Spielt die Internationale Energieagentur "Peak Oil" herunter?

Der neueste Bericht dringt auf strikte Bekämpfung der Klimaerwärmung und sagt nach der Finanzkrise stark steigenden Energiekonsum voraus

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Der neueste Energiebericht der Internationalen Energieagentur (IEA) hat die Erwartung der weltweiten Nachfrage nach Öl gegenüber früher aufgrund der Wirtschaftskrise ein wenig reduziert. Sie geht nun von einem jährlichen Wachstum von 1 Prozent von 85 Millionen Barrel im Jahr 2008 täglich auf 105 Millionen Barrel im Jahr 2030 aus. Das sind 24 Prozent mehr als 2008. Ein Barrel würde dann 108 USD (von 1980) kosten. Letztes Jahr erwartete man noch 106 Millionen, wenn alles so wie jetzt weiterläuft. Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg wird auch der Stromverbrauch um 1,6 Prozent sinken.

Grafik: IEA

Auf jeden Fall aber wird nach der Wirtschaftskrise wieder eine wachsende Nachfrage nach Energie einsetzen. Das Wachstum wird nach der IEA zu 90 Prozent von den Nicht-OECD-Ländern kommen, deren Anteil bei der Nachfrage von jetzt 52 auf dann 63 Prozent zunehmen wird. Allein China und Indien werden für 53 Prozent der wachsenden Nachfrage verantwortlich sein.

Fossile Brennstoffe werden weiterhin die primären Energiequellen darstellen, 77 Prozent der wachsenden Nachfrage entfallen auf sie. Neben dem Öl wird nach der IEA auch die Nachfrage nach Kohle um 53 Prozent und der nach Erdgas um 42 Prozent steigen.

Wenn die Regierungen der Welt aber dem "450-Szenario" folgen, also alles unternehmen, um die CO2-Werte in der Atmosphäre von jetzt 385 ppm auf 450 ppm beschränken, würden 2030 nur 89 Millionen Barrel täglich gebraucht und läge der Anstieg im Jahr bei nur 0,2 Prozent. Da weniger Öl verbraucht wird, sinken die Preise. Ein Barrel käme dann 2030 auf 90 USD.

Dank der Finanzkrise wird aber nicht nur weniger Öl nachgefragt, es wird auch weniger Geld in die Suche und Entwicklung neuer Ölfelder sowie in den Bau neuer Pipelines, Raffinerien und Kraftwerken investiert. Einige Großprojekte wurden ganz gestrichen. Die IEA geht davon aus, dass die Investitionen gegenüber 2008 um 19 Prozent oder 90 Milliarden zurückgegangen sind. Allerdings sind auch die Investitionen in die Entwicklung Erneuerbarer Energien um 20 Prozent gesunken. Und sie wären, so die IEA, gar um 20 Prozent eingebrochen, hätte es nicht die Konjunkturprogramme gegeben.

Die sinkenden Investitionen können langfristige Folgen haben, weil dann in der Zukunft bei wieder wachsender Nachfrage die Kapazitäten nicht vorhanden sind. Dazu müssten bis 2030 26 Billionen USD investiert werden, also 1,1 Billionen oder 1,4 Prozent des globalen BIP jährlich. Geht alles so weiter wie bisher, werden 1,5 Milliarden Menschen 2030 keinen Zugang zum Strom haben, jetzt sind es 1,3 Milliarden. Man könne aber leicht einen universellen Zugang ermöglichen, wenn 35 Milliarden jährlich bis 2030 investiert würden, was nur einen kleinen Anstieg der Nachfrage und der damit verbundenen CO2-Emissionen zur Folge hätte. Fatih Birol, der Chefökonom der IEA, geht davon aus, dass ohne internationale Hilfe die Energiearmut nicht behoben wird, weil sie kommerziell nicht interessant ist. Er hofft darauf, dass auf dem Klimagipfel in Kopenhagen hierfür eine Lösung gefunden wird.

Die IEA versichert jedenfalls, dass bis 2030 und darüber hinaus, die Ressourcen ausreichen würden, auch wenn es zu keinen weiteren Energieeinsparmaßnahmen oder dem Ausbau von Erneuerbaren Energien, der Atomenergie und der CCS-Technik kommt. Es hätte allerdings schwere Folgen für Umwelt, Klima und Wirtschaft, weil dann die Temperaturen um 6 Grad Celsius steigen würden. Von dem schon seit Jahren beschworenen Peak Oil (Ende des Ölförderwachstums) will die IEA also auch weiterhin nichts wissen.

Die IEA sieht bis 2030 viele Ölfelder, die noch erschlossen und entdeckt werden können. Grafik: IEA

Angeblich resultiert der "Optimismus" der IEA, so berichtet der Guardian, aber nicht aus faktisch begründeten Erwartungen, sondern er soll sich dem Druck der USA Verdanken. Um Panik auf den Märkten zu verhindern, werde beispielsweise die Möglichkeit, neue Ölfelder zu finden, höher angesetzt, so dass auch in mittelfristiger Zukunft nicht mit Knappheit zu rechnen ist. Das habe ein hoher Angestellter der IEA der Zeitung berichtet, allerdings unter der Bedingung der Anonymität. Die Amerikaner würden auch das Ende der Vorherrschaft des Öls fürchten, weil sie damit auch ihre Macht, den Zugang zum Öl zu kontrollieren, schwinden würde. Das allerdings ist auch ohne Peak Oil der Fall, eher schon würde der Dollar noch stärker als Leitwährung gefährdet werden.

Während die IEA offiziell eine Fördermenge von 105 Millionen Barrel noch 2030 für möglich angibt, würden viele in der Behörde davon ausgehen, dass es höchsten 90 bis 95 sein werden. 2005 hatte die IEA 120 Millionen Barrel Fördermenge angegeben. Das sei Blödsinn, sagt der Whistleblower. Auch die jetzt angegebene Zahl sei nicht realistisch – und jeder wisse das in der IEA. Und ein weiterer Informant, der früher bei der IEA gearbeitet hat, soll dem Guardian bestätigt haben, dass es Devise gewesen sei, die USA nicht zu verärgern. Er meint, Peak Oil sei jetzt schon erreicht.

Die IEA weist den Bericht des Guardian als "grundlos" zurück und betont, dass die Behörde unabhängig berichte: "Wir haben eine Menge Kritiker", sagte Birol dem Guardian. "Wir können nicht jeden glücklich machen."