Staatsangehörigkeitsrecht in Deutschland: Definition des Deutschen im Wandel
- Staatsangehörigkeitsrecht in Deutschland: Definition des Deutschen im Wandel
- Diskriminiert das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht?
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Der Rechtsruck in Deutschland und Europa wirft die Frage nach dem "Wir" auf. Ist die Definition des deutschen Volkes im Grundgesetz noch zeitgemäß? Eine juristische Kritik.
In Europa sind rechtsnationale Politiker auf dem Vormarsch. Auch in Deutschland verzeichnet die Alternative für Deutschland (AfD) mit ihren ausländerfeindlichen Positionen immer größere Wahlerfolge. Sie wirbt mit Abschottung, mit Grenzschutz.
Es geht um die Frage nach dem Wir und dem Ihr. Dieser Text geht der Frage nach, wer nach deutschem Recht eigentlich Teil des Volkes ist, wie man es werden kann und welches Entwicklungspotenzial es gibt.
Menschen in Deutschland identifizieren sich größtenteils stark mit ihrem Heimatland. Rund ein Viertel der Bevölkerung beklagt gleichzeitig eine "Überfremdung", fühlt sich unwohl mit der wachsenden Zahl von Ausländern in der Bundesrepublik. Wenn überhaupt Zuwanderung, so sieht es die AfD, dann bitte nur die richtige.
Dahinter steht die Frage, wer eigentlich dazugehört – zu Deutschland. Begriffe wie "deutsches Volk" und "Volkszugehörigkeit" polarisieren, Politiker aus jedem Winkel des deutschen Parteienspektrums ringen um Deutungshoheit. Ein Stück weit haben die Verfassungsgründer den Begriff der "Deutschen" im Grundgesetz geformt. Nun stellt sich die Frage, ob der Begriff die Lebensrealität im Jahr 2023 noch abbildet.
Der Begriff der Deutschen in der Verfassung
Definiert wird der Begriff des Deutschen vor allem in Art. 116 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Demnach ist Deutscher, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) definiert das deutsche Volk als Zusammensetzung aus "deutschen Staatsangehörigen und den ihnen nach Art. 116 Abs. 1 [GG] gleichgestellten Personen".
Bei Letzteren, den sogenannten "Statusdeutschen", handelte es sich ursprünglich um Flüchtlinge oder Vertriebene, die während der Herrschaft der Nationalsozialisten im Dritten Reich das Gebiet des damaligen Deutschlands verlassen mussten.
Sie haben inzwischen ebenfalls die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten, sodass der Begriff an Bedeutung verloren hat.
Im Grunde richtet sich die Zusammensetzung des deutschen Volkes also nach dem Staatsangehörigkeitsrecht. Wer Staatsangehöriger ist, ist "deutsch" im Sinne der Verfassung, Teil des "deutschen Volkes". Die Regeln für den Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit schafft der Gesetzgeber.
Getan hat er das insbesondere im Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG). § 4 StAG gibt vor, dass in Deutschland die Staatsangehörigkeit in erster Linie nach dem Abstammungsprinzip erworben wird. Deutscher ist demnach, wer zumindest ein Elternteil mit deutscher Staatsangehörigkeit hat.
Wozu die Staatsangehörigkeit?
Das Institut der Staatsangehörigkeit wurde in der deutschen Geschichte für verschiedene Zwecke instrumentalisiert. Einerseits wollte man sich als Deutsches Reich nach außen von anderen europäischen Ländern abgrenzen. Die rechtliche Zugehörigkeit zum Nationalstaat sollte die Grundlage für ein geschlossenes Kollektiv sein.
Andererseits entwickelte sich Deutschland im Zuge der Industrialisierung zu einem attraktiven Einwanderungsland und es war durchaus gewollt, Arbeitsmigranten einzubürgern. In den 1930er Jahren wendete sich das Blatt und die Staatsbürgerschaft wurde zum Instrument "ethnonationaler, offen rassistischer Selektion". Sie diente in erster Linie der Ausgrenzung "Nicht-Einbürgerungswürdiger" und der Errichtung eines nationalsozialistischen "Rassestaats".
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So stand und steht die Staatsbürgerschaft sowohl für Gemeinschaft und Zugehörigkeit zu Deutschland als auch für Forderungen nach politischer Teilhabe, Gleichheit und Freiheit. Denn nur wer Inhaber der deutschen Staatsbürgerschaft ist, verfügt auch über die Deutschengrundrechte, darunter das Wahlrecht.
Nur Inhaber dieser Rechte können an Entscheidungen des Gesetzgebers mitwirken. Sie haben damit Einfluss auf den sogenannten "souveränen Input". Menschen, die über diese Rechte nicht verfügen, müssen sich geltenden Gesetzen – dem "souveränen Output" – fügen, ohne daran mitgewirkt zu haben.
Neben dieser theoretischen Mitgestaltungsmöglichkeit bewirkt die Verleihung der Staatsbürgerschaft aber noch mehr. Sie führt dazu, dass Menschen ein Zugehörigkeitsgefühl zu Deutschland entwickeln und sich als Teil einer Gemeinschaft begreifen. So identifizieren sich ehemalige Ausländer nach ihrer Einbürgerung eher als Deutsche.
Im Umkehrschluss kann die Vorenthaltung der Staatsbürgerschaft diskriminierend wirken. In Deutschland lebende Menschen aus der Gemeinschaft der Staatsangehörigen auszuschließen, widerspricht dem demokratischen Prinzip der rechtlichen Gleichheit, das in Art. 3 GG verankert ist.
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