Stasi-West, Verfassungsschutz-Ost

Seite 4: Von Günther Nollau bis Ludwig Holger-Pfahls

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Günther Nollau

Nachfolger Günther Nollau indes bewies, dass man Untätigkeit wenigstens taktisch einsetzen konnte. Der begabte Intrigant informierte seinen Bundeskanzler Brandt nicht von dem Verdacht gegen dessen Referenten Günter Guillaume. Der Wehner nahestehende Nollau ließ es zu, dass Brandt ins Messer lief und Staatsgeheimnisse mit dem Perspektivagenten des MfS teilte. Als Nollaus Rolle ruchbar wurde, nahm auch er 1975 den Schlapphut. Von Nollau verblieb das Verdienst, das von Anfang an schlechte Verhältnis zu den Kollegen vom BND zur Feindschaft ausgebaut zu haben. Die Mitbewerber in Ostberlin verfolgten die Hahnenkämpfe westlicher Geheimdienste mit wachsender Begeisterung.

Richard Meier

Der als Saubermann angetretene Richard Meier trat 1983 wieder ab, nachdem er bei einem Autounfall mit seiner Geliebten aufgefallen war. Auch unter Meier war es nicht gelungen, auf der Jagd nach der RAF dem BKA Punkte abzuringen. Immerhin lieferte er über die rechtsgerichtete Wehrsportgruppe Hoffmann genug Material, dass diese 1980 als verfassungsfeindlich verboten wurde. Es mehren sich allerdings in den letzten Jahren die Anzeichen, dass diese als private Neonazi-Organisation dargestellte Wehrsportgruppe mit GLADIO zu tun hatte, also "Staatstheater" war. Dem BfV blieben derartige Erkenntnisse offenbar verborgen, obwohl GLADIO tatsächlich eine verfassungsfeindliche Einflussnahme fremder Mächte darstellte und daher eine zentrale Aufgabe des BfV hätte sein müssen.

Heribert Hellenbroich

BfV-Präsident Heribert Hellenbroich fand für seine Meisterspione neue Einsatzfelder wie das Notieren von Autokennzeichen aller möglichen Atomkraftgegner. Die Halter der verdächtigen Fahrzeuge wurden in die hauseigene NADIS-Datei eingespeist und fortan als Staatsfeinde geführt. Bei so viel "Staatsfeinden" (zu denen heute auch die Bundeskanzlerin zu rechnen wäre) war natürlich eines sicher: Der anscheinend unverzichtbare Arbeitsplatz der Verfassungsschützer. Hellenbroich wechselte 1985 zum BND, wo ihn jedoch die Tiedge-Affäre die Autorität und das Amt kostete. Ausgerechnet mit einem vormaligen MfS-Undercover-Mann gründete er später eine Wirtschaftsberatungsfirma.

Ludwig Holger-Pfahls

Die schillerndste Figur des deutschen Inlandsgeheimdienstes war (zumindest nach seinem Ausscheiden als Präsident 1987) der Strauß-Vasall Ludwig Holger-Pfahls, der es als späterer Waffenlobbyist nach seinem Untertauchen 1999 selbst zur international meistgesuchtesten Person der deutschen Behörden brachte. Pfahls, der gerade zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde, gehörte der Partei des Politikers Alexander Dobrindt an, der derzeit dafür eintritt, den demokratisch gewählten politischen Gegner zu bespitzeln und zu verbieten, weil dieser ja wohl verfassungswidrig sei.

Mit der an Peinlichkeiten schwer zu überbietenden Leistung von Pfahls konkurrierte eigentlich nur noch der obskure Präsident des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz Helmut Roewer, der in den 90er Jahren das Aufblühen des Rechtsextremismus im vormaligen Territorium des MfS beobachtete, dann unter erstaunlichen Umständen den Dienst quittierte und in fragwürdigen Verlagen publiziert. Die Tatsache, dass die ihm entwichene rechte Bombenbastlergruppe und andere Neonazis innerhalb weniger Jahre mehr Morde begingen, als dem bisherigen Evergreen RAF zugeschrieben wurden, überstieg das Vorstellungsvermögen der Berufsparanoiker des Verfassungsschutzes.

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