Spinatschweine
Japanische Wissenschafter haben angeblich erstmals Säugetiere gezüchtet, die Pflanzengene enthalten
Die Gentechnik entpuppt sich als das Spielzeug der Wissenschaftler, um aus den Kombinationen mit vorhandenen genetischen Bausteinen Neues entstehen zu lassen. Vieles wird man nicht machen können, doch die Möglichkeiten, Neues anzurühren und sich dann womöglich überraschen zu lassen, sind doch unvorstellbar groß. Angeblich hat jetzt ein japanischer Genforscher eine Premiere geschafft und erstmals ein pflanzliches Gen in das Genom eines Tiers eingefügt.
Weltweit sei es das erste Mal, dass man Säugetiere, die Pflanzengene enthalten, züchten konnte, erklärte der Japaner Akira Iritani, Professor für Gentechnik an der Kinki Universität gegenüber Reuters. Die Wissenschaftler haben offenbar Spinatgene in befruchtete Eier von Schweinen eingebracht und die Embryos dann in die Gebärmütter einer Sau zum Austragen eingepflanzt.
Das erste dieser Spinatschweine sei schon vor dreieinhalb Jahren geboren worden. Gesundheitliche Probleme habe es mit dem Mischwesen bislang nicht gegeben, die das Spinatgen FAD2 enthalten.
Ganz klar ist nicht, was die Spinatgene wohl beim Schwein verändern werden, grün dürften sie wohl nicht sein, allerdings sollen sie weniger Fett haben, da FAD2 gesättigte Fettsäuren in Linolsäure umwandelt. Iritani meint, dass ihr Fleisch dadurch "gesünder" für die Menschen werden könnte, auch wenn noch nicht feststünde, ob das Spinatfleisch so gesund wie Spinat als solcher sei. Immerhin sagt Iritani über diesen gentechnischen Scherz, dass "die Bedeutung dieses Erfolgs eher akademischer denn praktischer Natur" sei.
Iritani hat gleichwohl etwas von einem Wissenschaftler, der seine Forschung auf mediale Aufmerksamkeit ausrichtet und verkörpert so einen neuen Wissenschaftlertypus. Das Spinatschwein ist nicht sein erster Einfall, um die Medien anzulocken. Als 1999 von Larry Agenbroad und Bernard Buigues im Permafrost Sibiriens ein gut erhaltenes Mammut mit Fell gefunden wurde, das vor 20.000 Jahren im Alter von 47 Jahren gestorben sein soll, entstanden gleich Überlegungen, die vor 4.000 bis 10.000 ausgestorbenen Tiere mit Hilfe der Gentechnik wieder zum Leben zu erwecken.
Normalerweise ist die DNA, die man aus Fossilien von Mammuts findet, so in Mitleidenschaft gezogen, dass sich diese nicht erfolgreich klonen lässt. Einsetzen könnte den gefundenen Zellkern etwa in Eizellen von Bisons oder Elefanten, die mit den Mammuts verwandt sind. Bei dauerhaft tiefgefrorenen Tiere könnte dies aber anders sein, wenn sich denn die DNA von bereits lange toten Tieren zum Klonen noch verwenden lässt. Iritani hatte denn auch gleich die Idee, doch eine Art Jurassic Park zu schaffen, in dem dann die durch Klonen wiederauferstandenen Mammuts und andere Tiere wie der Säbelzahntiger leben könnten. Er dachte dabei an ein großes Wildreservat in der russischen Republik Jakutien, in dem Pferde und Bisons leben. Schon in den nächsten 20 Jahren, so prophezeite er, würden wieder Mammuts durch Sibirien ziehen.
Als die Wissenschaftler jedoch das Mammut aus dem Eisblock holten, zerschlugen sich diese Hoffnungen. Gefunden hatte man doch nur ein paar Knochen und Körperteile, kein ganzes Mammut. Daraus genügend vollständig intakte DNA zu gewinnen, dürfte schwierig sein, zumal die DNA nicht permanent unter 30 Grad Minus gelagert gewesen muss. Doch der Norden Sibiriens, so Agenbroad, ist ein "Mammutfriedhof". Vielleicht findet man ja noch ein gut erhaltendes tiefgefrorenes Exemplar - und viele andere Tiere für einen Eiszeitzoo. Inzwischen ist es halt doch wesentlich einfacher, Spinatschweine oder andere Mischwesen zu erzeugen.
