Spritpreisproteste weiten sich in ganz Europa aus
Die französische Regierung knickte vor den Forderungen der Fischer, Bauern und LKW-Fahrer ein
Es war erneut Frankreich, wo sich der Zorn über die hohen Treibstoffpreise zunächst in massiven Protesten der Fischer entladen hat (Neuauflage der Spritpreisproteste?). Seit Wochen werden auch einige Häfen und Treibstoffdepots blockiert. Das Vorbild machte Schule und nun steht praktisch die gesamte Fischfangflotte im spanischen Staat still. Ähnlich ist die Lage auch in Portugal und Italien. Der Protest hat sich zudem auf andere Sektoren ausgedehnt. So protestieren auch Bauern und LKW-Fahrer in ganz Europa, um Beihilfen zu erhalten. Besonders der angeschlagene Franzose Nicolas Sarkozy lenkt ein und fordert zudem in der EU, die Steuerlast auf Treibstoffe zu begrenzen.
Seit drei Wochen erlebt Frankreich spektakuläre Aktionen der Fischer, mit denen diese gegen die hohen Treibstoffpreise protestieren. Mit Blockaden von Häfen, Treibstoffdepots und Straßen machen sie Druck, weil bei derartig hohen Treibstoffpreisen kein rentabler Fischfang mehr möglich sei. Die Regierung lenkte ein und bot zunächst 110 Millionen Euro Beihilfen an. Weil dies nichts bewirkte, wurde die Summe in dieser Woche sogar auf 310 Millionen erhöht. Doch auch das hat noch nicht zur vollständigen Aufgabe der Proteste geführt, weil dies vielen Fischern immer noch als zu gering erscheint.
Allerdings bröckelt die Streikfront ab. Derzeit werden vor allem noch Häfen in der Normandie und am Mittelmeer bestreikt. Viele Fischer glauben, die wesentlichen Forderungen durchgesetzt zu haben. Darunter sind auch Beihilfen zur partiellen Erneuerung der Flotte, aber vor allem soll der Dieselpreis, wie gefordert, auf 40 Cent pro Liter herunter subventioniert werden. Der Preis war in den letzten Monaten auf mehr als 75 Cent gestiegen. Probleme könnte Paris dafür mit der EU bekommen. Brüssel hat Frankreich gerade dazu verurteilt, 65 Millionen Euro zurückzuzahlen, die 2006 für Treibstoffe an die Fischer gezahlt wurden.
Da sich der Protest der Fischer gelohnt hat, ziehen nicht nur in Frankreich andere Sektoren nach, sondern auch international verstärkt sich der Protest. Am Freitag demonstrierten Tausende Fischer in der spanischen Hauptstadt Madrid für Beihilfen wie in Frankreich, mit denen die sich schon zuvor in Protesten und Streiks solidarisiert hatten. An der Demonstration nahmen neben Franzosen auch Fischer aus Italien und Portugal teil, wo ebenfalls gestreikt wird. Zu Protesten der Fischer kam es am Freitag erneut auch in Belgien und Großbritannien. In Spanien streikt nun praktisch die gesamte Flotte, nachdem sich die Regierung in Verhandlungen unnachgiebig gezeigt hatte.
Erneut erklärte der Wirtschaftsminister Pedro Solbes, Subventionen lösten das Problem nicht, sie böten nur kurzfristig eine Erleichterung. Allerdings wird es den Sozialisten schwer fallen, diese Position durchzuhalten, wenn die Proteste andauern oder sich verstärken. Denn angesichts der Subventionen beim französischen Nachbarn wäre die spanische Flotte kaum noch konkurrenzfähig.
In Spanien hat sich vor allem die Schere in den vergangenen Jahren ähnlich wie beim Milchpreis deutlich geöffnet. Die Abnehmerpreise sinken oder stagnieren und die Preise für die Verbraucher schnellen in die Höhe, wie die gerade ermittelte Rekordinflationsmarke von 4,7 Prozent deutlich zeigt. So wird der Regierung kaum eine andere Möglichkeit bleiben, als die Sektoren zu unterstützen, die besonders unter den hohen Spritpreisen leiden. Zudem muss sie gegen die Kartelle vorgehen, welche über Oligopolstellungen die Preise vom Produzenten bis zum Endverbraucher mit großen Gewinnspannen extrem verteuern. Verbraucherverbände fordern, dass auf den Etiketten im Supermarkt der Einkaufspreis und der Verkaufspreis aufgeführt werden muss. Damit würden Aufschläge von mehreren Hundert Prozent deutlich.
Im gegenteiligen Fall wird sich der starke ökonomische Abschwung in Spanien, ausgelöst durch die platzende Immobilienblase, schnell zu einer deftigen Rezession ausweiten. Die stark steigende Arbeitslosigkeit würde in die Höhe katapultiert und die Kaufkraft wäre noch weiter einschränkt. Wegen der verfahrenen Lage in Spanien sind die Bauern ohnehin schon wegen den Milchpreisen auf dem Kriegspfad und nach den Entwicklungen in Frankreich werden sich hier ebenfalls hier weitere landwirtschaftliche Sektoren anschließen.
Bauern und LKW-Fahrer folgen den Protesten der Fischer
Denn auch die französischen Bauern haben längst mit Protesten und Blockaden begonnen, nachdem die Regierung bei den Fischern eingelenkt ist. Verschiedene Auslieferungsdepots für Treibstoffe wurden am Freitag blockiert, dazu auch verschiedene Tankstellen und Straßen. Auch sie fordern einen Dieselpreis, der um die 50 Cent liegen soll. Und auch hier lenkt die Regierung schon ein und will mit Rückzahlungen der Mineralölsteuer den Bauern mit 76 Millionen Euro unter die Arme greifen. Doch das dürfte deren Proteste nur ausweiten, um mehr herauszuschlagen und die Proteste ebenfalls auf ganz Europa ausweiten, wie er sich in Deutschland schon im Milch-Streik manifestiert. Gegenüber der stark subventionierten Landwirtschaft, mit deren Milch derzeit auch die Regale in deutschen Supermärkten gefüllt werden, würden die französischen Erzeuger, durch die neuen Diesel-Subventionen, weitere Konkurrenzvorteile erhalten.
