Stasi-West, Verfassungsschutz-Ost
Seite 3: Geheimdienst ohne Zähne
Auch die westlichen Militärregierungen wollten den Deutschen nach dem Krieg eine offizielle Behörde zubilligen, die Informationen über die politischen Ränder sammeln sollte. Diese sollte für die politischen Entscheider lediglich Informationen sammeln, dieses auch unter Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel wie Spitzel (vornehm: "V-Leute" genannt), Abhören, Tarnen und Täuschen und so weiter. Begehrlichkeiten, den neuen Geheimdienst auch mit aktiven polizeilichen Befugnissen wie Befragungs- und Festnahmerechten usw. auszustatten, erteilten die Siegermächte unter Hinweis auf die Erfahrungen mit der GeStaPo eine klare Absage.
Bei der Wahl des Häuptlings des Inlandsgeheimdienstes, der als "Bundesamt für Verfassungsschutz BfV" firmieren sollte, konsultierten Adenauer und seine "rechte Hand" Hans Globke Org-Chef Gehlen und einen gewissen Paul Dickopf. Auch der umtriebige Dickopf war ein hochbelasteter Nazi, der zudem wie Gehlen für die CIA arbeitete. Der britische Geheimdienst setzte jedoch seinen Kandidaten Otto John durch - vormals einer der Verschwörer des 20. Juli, den Gehlen daher als Verräter empfand. (Dass Gehlen selbst bei Kriegsende zu den USA übergelaufen war, blendete er großzügig aus.)
Machtmensch Gehlen betrachtete den Inlandsgeheimdienst argwöhnisch als lästige Konkurrenz, wobei die Org wie auch ihr Nachfolger BND ohne allzu große Scham im Inland operierten, obwohl deren Auftrag allein das Ausland betraf. Der übergangene Kamerad Dickopf stand wenigstens Pate beim Aufbau der "Sicherungsgruppe Bonn", die nach dem Vorbild des Reichssicherheitsdienstes gebildet wurde und auf der Führungsebene hochbelastete Fachkräfte aus der SS beschäftigte. Der SG Bonn wird eine Nähe zu den Geheimdiensten, namentlich dem Verfassungsschutz nachgesagt. 1951 wurde Dickopf Chef und Architekt des neu gegründeten Bundeskriminalamts (BKA), das ebenfalls geheimdienstliche Mittel anwendet und als Sammelbecken für GeStaPo- und SS-Veteranen fungierte.
Otto John
Auch unter John und vor allem seinen Nachfolgern fanden etliche Personen mit brauner Weste Anstellung in der in Köln ansässigen Bundesbehörde. Wem der Sold im Schlapphut nicht reichte, erfand einfach angebliche Informanten, deren Agentenlohn man selbst einzusacken pflegte. Kein gutes Licht auf das BfV warf die Vulkan-Affäre. Der neue Geheimdienst erwies sich als perfekte Brutstätte für Doppelagenten und brachte bald sogar BfV-Präsidenten John ins Zwielicht, der unter bis heute ungeklärten Umständen plötzlich verschwand und irgendwann in Ostberlin auftauchte. Etliche Affären folgten, eine hanebüchener als die andere. Der Dienst erfüllte wenigstens seine politische Aufgabe, der Politik Material zu verschaffen, mit welchem die erschröckliche KPD als verfassungsfeindlich verboten wurde. Anzeichen, dass der Staat jemals von den versprengten Kommunisten im Westen umsturzgefährdet war, sind nicht bekannt.
Hubert Schrübbers
Nach den lähmenden Querelen mit John wurde 1955 Hubert Schrübbers neuer BfV-Präsident. Dieser sah sich nach Wirtshausschlägereien veranlasst, den Umgang seiner rheinischen Spione mit Alkohol zu regeln. Dennoch hielten sich im Amt diverse Alkoholiker, am bekanntesten der oberste Spionagejäger Hansjoachim Tiedge, der dann in den 80ern spektakulär die Fronten wechselte. Die Ära Schrübbers beschreibt der Publizist Peter-Ferdinand Koch in seinem Buch Enttarnt (2011) als "Tollhaus". Der Radikalenerlass eröffnete dem BfV in den 70ern ein weites Betätigungsfeld: Als Spitzel gegen die 68er rekrutierte man Minderjährige und Senioren, verwanzte Universitäten. Inzwischen beobachtete das BfV auch die Ausländer, von denen der Import gewalttätig ausgetragener Konflikte aus ihren Heimatländern befürchtet wurde.
Während es etwa in Großbritannien zu spektakulären Massenausweisungen enttarnter Ostspione kam, gelangen Schrübbers solche Erfolge nicht. Dabei wäre eine Massenfestnahme zum Greifen nahe gewesen, denn ein fähiger Mitarbeiter hatte durch einen Zufallstreffer ein Funknetz von ca. 90 Ostagenten entdeckt. Doch in der Behörde hatte man für so etwas weder personelle Kapazität, noch beschäftigte der Geheimdienst einen versierten Codeknacker. Erst Jahre später wurde die Spur mit Partnerdiensten verfolgt. 1972 hatte das gelangweilte MfS ein Einsehen und sorgte mit lancierten Enthüllungen über Schrübbers NS-Vergangenheit für Personalwechsel.
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