In der Zwischenzeit hat nicht nur die Idee vom Wiederauferstehungsklonen angesichts der wenig effizienten Methode und der vielen Schäden, die die für die geklonten Lebewesen nach sich zieht - wobei die vorzeitige Alterssrthritis von der Klonpionierin Dolly noch ein harmloser Fall ist -, ein wenig vom Reiz verloren (Geklonte Primatenembryos stellten ein Horrorkabinett dar). Nach den ersten Erfolgsmeldungen - wahrscheinlich wurden die negativen eher unterschlagen -, schien es ja so, als könnten ruhig alle Tier- und Pflanzenarten verschwinden, wenn man nur Genbanken anlegt, um sie jederzeit wieder wie im berühmten Freudschen Fort-Da-Spiel zurück zu holen. Allerdings ist schon der erste, groß angekündigte Versuch, eine aussterbende Säugetierart durch Klonen zu retten, gescheitert, obgleich alles viel einfacher war, als bei Arten, die schon lange nicht mehr leben.
Advanced Cell Technology, die immer mal wieder das Medieninteresse auf sich zieht und an der Spitze des Klontechnik mitmarschieren will, hatte im Januar 2001 geschafft, dass eine gewöhnliche amerikanische Kuh namens Bessie einen geklonten männlichen Gaur mit dem vielversprechenden Namen Noah zur Welt gebracht hat. Gaur ist eine Rinderart, die es vornehmlich in Indien und Burma gibt und die mit dem Auerochsen verwandt ist. Obgleich auch als Haustier gehalten, ist dieses Dschungelrind als wildlebende Art durch Jagd und Zerstörung seiner Lebensräume bedroht. Noah wurde gezeugt, indem die Wissenschaftler Hautzellen eines bereits 1993 verstorbenen Gaurstiers mit entkernten Rindereizellen verschmolzen haben. Von 692 verwendeten entkernten Eizellen, in die Zellkerne von Hautzellen eingefügt wurden, wurde gerade ein Kalb geboren. Das Unternehmen schaltete sofort die Medien ein und verkündete, mit diesem Erfolg gleich ans nächste Projekt zu gehen: das erste Klonen einer wirklichen ausgestorbenen Tierart.
Konkret sollte eine spanische Bergziegenart zurück ins Leben gebracht werden. Das letzte Exemplar dieser Art, ein Weibchen, ist im Januar 2000, also gerade einmal ein Jahr vor der Ankündigung, im spanischen Nationalpark Ordesa gestorben, weil ein Baum auf sie gefallen ist. Doch Gewebe von ihr wurde sorgfältig eingefroren, was bei den bislang ausgestorbenen Arten in aller Regel nicht der Fall ist, so dass das unter idealen Bedingungen gut erhaltene Erbmaterial nun in Eizellen von gewöhnlichen Ziegen eingebaut werden kann. Auch bei der nur geplanten Wiederauferstehung dieser bereits ausgestorbenen Art gab es im Vorfeld bereits ein kleines Problem, denn mit dem Klonen erhält man nur weibliche Ziegen, zur Fortpflanzung wären aber auch Böcke notwendig, von denen es jedoch keine Gewebeproben gibt. Dieses Problem hätte man ja vielleicht später noch lösen können.
Doch Advanced Cell hatte sich zu früh gefreut, denn zwei Tage nach der Geburt ist das Kalb bereits gestorben. Macht nichts, meinte man im Unternehmen, gleichwohl habe sich ja gezeigt, dass das Verfahren im Prinzip funktioniere. Ende 2001 gab es dann den nächsten Mediencoup der Gentechniker. Zuerst konnte man in Science einen Artikel über geklonte Rinder veröfentlichen, in dem demonstriert werden sollte, dass die Überlebenden bei dem Verfahren normal zu sein scheinen, dann aber platzte man kurz darauf mit einer neuen Nachricht auf den Aufmerksamkeitsmarkt: man habe die ersten menschlichen Embryos erfolgreich geklont! Erfolgreich mag ein wenig übertrieben sein bei dem Akt, der im wesentlichen die Überschreitung einer Tabugrenze war, denn nur ein Embryo teilte sich bis zu sechs Zellen, bis er nach 48 Stunden alle Tätigkeit einstellte (Klonen als Mediencoup).