Spezialeinsatz im Techno-Club: Wie gefährlich sind die Drogen?
- Spezialeinsatz im Techno-Club: Wie gefährlich sind die Drogen?
- Irrationale Unterscheidungen in der Drogenpolitik
- Polizeiarbeit und Drogenkonsum: falscher Fokus
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Der Bayerische Rundfunk begleitete die Razzia einer Spezialeinheit. Polizeimaßnahmen gegen Partygänger wirken übertrieben.
Der öffentlich-rechtliche Nachrichtensender BR24 begleitete in seiner Sendung "Die Story: Kontrovers" vor Kurzem die Spezialkräfte des Unterstützungskommandos (USK) der bayerischen Polizei beim Training und bei zwei Einsätzen. Das allein auf Youtube rund 900.000-mal aufgerufene Video zeigt insbesondere die nächtliche Razzia eines Techno-Clubs.
"Sie kommen dann, wenn es für Streifenpolizisten zu gefährlich wird", leitet die Sprecherin gleich am Anfang die Dokumentation ein. Dazu martialische Musik – und Kampfschreie. Letztere stammen allerdings nicht von Kriminellen, sondern von Polizisten, die sich für eine Übung auf dem Polizeigelände es USK in Dachau als Hooligans vermummt haben. Das erfährt man erst im späteren Verlauf der Sendung.
Die Aufmerksamkeit der Zuschauerinnen und Zuschauer dürfte jedenfalls nach den ersten 20 Sekunden gebannt sein. Doch die Bilanz an Straftaten wird am Ende der Sendung eher ernüchternd ausfallen. Das gilt vornehmlich dann, wenn man Vergehen abzieht, zu denen es ohne die Polizeieinsätze erst gar nicht gekommen wäre.
Razzia im Techno-Club
"Bereit zum Einsatz. Ab jetzt zählt jede Sekunde", erfährt man zwei Minuten später. Rund 100 Polizeibeamte teilen sich in zwei Gruppen auf, um "eine für Drogenmissbrauch bekannte Diskothek" nach Mitternacht zu stürmen. Die eine Hälfte zum Haupteingang, die andere durch den Keller, wo eine Tür aufgebrochen werden muss. Wer schließt schon seine Kellertür ab? "Hände nach oben! Hände aus den Taschen!", rufen die Polizisten gleich am Anfang und dann immer wieder während der Razzia. Mobiltelefone dürfen nicht verwendet und müssen ausgeschaltet werden.
Wer sich in dem Club aufhielt oder auch nur auf dessen Gelände, muss stundenlange polizeiliche Maßnahmen über sich ergehen lassen: Warten, Identitätsfeststellung, Durchsuchung. Die Polizei kann nicht alle gleichzeitig abfertigen. "Niemand darf sich mehr bewegen oder in irgendwelche Taschen greifen", erklärt das BR-Team. Ein Polizist hält Gäste dazu an, ihre Hände zu falten.
Ein Mann erklärt, er sei nicht einmal im Club gewesen. "Falschen Tag erwischt. Tut mir leid", entgegnet ein Polizist. Ein anderer gibt an, nur zum Tanzen gekommen zu sein. Jetzt müsse man warten. Ein Mann, der verdächtigt wird, auf der Toilette Drogen verkauft zu haben, wird vor laufender Kamera gefesselt. Praktischerweise kleben die Polizisten den Gästen Identifikationscodes auf, zum Beispiel: "P-10-01".
Die Bilanz: "Die USKler finden fast alles an Drogen: Koks, Ecstasy, Gras und Pillen, die sie nicht zuordnen können." Nach fünf Stunden ist der Einsatz beendet. "Die Polizei war erfolgreich. Bei 25 Clubbesuchern haben sie illegale Substanzen gefunden", schlussfolgert das BR-Team.
Illegale Substanzen
Wie wird eine Substanz eigentlich illegal? Ganz einfach: indem Behörden sie auf eine Liste illegaler Substanzen setzen. Auch die Grenze zwischen Medikamenten und Drogen ist willkürlich und gibt es in manchen Sprachen gar nicht.
Vergessen wir nicht, dass bis ins 19. Jahrhundert noch die Staaten die größten Drogendealer waren: Unter anderem Preußen, England und Frankreich verdienten sehr gut am Opiumhandel. Die beiden letztgenannten Kolonialmächte zwangen China sogar mit Krieg dazu, sein Verbot des finanziell lukrativen Rauschmittels aufzuheben. Das Elend opiumabhängiger Chinesen interessierte die Westmächte nicht.
Im 20. Jahrhundert wendete sich dann das Blatt: Vor allem in den Vereinigten Staaten von Amerika widersprach der Kontrollverlust unter Einfluss psychoaktiver Substanzen den herrschenden Moralvorstellungen. Über völkerrechtliche Verträge setzte man diese Normen ab 1912 auch international durch.
Dabei spielten rassistische Motive ebenfalls eine Rolle. Beispielsweise wollte man in den USA die chinesischen Gastarbeiter, die dort das Eisenbahnnetz aufgebaut hatten, wieder aus dem Land haben. Weil sich das rechtlich nicht durchsetzen ließ, verbot man stattdessen das bei ihnen beliebte Opium. Dadurch wurden viele von ihnen zu Kriminellen abgestempelt, gegen die man strafrechtlich vorgehen konnte.
Mit Drogenpolitik wurde also Sozial- und Migrationspolitik gemacht. Auch die bei anderen Randgruppen – Afroamerikanern, Latinos, später ebenso Hippies – beliebten Substanzen wie Cannabis, Kokain oder LSD verbot man schließlich.
Um dies in der Bevölkerung durchzusetzen, lancierten staatliche Akteure Dämonisierungskampagnen. Beispielsweise wurde die damals in den USA gängige Bezeichnung "Hanf" (engl. hemp) für Cannabisprodukte in den 1930ern durch das lateinamerikanische Fremdwort "Marihuana" ersetzt. So ließ sich die Substanz besser als Teufelszeug darstellen, als man das gescheiterte Alkoholverbot aufgab und die Drogenpolizei neue Einsatzgebiete suchte.
1961 kam es über die Vereinten Nationen schließlich zum Einheitsabkommen über die Betäubungsmittel. Dieses verpflichtete die Mitgliedsstaaten zum Verbot von Opiaten, Kokain- und Cannabisprodukten. Die Liste verbotener Substanzen wird seitdem regelmäßig ergänzt.
Somit wissen wir also, warum in jener Nacht in Bayern die Besucherinnen und Besucher eines Techno-Clubs nicht tanzen konnten und stattdessen stundenlang Zwangsmaßnahmen über sich ergehen lassen mussten: Weil die USA bestimmte Substanzen im frühen 20. Jahrhundert dämonisierten und ihre Verbotspolitik in den Jahrzehnten danach international durchsetzten.