Streit um Autorenrechte im Internet

Autorenvereinigungen im Visier der EU-Kommission, während in Frankreich über eine "Kulturflatrate" und in Spanien über die "Kopiergebühr" gestritten wird

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Die französischen Wirtschaftszeitung „Les Echos“ hat gemeldet, die Europäische Kommission wolle gegen Autorenvereinigungen vorgehen. Die Wettbewerbshüter werfen den Vereinigungen vor, sich über „illegale“ Abkommen den Markt aufzuteilen. Die französische Regierung hat derweil die Urheberrechtsdebatte weiter verschoben. Über Änderungsanträge hatten die Gegner des restriktiven Vorhabens den Musiktausch praktisch legalisiert. In Spanien kommt die „Kopiergebühr“ weiter unter Druck, die über ein neues Urheberrecht legalisiert und ausgeweitet werden soll.

Die Ankündigung, dass die EU-Kommission massiv gegen Autorenvereinigungen vorgehen wird, dürfte in deren Hauptquartieren europaweit nun für Unruhe sorgen. Die Zeitung Les Echos teilte mit, dass die Wettbewerbsbehörde diese Woche entsprechende Schreiben verschicken werde. Die Kommission werfe den Autorenvereinigungen darin vor, die doch selbst so gerne Klagen anstrengen „illegal“ zu handeln. Weil sie sich weigerten, grenzüberschreitende Abkommen zu schließen, „teilen sie sich de facto den europäischen Markt auf“, weil Vereinbarungen jeweils nur auf nationaler Ebene getroffen werden könnten. Das verstoße gegen das Wettbewerbsrecht, schrieb Les Echos mit Bezug auf die EU-Kommission.

Angestoßen hatte das Verfahren die RTL-Gruppe. Die Vereinigungen würden gegenseitig eine Art Monopol anerkennen, was gegen den Artikel 81 des EU-Vertrags verstoße, hatte RTL argumentiert:

Mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken.

Artikel 81

Nach Ansicht der Wettbewerbshüter werden die Unternehmen benachteiligt, die wie RTL in verschiedenen Staaten operieren, denn sie müssen für jedes EU-Mitgliedsland eine eigene Lizenz aushandeln. Nach Angaben der Zeitung sollen sich die Vereinigungen innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt des blauen Briefs aus Brüssel zu den Vorwürfen äußern. Sollte sich die dargelegte Ansicht der Kommission durchsetzen, bedeutet dies einen Schritt in Richtung einer Gesamtlizenz für die EU.

Schon im vergangenen Oktober hatte sich Brüssel für eine europaweite Lizenzierung ausgesprochen. Der EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy hatte eine entsprechende Empfehlung ausgesprochen, die gravierende Veränderungen für die nationalen Verwertungsgesellschaften mit sich bringe. http://www.heise.de/newsticker/result.xhtml?url=/newsticker/meldung/63968 Das Fehlen einer europäischen Lizenz, so McCreevy, sei „ein Hindernis für die Entwicklung des gesamten Potentials der neuen Musikdienste auf Basis des Internet“. Die Einnahmen in den USA daraus seien acht Mal höher als in der EU, führte er als Beispiel an.

Die angekündigte Abmahnung aus Brüssel bezeichnete die französische Wochenzeitung Nouvel Observateur als eine „wahrhaftige Bombe“ für die Diskussion um ein neues Urheberrecht in Frankreich. Dort hat die Regierung zeitgleich die weitere Diskussion um das neue Gesetz vertagt.

Frankreich verschiebt die Umsetzung der Urheberrechtslinie weiter

Lange hatte sich Paris nicht um die Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie geschert und wollte sie dann im Eilverfahren durchpeitschen. Der Entwurf der Regierung sah massive Beschränkungen und Strafausweitungen vor. Doch es kam anders (Freier Tausch statt Knast in Frankreich?). Tatsächlich wurden im Parlament im Dezember zwei Änderungen angenommen, die den Tausch über P2P für private die Nutzung über eine „Kulturflatrate” faktisch legalisieren. Über diese „Kulturpauschale“ wird derweil heftig gestritten.

Weil es sich um ein „schwieriges Thema” handele, wurde am 17. Januar das Gesetz nicht verabschiedet. Nun hat der Premierminister Dominique de Villepin die Vorlage eines neuen Vorschlags der Regierung sogar auf März vertagt. Angesichts der divergierenden Aussagen aus Paris ist unklar, wohin die Reise geht und ob dann ein neuer Vorschlag steht. Einig sind sich der französische Präsident Jacques Chirac und Villepin, dass das Gesetz zwischen der Freiheit der Internetnutzer und den Rechten der Autoren vermitteln und dabei die Zukunft der französischen Musik und des Films garantieren müsse.

Villepin will, dass das „Werk“ des Schöpfers anerkannt wissen, weshalb es nicht kostenlos sein könne. Monatliche Einnahmen von etwa 27 Millionen Euro für die Autorenvereinigungen über die Kulturflatrate sind ihm offenbar zu gering. Er setzt auch weiter auf eine Kriminalisierung und spricht davon, eine „Differenzierung je nach Schwere des Verstoßes“ einzuführen. Dabei war die Regierung mit derlei Vorschlägen sogar in den Reihen ihrer konservativen Parlamentarier gescheitert.

