Spanische "Kloaken": Wie Star-Journalisten eine erfolgreiche politische Schmutzkampagne fuhren

Gegen Podemos und die Katalanen wurde bewusst Fake-Propaganda aus dem Innenministerium betrieben. Fast alle Sender und viele Zeitungen sprangen auf den Zug auf.

Die Kampagne gegen Linke und gegen katalanischen Unabhängigkeitsbefürworter durch eine illegale "Politische Brigade" der Polizei in Spanien, die aus dem Innenministerium gelenkt wurde, ist längst kein Geheimnis mehr. Dass die "Patrioten-Polizei" unter der ultrakonservativen Regierung der Volkspartei (PP) eine regelrechte Medienkampagne gegen die linke Opposition im Land führte, liegt seit Jahren offen.

Der damalige Innenminister Jorge Fernández Díaz muss sich für die Vorgänge denn auch vor Gericht verantworten

An dieser Stelle hatten wir mehrfach darüber berichtet, andere deutschen Medien übten sich in Zurückhaltung. Die Skandale haben aber jetzt eine ganz neue Stufe erreicht. Denn Tonaufnahmen bestätigen, dass ein "Star-Journalist" des TV-Senders La Sexta gefälschte Anschuldigungen nicht nur verbreitet hat, sondern auch wusste, dass die schweren Beschuldigungen wie etwa gegen den Ex-Chef von Podemos, Pablo Iglesias, erfunden waren.

Steter Fake höhlt den Erfolg des Gegners

Der Vorgang wird nun "Ferrerasgate" genannt, weil im Zentrum der Moderator von Al Rojo Vivo, Antonio García Ferreras, steht. Dass Ferreras kein Freund von Podemos und Iglesias ist, tritt in jeder Sendung glasklar hervor, die er jeden Mittag moderiert. Dass er alles andere als neutral ist, wird auch schnell deutlich. Die Tonaufnahmen, die das Rechercheportal Crónica Libre veröffentlicht hat, zeigen darüber hinaus, dass Ferreras obendrein korrupt ist.

Ferreras war wichtiger Bestandteil einer jahrelangen Fake-Kampagne gegen die Linkspartei Podemos. Die wurde durchgezogen, als sich die Empörten-Partei anschickte, die Sozialdemokraten (PSOE) zu überflügeln und sich Ende 2015 anschickte, vielleicht sogar stärkste Partei in Spanien zu werden.

"Eduardo, das ist eine ernste Sache, ich bring' das, aber das ist sehr heikel und es ist zu plump", erklärte Ferreras dem Journalisten Eduardo Inda von der Online-Zeitung Okdiario, der in La Sexta häufig auftritt - Iglesias sei doch nicht so dumm, unter seinem Namen ein Konto zu eröffnen, damit "Maduro ihm dann 200.000 Euro darauf überweist, die sind verdammt nochmal viel schlauer", fügte er an.

Das hielt Ferreras aber nicht davon ab, am 6. Mai 2016 darüber zu berichten, dass Iglesias angeblich über ein Konto bei einer Bank im Steuerparadies Islas Granadinas (Grenadinen) verfüge, auf das der venezolanische Präsident Maduro Geld überwiesen haben soll.

Genau das hatten Eduardo Inda und der "Kloaken-Kommissar" José Manuel Villarejo (zum Ausdruck "Kloaken" siehe FAZ: Die Kloaken des spanischen Staates und Telepolis: Operation Kitchen) bei Ferreras bestellt. Der lieferte prompt, obwohl ihm klar war, dass es sich um ein Märchen handelte.

Top-Thema in den spanischen Medien

Natürlich sprangen fast alle Sender und viele Zeitungen auf den Zug auf, obwohl die Anschuldigungen von der linken Zeitung Eldiario.es sogleich mit Bezug auf die Bank widerlegt wurde, die dementierte, dass Iglesias dort über ein Konto verfügte.

Trotz allem gab es fast kein anderes Top-Thema in den spanischen Medien. Das Ziel, Iglesias und Podemos zu diskreditieren, war erreicht. Podemos konnte die Sozialdemokraten nicht überflügeln und wurde auch nicht stärkste Kraft.

Das Konto war genauso erfunden wie die angebliche Podemos-Finanzierung aus dem Iran. Das hatten neben Okdiario auch andere Kloaken-Blätter wie El Confidencial in Bezug auf ein angebliches Dokument der Antikorruptionspolizei (UDEF) berichtet und derart eine "illegale Finanzierung von Podemos" präsentiert.

Fünf Millionen Euro seien aus dem Iran geflossen. Später wurde nachgeschoben, Podemos habe auch sieben Millionen aus Venezuela erhalten. Dieses Dokument gab es nie, er war auch eine Erfindung aus den "innenpolitischen Kloaken", Hintergründe finden sich hier.

Schon hier zeigte sich die Wirkungskraft des Geflechts aus Korruption in der Justiz, der Polizei und Medien, da auch entsprechende Ermittlungsverfahren auf Basis von Erfindungen eröffnet wurden. Die mussten allesamt eingestellt werden, weil nie Beweise für die Vorgänge geliefert werden konnten.

Keine Beweise?

Innenminister Fernández Díaz war aber längst in anderen Fällen aufgefallen, auch durch den aufgenommenen Satz:

Das wird dir die Staatsanwaltschaft anpassen, wir intervenieren da.

Dabei ging es um die Tatsache, dass der Chef der katalanischen Anti-Betrugsbehörde, Daniel de Alfonso, keine Beweise für angebliche Schwarzgeldkonten des damaligen Bürgermeisters von Barcelona, Xavier Trias, gefunden hatte.

Auch hier wurde der gewünschte Effekt über Fake-News erzielt, Trias würde als Bürgermeister abgewählt.

Nutznießer ohne Pardon

In diesem Fall nutzte aber der Podemos-Chef Iglesias, der über die zum Himmel stinkende Kampagne zutiefst empört ist, den Fake aus den Kloaken, um seine Kandidatin Ada Colau durchzubringen. Auf Basis der erfundenen Anschuldigungen nannte er Trias "korrupt" und bezeichnete ihn als "Dieb".

Inzwischen wurde über Tonaufnahmen bekannt, dass es sogar dem Ermittlungsrichter am Nationalen Gerichtshof, Fernando Andreu, bekannt war, dass es die angeblichen Konten Trias in der Schweiz gar nicht gab. Weshalb Trias nun die Absetzung des Richters fordert.

Über die Anschuldigungen, die dazu führten, dass die Podemos-Statthalterin Ada Colau Bürgermeisterin wurde, schweigen sowohl Colau als auch Iglesias. Sie haben sich nie entschuldigt.

Wichtiger Verbreiter für Preis nominiert

Die Verstrickungen aus Medien, Politik und Justiz liegen jetzt mit aller Deutlichkeit offen. Besonders perfide an der Strategie ist, dass Ferreras die Lügen - anders als sein Kollege Inda über Okdiario - über den bedeutsamen TV-Sender La Sexta verbreiten kann.

Der gibt sich sogar progressiv und leistet sich gestandene Linke wie El Gran Wyoming und dessen Sendung El Intermedio. Darüber wird auch ein linkes Publikum angesprochen und die Fake-News auch tief in dieser Klientel verankert.

P.S. Wie schlimm es um die spanische Medienlandschaft insgesamt steht, zeigt sich unter anderem daran, dass Ferreras nur 48 Stunden nach Bekanntwerden der Tonaufnahmen von der Akademie für Fernsehen und audiovisuelle Kunst für den Preis des besten Nachrichtenmoderators nominiert wurde.