Sterile Pollen gegen Gentech-Ausbreitung

Würzburger Forscher sehen Licht am Ende des Tunnels

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Bei Tomaten- und Tabakpflanzen sei es gelungen, gezielt das Enzym Invertase in einer Zellschicht auszuschalten und die Pollen so zu sterilisieren, erklärt Prof. Thomas Roitsch vom Biozentrum der Universität Würzburg, Abteilung Pharmazeutische Biologie. Damit könnten ungewollte Auskreuzungen verhindert werden. Eines der Hauptprobleme in der Pflanzen-Gentechnologie ist die Frage der Koexistenz - also der Möglichkeit eines "friedlichen" Nebeneinanders von GVOs und herkömmlichen Pflanzen. Gentech-Kritiker warnen vehement vor Auskreuzungen durch Pollenflug und damit verbundenen Risiken für das ökologische Gleichgewicht.

Bei wissenschaftlichen Untersuchungen zu den ökologischen Auswirkungen von GVO-Anbau fanden Forscher zum Beispiel heraus, dass Raps-Fangpflanzen noch in einer Entfernung von 26 km mit transgenen Pollen bestäubt wurden (Kaum zu kontrollieren). Bei einigen GVOs der britischen Freisetzungsversuche litt nachweislich die biologische Vielfalt. Durch den Einsatz von herbizidresistenten Pflanzen mit den dazugehörigen Breitbandherbiziden nahm die Vielzahl an Kräutern auf Äckern deutlich ab. Somit war eine wichtige Nahrungsmittelquelle für Insekten, Schmetterlinge und Vögel ausgefallen, was wiederum einen Rückgang der tierischen Population im Umfeld gewisser GVOs zur Folge hatte.

Ein Keimungstest zeigt die Unfruchtbarkeit: Links die Pollen einer normalen Tomatenpflanze mit deutlich sichtbaren Keimschläuchen, rechts die nicht gekeimten Pollen der sterilen Nin88-Invertase-Antisense-Tomate. Aufnahmen: M. Goetz

In der Debatte um die Novellierung des Gentechnik-Gesetzes in Deutschland zeigten sich schließlich auch gewichtige heimische Bauernverbände aufgrund der ungelösten Koexistenzfrage ablehnend gegenüber GVOs, zumal aus diversen Studien ableitbare Schutzabstände in kleinstrukturierten Landwirtschaften, wie es sie in Westeuropa überwiegend gibt, kaum realisierbar sind. vgl. Gentechik und das Problem der Koexistenz). Doch nicht nur für Gentech-Kritiker ist Koexistenz eine zentrale Frage. International suchen Wissenschaftler - auch im Umfeld der Pharma-Konzerne und Gentech-Multis - nach wirksamen Mechanismen, um Auskreuzungen zu verhindern.

Thomas Roitsch und sein Forscherteam an der Uni Würzburg glauben nun ein "subtiles und hoch effizientes" Werkzeug in der Hand zu haben, um die unkontrollierte Ausbreitung gentechnisch veränderter Pflanzen zu verhindern. Rein äußerlich unterscheiden sich die Tomaten- und Tabakpflanzen der Pharmazeutischen Biologen nicht von anderen Pflanzen ihrer Art: In den Blüten wachsen männliche Geschlechtsorgane heran, die Staubgefäße, und beginnen mit der Pollenproduktion. Aber dann bleibt die Entwicklung stehen, die Pollen kommen nicht zur Reife und sind darum auch nicht zur Befruchtung fähig - die Pflanze kann ihre Gene nicht weitergeben. Der Grund dafür sind spezifische Versuche mit dem Enzym Invertase, das für die Kohlenhydratversorgung in einigen Teilen der Pflanze zuständig ist.

"In den männlichen Blütenteilen gibt es eine spezialisierte Zellschicht, deren einzige Aufgabe es ist, die heranreifenden Pollen mit Nährstoffen zu versorgen", erklärt Roitsch. Für diesen Prozess sei das Enzym Invertase unerlässlich. Die Würzburger Wissenschaftler haben nun dafür gesorgt, dass dieses Enzym nicht mehr funktioniert - und zwar ausschließlich in der Zellschicht, welche die Pollen ernährt. In allen anderen Teilen der Pflanze kann die Invertase ihre Aufgaben uneingeschränkt erledigen.

