Spanische Fukushima-Schwestern
In Spanien gibt es baugleiche Reaktoren, für den Siedewasser-Reaktor in Garona wurde die Laufzeit verlängert, der Reaktor in Cofrentes liegt in einem Erdbebengebiet
Zum Super-Gau entwickelt sich für die spanische Regierung ihr Schwenk in der Atompolitik. Denn als Kniefall vor der Atomlobby und vor den Unternehmern hatte die Regierung ausgerechnet die Laufzeit des Uraltreaktors Santa Maria de Garoña verlängert und damit ausgerechnet an einem Reaktor ihr Ausstiegsversprechen gebrochen, der baugleich mit den Katastrophenreaktoren im japanischen Fukushima ist. Wie der Uraltreaktor in Garoña ging auch der Block 1 in Fukushima 1971 ans Netz, in dem die Kernschmelze wohl schon begonnen hat.
Der Block 3 in Fukushima, in dem sich nun ebenfalls eine Explosion ereignet hat, nahm allerdings erst 1976 seinen kommerziellen Betrieb auf. Block 2, der ebenfalls außer Kontrolle ist und dessen Brennstäbe nicht mehr von Wasser bedeckt sein sollen, ging 1974 ans Netz. Der verunglückten spanischen Regierung fällt nun auch noch die Entscheidung auf die Füße, dass Garoña nicht wie geplant 2011 vom Netz geht, sondern die Laufzeit mindestens bis 2013 verlängert wurde. Dass dieses Atomkraftwerk stets von Pannen geplagt ist, ist keine Neuigkeit mehr. Doch die Vorgänge in Japan machen erneut unmissverständlich deutlich, dass die Siedewasserreaktoren von General Electric gravierende Sicherheitsprobleme haben, vor allem bei der so bedeutsamen Notkühlung. Deshalb gehören sie sofort abgeschaltet.
Der Verweis der Regierung, dass Garoña nicht in einem Erdbebengebiet stehe, führt absichtlich in die falsche Richtung und soll von ihren fatalen Fehlentscheidungen ablenken. Schließlich haben das Erdbeben und der Tsunami nur die Systemmängel offengelegt, die auch durch andere Vorfälle verursacht werden können. Dass die Atomkraftwerke in Spanien so ausgelegt seien, dass sie die den stärksten, in dem Gebiet zu erwartenden Beben standhalten würden, beruhigt auch nicht. Schließlich wurde das den Menschen in Japan auch erzählt.
Dass keine Anlage in einem stark von Erdbeben gefährdeten Gebieten Spaniens läge, sehen Umweltschützer ohnehin anders. Ausgerechnet das Atomkraftwerk Cofrentes bei Valencia, ebenfalls ein Siedewasserreaktor wie in Fukushima, liegt nach Angaben von Greenpeace in einer seismischen Störzone, die von Valencia bis Tarragona reicht. Damit sei auch Ascó in Tarragona betroffen und beide Atomkraftwerke tauchen oft auf der Störfallliste auf. Kürzlich zeigte Greenpeace mit der Besetzung des Meilers in Ascó auch auf, dass es um die Sicherheit vor einem terroristischen Anschlag auf die Kernkraftwerke schlecht bestellt ist (Greenpeace besetzt spanisches Atomkraftwerk).
Dass die Sozialisten inzwischen sogar eine allgemein Laufzeitverlängerung für die spanischen Atomkraftwerke die Hintertür geöffnet hben, dürfte sich für die Partei nun vor den Kommunal- und Regionalwahlen im Mai als politischer Super-Gau erweisen. Schließlich hatten die Sozialdemokraten (PSOE) 2004 und 2008 die Wahlen mit dem Versprechen gewonnen, die unsichereren Meiler abzuschalten. Benötigt wird der Strom, ganz besonders die 466 Megawatt des alterschwachen Meilers in Garoña, ohnehin nicht. Wegen der heftigen Wirtschaftskrise, in der das Land versinkt, ist die Nachfrage nach Strom eingebrochen. Ohnehin liefern Erneuerbare Energien längst mehr als doppelt so viel Strom wie die gefährlichen Atommeiler. Immer wieder müssen in Spanien Windkraftanlagen abgeschaltet werden, weil sich die Atommeiler nicht vernünftig herunterregeln lassen.
Erwähnt sei auch noch, dass Greenpeace darauf aufmerksam macht, dass die Lage in Block 3 in Fukushima sehr bedenklich ist, in dem sich die letzte Explosion ereignet. Die Umweltorganisation erklärt, in diesem Block würden Brennstäbe eingesetzt, die auch Plutonium enthalten. Es handele sich um eine Plutonium-Uran-Mischung, so genanntes MOX. Das würde nicht nur die Folgen eines GAUs deutlich verschlimmern, sondern macht ihn auch wahrscheinlicher. MOX habe einen niedrigeren Schmelzpunkt und demnach kann eine Kernschmelze bei bereits niedrigeren Temperaturen beginnen. Zudem sei der Block 3 um zwei Drittel größer als Block 1, weshalb eine höhere Restwärme im Reaktor abzuführen sei.
"Sollte es im Reaktor 3 in Fukushima zu Kernschmelze und Super-GAU kommen, ist mit dem Allerschlimmsten zu rechnen, denn die speziellen Brennstäbe in diesem Reaktor enthalten hochgiftiges Plutonium. Im Vergleich zu Tschernobyl käme es im Zuge eines Super-GAUs somit nicht nur zur Freisetzung von radioaktiver Strahlung, sondern auch von hochgiftigen Stoffen wie Plutonium. Wir befürchten, dass die Folgen für Mensch und Umwelt noch schlimmer als befürchtet ausfallen", warnt Greenpeace Anti-Atom-Experte Niklas Schinerl. Es gäbe nur sehr wenige Daten über das Verhalten von MOX in Unfallszenarien. Radioaktive Gase, die zwischen den Teilchen entstehen, spielen eine wichtige Rolle, weil die Gasmenge in diesem Uran-Plutonium-Gemisch doppelt so hoch sei als bei konventionellem Uran. Somit verdoppelte sich auch die radioaktive Freisetzung aus dem Reaktor. Wenn es zu einer schweren Beschädigung des Reaktors kommen und Plutonium austreten sollte, droht dem betroffenen Gebiet eine langfristige Verstrahlung.