Steuern, Versteigerungen und Totalüberwachung

Seite 2: Big Brother reloaded

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Wo Schurken vermutet werden, ist, wie die NSA Affäre lehrt, die staatliche Sicherheitspolitik nicht weit. Nach diesem Motto werden die Griechen nun immer mehr zu gläsernen Bürgern. "Warum haben Sie ihre Telefonrechnung mit 200 Euro bezahlt und nicht ihre säumigen Steuern in Höhe von 100 Euro beglichen ", hörte ein bass erstaunter Steuerzahler Anfang Dezember am Telefon.

Den Inkasso-Callcentern der Finanzverwaltung entgeht nichts. Sie haben eine Datenbank, in der der Arztbesuch eines jeden Steuerpflichtigen ebenso wie der behandelnde Arzt und die Diagnose abgespeichert wird. Die fiskalische Datenbank wird von Banken über jede Kontobewegung informiert. Sie erfährt, an welchem Bankenautomaten Geld abgehoben wurde. Darüber hinaus erhalten die Finanzbehörden eine Kopie sämtlicher Telefonrechnungen, aber auch die Daten der Prepaid-Mobiltelefone. Jeglicher Datenschutz ist in Zeiten der Krise ausgehebelt worden.

Das kleine Weihnachtswunder

Zum Glück ist nicht alles im Land marode und düster. Acht Frauen stiegen im Zentrum Athens aus zwei schwarzen Jeeps. Sie gingen in den Zentralmarkt Athens, wo seit einigen Monaten nicht nur Händler, sondern auch Bürger einkaufen. Ohne ihr Inkognito aufzudecken, traten sie an die Kassen heran. Erschreckt versuchte der Chef der Markhallen sie zur Rede zu stellen. "Wir haben nichts Böses vor", war der einzige Kommentar, der den Damen entlockt werden konnte.

Schließlich gesellten sie sich neben Bürger, deren Armut offensichtlich war und bezahlten deren Rechnungen. Insgesamt 20.000 Euro spendeten sie auf diese Weise. Die weiblichen "Weihnachtsmänner" verschwanden ebenso so mysteriös, wie sie erschienen waren.

Und zurück zur Realität

Wenig Grund zur Freude haben dennoch viele Rentner. Ihnen wurde eine Ausgleichszahlung, das so genannte EKAS, ersatzlos gestrichen. Mit dem EKAS sollte den meisten Beziehern extrem niedriger Renten zumindest ein Überleben gesichert werden. Der Troika war jedoch ein Dorn im Auge, dass davon Querschnittsgelähmte, sowie durch Arbeits- und sonstige Unfälle erwerbsunfähige Behinderte unter 65 Jahren profitieren konnten.

Um die Wirkung der Umsetzung dieser Maßnahme zu verschleiern, griff die Regierung zu einem Trick. Sie zahlte die erheblich geminderten Januarrenten bereits am 23.12. aus. Bis es das nächste Geld gibt, ist Februar. Womit die Verantwortlichen jedoch nicht gerechnet hatten, ist die Angst der Griechen.

Sparkonten werden bei bestehenden Steuerschulden auch dann gepfändet, wenn der Schuldner lediglich Arbeitslosengeld, eine niedrige Rente oder gar eine der wenigen Sozialhilfen erhält. Eine Mindestgrenze fürs Überleben wurde nicht festgelegt. Vielmehr ersann die Troika, dass jeder, dessen Geld mehr als zwei Tage auf dem Konto liegt, offenbar genug davon hat. Bei den Pfändungen wird nicht etwa nur der fällige Betrag, sondern direkt das gesamte Konto blockiert. Ergo sah man am 23.12. in Athen Rentner umherirren, die sämtliche Geldautomaten der Innenstadt leer räumten. Für mehrere Stunden gab es in zahlreichen Stadtvierteln kein Bargeld am Automaten. Den Banken fehlten - krisenbedingt - sowohl Bedienstete als auch Bargeldmittel, um die Automaten wieder aufzufüllen.

Viele derjenigen, die keine Steuerschulden hatten, stellten sich hinterher wieder brav an den Bankschalter und zahlten die abgehobenen Gelder wieder ein. Auf die Frage nach dem Sinn eines solchen Tuns kam die Antwort: "Wie soll ich sonst wissen, dass das Geld wirklich drauf ist?" Dieses skurril erscheinende Misstrauen ist nur ein weiterer Kollateralschaden der politischen Kapriolen. Das ohnehin bereits schlechte Weihnachtsgeschäft des Einzelhandels bekam dadurch einen zusätzlichen Dämpfer.