Der Transportsektor, wo es europaweit schon jetzt massive Proteste gibt, wird der nächste Sektor sein, der aus Paris Zuschüsse erhalten wird. Schon jetzt wurde angekündigt, man werde die Auftraggeber der Spediteure gesetzlich verpflichten, die Mehrkosten zu übernehmen, welche den Transportfirmen durch die höheren Dieselpreise entstehen. Wenn das Gesetzespaket zur Modernisierung der französischen Wirtschaft das Parlament passiert, drohen Auftraggebern künftig Strafen, die sie weigern, die Mehrkosten zu übernehmen.
Es ist erstaunlich wie der französische Präsident Sarkozy, der sonst gerne den Hardliner gibt, angesichts dieser Proteste so schnell zum Weichei mutierte. Mit seiner fruchtlosen Politik hat er seit der Übernahme der Regierung sein Versprechen nicht eingehalten, die Kaufkraft zu stärken, weshalb seine Sympathiewerte auf einem Tiefpunkt angelangt sind. Streiks und Blockaden von Bauern und LKW-Fahrern, die wie im Jahr 2000 das Land komplett lahm legen könnten, kann er sich nicht leisten. Er ist ohnehin einer massiven Streikfront wegen seiner Rentenreform ausgesetzt, wonach die Franzosen ein Jahr länger arbeiten sollen. Dazu kommen massive Proteste im Schulwesen, wegen Stellenstreichungen.
Während Sarkozy in diesen Fällen hart bleiben will, will er die Fischer, Bauern und die Transporteure besänftigen. In dieser Woche schlug er deshalb sogar vor, die Mehrwertsteuer auf Treibstoffe zu verringern: "Werden wir zulassen, dass die Steuern weiter proportional steigen, wenn der Preis für ein Barrel Öl weiter ansteigt?", fragte er in einem Interview. Er wies damit auch auf die Tatsache hin, dass über die Mehrwertsteuer bei den steigenden Treibstoffpreisen den Staaten immer mehr Geld in die Kassen gespült wird und auch die hohe Inflation in der EU weiter anheizt ("Signifikant gestiegene globale Inflationsrisiken"). Für Frankreich sei das ein Plus pro Quartal von 150 bis 170 Millionen Euro. Dieses Geld solle den Menschen zu Gute kommen, die unter den Treibstoffpreisen am meisten litten. Sein Vorschlag lautet, die Steuern auf Treibstoffe langfristig zu stabilisieren, weil der Ölpreis weiter steigen werde, da das Öl in "50 oder 60 Jahren ausgehen" wird.
Seine Initiative, die er in Brüssel gestartet hat, wurde dort mit Verärgerung aufgenommen. Die Kommission hat sich sofort gegen seine Pläne ausgesprochen. Es sei "das falsche Signal" an die Ölerzeugerstaaten, weil man denen zu verstehen gäbe, dass sie die Ölpreise einfach weiter erhöhen könnten. Erklärt wurde auch, dass Steuerfragen nur einstimmig von den Mitgliedstaaten auf Basis eines Vorschlags der Kommission beschlossen werden könnten.
Neben den Protesten von Bauern und Fischern ist es vor allem auch der inzwischen für die Wirtschaft strategisch so bedeutsame Transportsektor, in dem in ganz Europa protestiert wird. In Großbritannien blockierten LKW-Fahrer die Hauptstadt London, in Bulgarien wurde ein Teil der Ringautobahn um die Hauptstadt Sofia blockiert. Das Land ist zwar erst seit 2007 EU-Mitglied, hat die Steuer auf Diesel aber schon auf das für 2010 abgestimmte EU-Niveau festgesetzt.
Auch in den Niederlanden fand am Donnerstag ein landesweiter Protesttag statt. Zu den ohnehin steigenden Dieselpreisen will die niederländische Regierung die Mineralölsteuer zum 1. Juli weiter erhöhen. Das Transportgewerbe fordert von der Regierung stattdessen eine Steuersenkung und die beiden großen Verbände der Transportunternehmer kündigten weitere Proteste in der nächsten Woche an.
In Spanien wird es am 8. Juni zu einem allgemeinen Transportstreik kommen, wenn die Regierung bis dahin keine Hilfen beschließt. Zunächst hatte der Verband Fenadismer, der 30.000 Unternehmen mit 60.000 LKWs vertritt, zu dem Streik aufgerufen. Ihm haben sich verschiedene kleinere Verbände angeschlossen. Den Fahrern geht es auch darum, einen Mindesttarif ähnlich einem Mindestlohn durchzusetzen. Der Anteil der Spritkosten an den Gesamtkosten sei in einem Jahr von 30 auf 40 Prozent gestiegen, sagte der Fenadismer-Präsident Julio Villaescusa. Dabei sei der Rekordpreis beim Rohöl noch nicht an den Tankstellen angekommen. Zudem muss auch Spanien die Steuern auf Treibstoffe im Rahmen der EU-Harmonisierung noch anheben. Der größte Verband CETM steht noch in Verhandlungen mit der Regierung, die bis zum 4. Juni andauern werden. Kommt es dabei nicht zu Ergebnissen, dürfte sich auch CETM dem Streik anschließen.