische CUP, die sich klar hinter die Demonstranten stellt, in die Regierung eintritt. Die CUP ging deutlich gestärkt aus den Wahlen hervor, in denen Katalonien deutlich weiter nach links gerückt ist und die Parteien der Unabhängigkeitsbewegung erstmals die Marke von 50 Prozent deutlich überschritten haben.
Eine Vereinigung innerhalb der Mossos hat damit gedroht, die Polizei "unregierbar" zu machen, da die CUP deutliche Veränderungen und die Auflösung der gewalttätigen Brimo fordert. Diese Forderungen sind nun Teil in den Verhandlungen zur Regierungsbildung.
Die Vorgänge um Hasél steigern aber auch die Spannungen in der spanischen Regierungskoalition in Madrid deutlich weiter. Das hat auch damit zu tun, dass das "Maulkorbgesetz", aufgrund dessen der Rapper verurteilt wurde, längst gestrichen sein sollte. Das hatte nicht nur die Linkskoalition Unidas Podemos (UP) versprochen, sondern auch die Sozialdemokraten (PSOE) unter Regierungschef Pedro Sánchez.
Doch ist in mehr als einem Jahr nichts passiert. Das Gesetz wurde wie die Arbeitsmarktreform der rechten Vorgänger bisher nicht einmal reformiert. Statt eines bedingungslosen Grundeinkommens wurde auch nur ein sehr begrenztes Sozialgeld eingeführt, das fast niemand erhält, weil enorme bürokratische Hürden aufgebaut wurden.
Die Podemos-Basis
Angesichts der Tatsache, dass UP in der Regierung ziemlich glanzlos geblieben ist und von den eigenen Vorstellungen gegen die PSOE praktisch nichts umgesetzt hat, wird es für Podemos nun ziemlich ungemütlich. Das haben auch die Wahlen in Katalonien gezeigt, aus denen die Formation ebenfalls weiter geschwächt hervorging.
Aber es ist nun die eigene Basis, die für Hasél auf die Straße geht und damit auch gegen die Regierung demonstriert, an der Podemos beteiligt ist. Zu erinnern sei daran, dass Podemos aus der Empörten-Bewegung entstanden ist. Doch anstatt das "Regime von 1978" zu stürzen, ist die Partei inzwischen zu einer der "Stützen des Regimes" geworden.
Der Podemos-Chef Pablo Iglesias äußert nun Verständnis für die Proteste, da man es mit "keiner vollständig normalen und demokratischen Lage" in Spanien zu tun habe. Das hatte Iglesias schon angesichts der Kritik Russlands festgestellt, als Moskau mit Blick auf die Katalanen darauf hingewiesen hatte, dass es in Spanien politische Gefangene gibt.
Die Ansicht von Iglesias weist der sozialdemokratische Regierungschef Pedro Sánchez vehement zurück. Er bezeichnete der Spanien als eine "vollständige Demokratie, in der der Einsatz von Gewalt nicht hinnehmbar ist". Das passt aber nicht wirklich dazu, dass auch Sánchez eine Reform des "Maulkorbgesetzes" prüft, um die Meinungsfreiheit besser zu schützen.
Bis hinein in den Europarat ist klar, dass in Spanien etwas schiefläuft. Die Menschenrechtskommissarin des Europarates Dunja Mijatovic erklärt: "Die übermäßige Anwendung der Antiterrorgesetzgebung bedroht die Meinungsfreiheit."
Jaume Asens, der Sprecher der Podemos-Fraktion im spanischen Parlament meint, dass der Fall Hasél wie ein Katalysator wirkt: "Hasél war der Funke, der die Empörung vieler entzündet hat." Der Katalane fordert eine Begnadigung für Hasél und dessen Rapper-Freund Valtònyc, der sich seit fast drei Jahren im belgischen Exil befindet, da das Land Menschen wie ihn nicht an Spanien ausliefert.
Podemos hat, allerdings auch erst jetzt sehr spät, einen entsprechenden Antrag für eine Begnadigung ins Parlament eingebracht.
Die Formation versucht offensichtlich, sich nicht noch weiter von ihrer Basis abzukoppeln. Deshalb erklärt Asens nun auch sein Unverständnis darüber, dass die Korruptionsermittlungen gegen den früheren König, der vor Ermittlungen nach Abu Dhabi geflohen ist, in Spanien eingestellt wurden, aber Hasél eingesperrt wird, der die Korruption in seinen Liedern kritisiert hat.
Dass es starke Spannungen in der Regierung gibt, bestätigte er. Das zeigt sich gerade auch sehr deutlich am Streit über die ausstehende Regulierung ausufernder Mieten oder bei Reformen anderer Gesetze.