Villepin begibt sich zum Teil auch in Widerspruch zu Chirac. Noch beim Neujahrsempfang in Paris hatte der erklärt, es sei notwendig, legale Angebote zu vernünftigen Preisen zu entwickeln: „Man muss sich aus der Logik der systematischen strafrechtliche Verfolgung der Internet-Surfer befreien, indem man viel mehr die Computerprogramme bekämpft, welche die Raubkopien fördern.“ Gewährleistet werden müsse auch „das Recht der Bürger auf eine Kopie zu privaten Zwecken“, sagte Chirac.

In Spanien spitzt sich der Streit um das neue Urheberrechtsgesetz zu

Derweil spitzt sich auch der Streit in Spanien um das neue Urheberrechtsgesetz (LPI) zu. Hier ist es vor allem die horrende „Kopiergebühr“, welche die Internetnutzer weiter auf die Barrikaden treibt (Weihnachtszeit - Zeit zur Bescherung). Die Autorenvereinigungen wollen über das Gesetz eine rechtliche Grundlage für ihre Gebühr erhalten. Denn obwohl die Gebühr seit mehr als zwei Jahren beim Kauf wie eine Steuer erhoben und an die diversen Vereinigungen abgeführt wird, gibt es keine rechtliche Grundlage dafür. Sie basiert auf einem privaten Abkommen, dass zwischen der Musikindustrie und Autorenvereinigungen auf der einen Seite und dem Großteil der Hersteller von Rohlingen auf der anderen Seite getroffen wurde.

In Urteilen wurde diese Gebühr schon als „illegal“ bezeichnet und die Rückzahlung der angefallenen Kosten angeordnet (Kopiergebühr in Spanien illegal). Mit den Klagen will die Vereinigung der Netizen (AI) vor allem erreichen, dass ein Richter das Gesetz zur Prüfung an das Verfassungsgericht weiter leitet ("Ich will meine 22 Cent zurück").

AI und die Vereinigung der spanische Linux-Nutzer (Hispalinux) hat mit Hilfe des bekannten „Internet-Anwalts“ Javier de la Cueva einen weiteren Teilsieg errungen, der sich auch auf die zähe Debatte um das Urheberrecht auswirkt. Das Wettbewerbsgericht gab dem Antrag der Kläger statt und ordnete an, dass die Wettbewerbsbehörde, die dem Wirtschaftsministerium untersteht, nun wegen der Gebühr ein Wettbewerbsverfahren einleiten muss. Im November 2004 hatte die Behörde die Klage wegen „Ausnutzung einer beherrschenden Stellung“ auf dem Markt und „Preisabsprachen“ noch eingestellt. Dabei war offensichtlich, dass ein Kartell gebildet worden war, als die Autovereinigungen und die Musikindustrie gemeinsam die Gebühr mit den Herstellern vereinbarten.

Die Netizen werden so in ihrem Kampf gegen die „Gebühr für nichts“, die oftmals in Spanien sogar die Herstellungskosten überschreite, gestärkt. Eine Besonderheit der Gebühr ist, dass sie über das Recht auf eine Privatkopie begründet wird, das aber wegen Kopierschutzvorrichtungen meist nicht ausgeübt werden kann. Die Regierung hat die Aushebelung des Kopierschutzes sogar unter Strafe gestellt und damit den Widerspruch verschärft (Knast für Privatkopien von CDs und DVDs?).

Die Autorenvereinigungen, allen voran die SGAE, fordern weiter die Ausweitung der Gebühr auf nahezu alle Datenträger und Abspielgeräte für Musik Allerdings formiert sich in der Debatte um das neue Urheberrecht eine immer breitere Ablehnungsfront gegen die Gebühr und andere Auswüchse des Gesetzes.

Neben dem freien Zugang zu Kultur steht aber die Kopiergebühr ganz oben bei der Kritik. Unterstützer und potentiellen Unterstützer der sozialistischen Minderheitsregierung halten die Gebühr nicht einmal dann für gerechtfertigt, wenn von einer gekauften CD oder DVD drei Privatkopien gezogen werden dürfen. Die verschiedenen Parteien haben deshalb 102 Einwendungen gegen das Gesetz formuliert. Dabei sind die Ablehnungsanträge der konservativen Volkspartei (PP) noch nicht berücksichtigt. Unter deren Ägide wurde die Gebühr zwar eingeführt, doch auch die PP fordert deren Streichung, weil sie die „Konkurrenzfähigkeit der spanischen Industrie schädige“.

Dieser Lesart schließt sich auch die Vereinigung der Firmen für Elektronik, Technologie, Information und Telekommunikation Spaniens (AETIC) an. Sie befürwortet aber ausdrücklich den Kopierschutz. Deren Präsident Jesús Banegas bezeichnete es als „Unsinn“, auf der einen Seite einen „Fortschrittsplan“ für die neuen Technologien aufzulegen, „um mit Europa aufzuschließen“, aber dann ein Gesetz zu schaffen, „das die Entwicklung der Informationsgesellschaft behindert und verteuert“. AETIC kritisiert auch die „Konfusion“, die inzwischen herrsche, weil Piraterie und Privatkopie bei der Diskussion in einen Topf geworfen würden, dabei seien das zwei Phänomene, die nichts miteinander zu tun hätten.