Was bei Tomaten und Tabak schon gelungen ist, soll nun auch bei anderen Nutzpflanzen wie Weizen und Raps getestet werden. Für einen möglichen Anwendungsbereich der Gentechnik - nämlich der Arzneimittel - wird die Unterbindung von Auskreuzungen entscheidend sein. Denn weiterhin wird an der Herstellung von Pflanzen gearbeitet, die hoch wirksame Arzneimittel produzieren sollen. "Wenn solche Pflanzen tatsächlich einmal auf einem Feld stehen sollten, dann muss sichergestellt sein, dass sie nur dort und nirgends sonst wachsen. Die Gene für Arzneiwirkstoffe dürfen auf keinen Fall auf andere Kultur- oder Wildpflanzen übertragen werden", so Roitsch.

Um dieses Ziel zu erreichen, sind mehrere Strategien denkbar. Die beiden zurzeit wichtigsten Strategien setzen an den Pollen an: Entweder wird die Pollenbildung der Gentech-Pflanzen unterbunden oder aber die Pflanzen werden so gezüchtet, dass ihre Pollen erst gar keine fremden Gene enthalten. Thomas Roitsch verfolgt die erste Strategie, zumal die andere für eine generelle Anwendung "derzeit noch zu viele Hindernisse berge".

Sollte es tatsächlich gelingen, wirksame Mechanismen gegen ungewollte Auskreuzungen zu finden, wäre ein Kernproblem der Pflanzen-Gentechnologie sicher gelöst. Allerdings zeigten sich Experten bereits bei anderen Versuchen

- etwa bei Gentech-Bäumen - skeptisch.(Bessere Luft, besseres Holz und der Weihnachtsbaum nach Maß?). Oft inaktivieren Pflanzen nämlich in einer Art natürlichem Abwehrmechanismus fremde DNA. "Gene silencing" heißt das in der Fachsprache. Das Risiko scheint allerdings bei langlebigen Bäumen ungleich höher als bei einjährigen Gen-Pflanzen.

Jens Karg von der österreichischen Umweltschutzorganisation Global2000 hatte bereits bei der Zulassung von Gentech-Bäumen zur Reduktion von Treibhausgasen auf der 9. UN-Klimakonferenz (Dezember 2003, Mailand) auf die Gefahr der Instabilität von Sterilitäts-Genen hingewiesen:

Valide Forschungsergebnisse, die Anlass zu Beruhigung geben könnten, liegen nicht vor. Im Gegenteil, es gibt Indizien dafür, dass die Sterilitäts-Gene, die das Ausbreiten von Gentech-Bäumen verhindern sollen, nicht stabil sind, was bedeuten würde, dass aus einem Gentech-Baum ein Gentech-Wald werden könnte.

Ob das auch eine Gefahr für andere Pflanzen darstellen würde, die nach der Roitsch-Methode unfruchtbar gemacht wurden, sei einmal dahingestellt. Die Erfolgsmeldung aus der Würzburger Forscherstube kam jedenfalls zu einem recht brisanten Zeitpunkt, zumal die Absegnung des strengen deutschen Gentechnik-Gesetzes mit Kanzlermehrheit aber gegen den Widerstand von etlichen Wissenschaftlern kurz bevor steht (Strenge Haftungsbedingungen für die Gentechnik). Die Pressemitteilung der Uni Würzburg nimmt denn auch konkret Bezug auf die Novelle und fast scheint es, als wolle man den Forscherkollegen, die sich mittels eines Offenen Briefs über das Gesetz empört hatten, Mut zusprechen:

Seine (Anm. Thomas Roitsch) Methode ist auch im Hinblick auf die kontrovers diskutierte Novellierung des deutschen Gentechnikgesetzes relevant. Forscher, Wissenschaftsorganisationen und Agrounternehmen sehen die derzeit vorbereitete Gesetzesvorlage als Todesurteil für die grüne Gentechnik in Deutschland an, weil im Falle einer unbeabsichtigten Auskreuzung von Gentech-Pflanzen umfangreiche Schadenersatzforderungen vorgesehen sind. Die von Thomas Roitsch entwickelte Methode stellt eine wirksame biologische Sicherheitsmaßnahme gegen die unkontrollierte Ausbreitung gentechnischer Änderungen durch Pollenflug dar.