Spurensuche am rechten Rand

Seite 3: "Deutsche Gildenschaft" und "Freibund"

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Szene der bündischen Jugendorganisationen ist trotz neuerer Untersuchungen (s. dazu etwa Maik Baumgärtners und Jesko Wredes durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderte, 2009 veröffentlichte, seitdem viel diskutierte und aktuell vergriffene Studie Wer trägt die schwarze Fahne dort...) schwer zu differenzieren. Pauschalurteile tragen hier wenig zur Aufklärung bei, allerdings haben es die Organisationen selbst in der Hand, sich unzweideutig von rechten Aktivitäten abzusetzen und gemeinsame Veranstaltungen zu meiden.

In diesem Sinne gibt es innerhalb der Bündischen Jugend nicht nur Stimmen, die sich als Opfer einer Pressekampagne fühlen, sondern auch solche, die sich kritisch mit der Gesamtsituation auseinandersetzen.

Der Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder und der Deutsche Pfadfinderverband distanzierten sich Anfang März gemeinsam und mit Nachdruck "von menschenfeindlichen Einstellungen, wie sie sich in Fremdenfeindlichkeit, Geschichtsrevisionismus und völkisch-nationalistischem Gedankengut äußern" - ließen aber auch erkennen, dass "Gruppierungen, die der Jugendbewegung zugehören wollen, solche Positionen vertreten".

Andere Organisationen erklären pro forma ihr Einverständnis mit "der" oder "einer" freiheitlich-demokratischen Grundordnung und halten gleichwohl engen Kontakt zur rechten Szene. Oder auch zur sogenannten "Neuen Rechten", die in vermeintlich wissenschaftlichen Arbeiten über Themen wie "'Meine Ehre heißt Reue'. Der Schuldstolz der Deutschen" philosophiert.

Die Deutsche Gildenschaft spielt in diesem Bereich seit vielen Jahren eine wichtige Rolle und war durch ihre Mitglieder an der Gründung der Wochenzeitung "Junge Freiheit", des "Instituts für Staatspolitik" und des Verlag "Edition Antaios" beteiligt.

Eine "Einstufung als Beobachtungsobjekt" des Verfassungsschutzes steht derzeit aber ebenso wenig zur Debatte wie eine nähere Beschäftigung mit dem "Freibund - Bund Heimattreuer Jugend", dessen Internetseite "wegen Wartungsarbeiten" nicht zu erreichen ist. Die Organisation soll in den 70er Jahren bis zu 1.000 Mitglieder gezählt haben und unterhielt - trotz offizieller Distanzierungsversuche - vielfältige Verbindungen zu Protagonisten der rechten Szene. So war der im Oktober 2009 verstorbene Anwalt Jürgen Rieger einst Mitglied des Freibundes, zu den geladenen Referenten gehörte aber auch der Holocaust-Leugner David Irving.

Im Verfassungsschutzbericht des Landes Brandenburg tauchte die Gruppe 2002 als mutmaßliche Keimzelle der "Heimatreuen Deutschen Jugend" auf.

Die HDJ wurde 1990 von Funktionären des rechtsextremistischen "Bundes Heimattreuer Jugend – Der Freibund e. V." (BHJ) gegründet, denen die Programmatik des "Freibundes" zu lasch war.

Verfassungsschutzbericht des Landes Brandenburg, 2002

Aber auch in jüngerer Zeit fiel der "Freibund" durch die Teilnahme an Veranstaltungen auf, welche die enge Vernetzung der rechten Szene in Deutschland unzweideutig dokumentieren.

Anfang Juni 2008 fand auf dem Hof einer "Freibund"-Familie im niedersächsischen Burgdorf-Berel das "Bundessommerfest" statt. Anwesend war auch der ehemalige NPD-Kreisvorsitzende im Rhein-Sieg-Kreis Marcus Spruck. Dieser war in den 1980er Jahren zunächst in der WJ und später in deren Abspaltung "Sturmvogel" aktiv und nahm unter anderem am 26. April 2008 an einer NPD-Demonstration "gegen Ausländergewalt und Inländerfeindlichkeit" in Stolberg teil.

Ebenfalls Gast beim "Freibund"-Sommerfest in Berel war das Gründungsmitglied des extrem rechten "Deutschen Kolleg" Helge Drescher aus Berlin mit Frau und Kindern. Dessen Schwester Gerhild Drescher war noch 1993 als Standortführerin der DHJ in Berlin tätig und ist heute im "Deutschen Mädelwanderbund" und der "Deutschen Gildenschaft" aktiv. Verbindungen bestehen auch zum neurechten "Institut für Staatspolitik"(IfS).

Blog-Beitrag "Rechte Jugendbünde": Völkisch? Bündisch? Versteckspielen mit dem Freibund

Die Reihe der Beispiele ließe sich fortsetzen und drängt dem Betrachter wieder einmal die Frage auf, wann den politischen Entscheidungsträgern ausreichend Materialien vorliegen, um entschlossen gegen die Nachwuchsarbeit am äußersten rechten Rand vorzugehen. Sei es durch ein zügiges Verbot verfassungsfeindlicher Organisationen, sei es durch die frühzeitige und umfangreiche Aufklärung der Bevölkerung.

Der frühere Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses Sebastian Edathy (SPD) hatte mit Blick auf die HDJ bereits im Mai 2008 entsprechende Maßnahmen vorgeschlagen.

Der Bundesinnenminister kennt diesen Vorgang. Er hat aber bisher sich noch nicht entscheiden können, ein Verbot zu verhängen - die Möglichkeit besteht. Und wenn wir uns schon nicht einigen können auf ein neues NPD-Verbotsverfahren, dann gehe ich zumindest davon aus, dass der Bundesinnenminister als Teil der Bundesregierung von den Möglichkeiten des Vereinsrechtes Gebrauch macht und ansonsten mit dazu beiträgt, als Mitglied im Kabinett, dass die Mittel für die Prävention, für die Initiativen und Projekte in Deutschland, die gegen Rechtsextremismus arbeiten, nicht gesenkt, sondern eher aufgestockt werden.

Sebastian Edathy

Eine Reaktion blieb aus, das Verbot erfolgte erst zehn Monate später. Die rund 500 Mitglieder der HDJ hatten ausreichend Zeit, sich eine neue politische Heimat und alternative Organisationsstrukturen zu suchen.