Steuer auf Treibhausgase?
Die Energie und Klimawochenschau: Von aufgegebenen Klimaschutzzielen, uralten Kohlekraftwerken, einem französischen Vorschlag, Arbeitsplätze zerstörenden Importzöllen und subventionsfreien Offshore-Windparks
Nun ist also die neue Bundesregierung endlich im Amt, aber viel Neues hat sie nicht zu bieten. Zum Thema Klimaschutz und Energiewende sind die angestrebten Ziele äußerst bescheiden: Vom Ziel für 2020, die Treibhausgasemissionen um 40 Prozent gegenüber 1990 reduzieren, ist nicht mehr die Rede.
In Angela Merkels erster Regierunsgerklärung als neugewählte Kanzlerin spielt das Thema Klimaschutz so gut wie keine Rolle. Im Wahlkampf hatte sie hingegen noch die Einhaltung des 2020er Ziels versprochen. Über zehn Jahre war sie mit ihm auf der internationalen Bühne hausieren gegangen. Selbst in den Koalitionsvertrag hatten SPD und Unionsparteien - nach heftiger Kritik - noch geschrieben, man wolle versuchen, es zu erreichen. Da war längst klar, dass die Formel "es versuchen zu wollen" nur die Verklausulierung des Abschieds war.
Und nun also Funkstille. Immerhin ist von einem Klimaschutzgesetz und einem "Plan zur schrittweisen Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung einschließlich eines Abschlussdatums und der notwendigen sozialen und strukturpolitischen Begleitmaßnahmen" die Rede. Zu erwarten ist allerdings, dass die Abschaltung der Kohlekraftwerke möglichst lange hinausgezögert werden soll. Das lässt sowohl die Aufgabe des 2020er Ziels vermuten, wie auch die bisherige Politik, mit der bereits vor fünf Jahren der Ausbau der Solaranlagen ausgebremst worden war, und den Kraftwerksbetreibern das Abschalten längst überfälliger Anlagen mit dreistelligen Millionenbeträgen versüßt wird.
Der neue Wirtschafts- und Energieminister Peter Altmaier (CDU) - zuletzt war er Kanzleramtsminister, davor auch schon mal Umweltminister - erwähnt den Klimaschutz nur ein einziges Mal in seiner Antrittsrede, vermeidet es allerdings konkret zu werden, gibt weder das Ziel noch die Mittel an, wie Klimaschutz zu erreichen wäre. Nur eines scheint er bestimmt zu wissen: Es darf möglichst nichts kosten.
Weder die Braunkohle ist ihm eine Erwähnung wert, noch scheint er die sonstigen Fragen rund um die Energiewende diskussionswürdig zu sehen, wie etwa Entwicklung und Ausbau von Speichertechnologie, der stockende Ausbau der Windenergie in den südlichen Bundesländern oder aber auch die maroden AKW bei den westlichen Nachbarn. Einzig allein den umstrittenen Ausbau der Hochspannungstrassen erwähnt er.
Auch in der Antrittsrede der neuen Bundesumweltministerin Svenja Schulze ist vom 2020er Klimaschutzziel keine Rede mehr. Offenbar ist tatsächlich der Koalitionsvertrag an dieser Stelle nicht das Papier wert, auf dem er gedruckt wurde.
Jeden Hinweis darauf, wie drängend das Problem inzwischen ist, sucht man bei der neuen Umweltministerin vergebens. Sie wolle einen "gesellschaftlichen Kohle-Konsens", sagt sie immerhin, doch die Erfahrung mit dem Ausstieg aus der Atomkraft, mit der Entsorgung des Atommülls, mit der langen Subventionsgeschichte des Bergbaus - all das wurde mit einem vermeintlichen gesellschaftlichen Konsens durchgesetzt - und das Fehlen jeden ambitionierten Klimaschutzzieles lassen eher erwarten, dass der Kohleausstieg auf die lange Bank geschoben werden soll.
Licht und Schatten: Umbau auf Erneuerbare Energien geht viel zu langsam
Dabei wird die Zeit inzwischen wirklich knapp. Die US-amerikanische Mutterausgabe der Technology Review hat, wie bereits berichtet, eine düstere Prognose auf die Erfolgsaussichten des Klimawandels veröffentlicht. Demnach geht der Ausbau der erneuerbaren Energieträger viel zu langsam voran, um das Ziel des Pariser Klimaübereinkommens, die Begrenzung der globalen Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau, zu erreichen.
Jährlich müssten neue Biogas-, Wasserkraft-, Windkraft- und Solaranlagen mit einer Leistung von gut 400 Gigawatt (GW) hinzu kommen. 2017 waren es aber laut Deutscher Welle nur knapp 100 GW an Solaranlagen und gut 50 GW an Windkraft. Über Biogasanlagen ist es schwieriger, einen Überblick zu finden, aber der Umfang ist auf jeden Fall deutlich geringer. Ebenso gibt es keine verlässlichen Daten über den Neubau kleiner Wasserkraftwerke. Große Staudämme können hingegen nur bedingt zu den erneuerbaren Energieträgern gezählt werden, da zumindest einige von ihnen neben diversen anderen Umwelt- und sozialen Problemen auch Verursacher von Treibhausgasen sind. Wenn der Boden der Stauseen vor der Flutung nicht richtig von organischen Material befreit wurde, verfault dieses unter Wasser und setzt mit Methan ein sehr effektives Treibhausgas frei.
Immerhin wächst aber der Anteil von Sonne, Wind&Co. an der Stromproduktion von Jahr zu Jahr im raschen Tempo. Laut Internationaler Energie-Agentur (IEA) nahm der Windstrom 2017 um 36 Prozent zu, was unter anderem auch auf bessere Auslastung der chinesischen Anlagen zurück zu führen sein dürfte. Solarstrom legte um 27 Prozent und Biomasse um 12 Prozent zu.
Aber auf jeden Fall ist es erst ein Anfang. Der besagte IEA-Bericht weist auch darauf hin, dass die globalen Treibhausgasemissionen aus dem Verbrauch fossiler Brennstoffe wieder leicht gestiegen sind. Das rasche Wachstum des vorherigen Jahrzehnts ist zwar vorüber, aber von einer Abnahme, auf der einige nach dem Stillstand der letzten drei Jahre gehofft hatten, kann noch nicht die Rede sein.
Das zeigt auch die Entwicklung beim Bau neuer Kohlekraftwerke, über die ein Bericht von Greenpeace einen Überblick gibt. Einerseits zeigt dieser, dass die Zahl der neuen Kohlekraftwerke in den letzten drei Jahren deutlich zurückgegangen ist. Außerdem wurden im vergangenen Jahr Kohlekraftwerke mit einer Leistung von rund 25 GW abgebaut, zugleich sind aber andererseits 2017, wie unten stehende Grafik zeigt, noch immer 61 GW neu hinzu gekommen. Die Kohlekapazitäten haben also um 36 GW zugelegt.
Ein schwacher Trost ist dabei, dass die Kraftwerke in China inzwischen nicht einmal zu 50 Prozent ausgelastet sind und die Betreiber Schwierigkeiten haben, mit ihnen noch Gewinn zu machen. Das ist auch der Grund, weshalb in Indien der Neubau zurückgeht.