Stasi-West, Verfassungsschutz-Ost
Seite 2: Horch & Guck
Das organisierte Spitzelsystem umfasste natürlich auch denen eigenen Staat, wo es vom Westen angeworbene Agenten oder verführte Bürger zu überführen galt. Das Ministerium für Staatssicherheit, das man angesichts der DDR-Verfassung genauso gut hätte "Verfassungsschutz" taufen können, beschränkte sich jedoch nicht auf die nachvollziehbare Abwehr von äußerer Einflussnahme, sondern entwickelte sich wie ein Krebsgeschwür zu einer politischen Geheimpolizei, die allein schon personell groteske Ausmaße annahm und totalitäre "Rechte" beanspruchte, wie man sie aus dem verhassten Polizeistaat der Nazis kannte. Die politische Zensur und der allgegenwärtige Überwachungsdruck durch Spitzel bis ins Ehebett führten zu Selbstzensur, Einschüchterung und einem Klima gegenseitigen Misstrauens.
Die ursprünglich gegen Nazis und rechtsgerichtete westliche Strategen gegründete Organisation pervertierte zu einem politischen, mit "deutscher Gründlichkeit" geführten Unterdrückungsinstrument, was vor allem deshalb möglich war, weil sich der allmächtige Geheimdienst einer demokratischen Kontrolle entzog, im Gegenteil selbst die Kontrolle in etlichen Bereichen ausübte. Die Spione persönlich wurden von ihren Organisationen allerdings nicht weniger aufmerksam auf Linientreue beschnüffelt - inklusive HVA-Chef Wolf, dessen Privatleben den moralischen Vorstellungen des Dienstes nicht durchgehend entsprach.
Die DDR-Staatsführung wusste, was sie am MfS hatte, denn ohne ihr Machtinstrument und die isolierende Westgrenze wäre die DDR schon aus wirtschaftlichen Gründen implodiert. Die Beobachtung von Abgeordneten der linientreuen DDR-Blockparteien bedarf vor dem Hintergrund eines mit Spitzeln und Spitzel-Spitzeln durchsetzten Staates keiner vertieften Erwähnung. Während das eigene Volk, die eigenen Beamten und die Nachkriegsgeneration vier Jahrzehnte unter Generalverdacht standen, observierten an der Spitzelspitze die Herren Mielke und Honecker zuletzt gemeinsam in der Datscha Pornos - natürlich, aus dem dekadenten Westen, denn ein VEB Porno passte nicht zum Selbstverständnis des real-existierenden Sozialismus. Doch selbst das gigantische MfS vermochte der Entschlossenheit verprellter Bürger nichts entgegen zu setzen.
Operationsgebiet Deutschland
Auch den Westmächten stand nach dem Krieg nicht der Sinn nach einer Neuauflage eines nationalsozialistischen Deutschlands. Doch auch das neue und alte Feindbild, der "Iwan", war weder von außen, noch von innen gewünscht. Als sich im Nachkriegsdeutschland die Parteien formierten, wollte man die junge Demokratie nicht nur steuern, sondern vor allem wissen, was lief, und durchsetzte sie von Anfang an mit Zuträgern.
Der britische Geheimdienst etwa führte Adolf von Thadden, der seit 1947 eine Karriere durch diverse Parteineugründungen am rechten Rand durchlief, 1949 im Bundestag saß und 1964 die NPD gründete, die er Ende 1969 beinahe in den Bundestag geführt hätte. Damit war die NPD von Anfang an ein den DDR-Blockparteien nicht unähnliches Vehikel, das kontinuierlich von diversen Diensten auf der Führungsebene nachrichtendienstlich unterwandert war. Auch die CIA hatte auf die Parteienlandschaft ihres - wie US-Vordenker Brzesinsky formulierte: "Vasallenstaates" - stets ein wachsames Auge. Als sich in den 80ern aus der Friedens-, Frauen- und Umweltbewegung eine neue Partei im linken Spektrum gebildet hatte und in den Bundestag einzog, erhielten diverse Führungspersonen Klaransprachen, ob sie nicht an die USA berichten wollten.
Während die kritische Ex-Grüne wie Jutta Dittfurth einen Anwerbeversuch der Schlapphüte später öffentlich machte, hat man derartiges von ihren Kollegen nicht gehört, die ebenfalls ins Beuteschema passten. (Sicher ist es nur ein Zufall, dass Joschka Fischer nach seiner Amtszeit ein Semester Vorlesungen an der CIA-Rekrutierungsuniversität Princeton hielt und für die vormalige US-Außenministerin Madeleine Albright arbeitet.)
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