Subliminale Werbung - die geheime Verführung?

Ein russischer Sender wurde wegen subliminaler Werbung geschlossen

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Russland hat nicht nur Sorgen wegen seines gesunkenen U-Bootes, sondern auch wegen der Werbung. Nicht wegen der Werbung allgemein, sondern aufgrund einer anstößigen Taktik. Auch nicht Pornografisches ist im Spiel, nicht einmal eine Form der politischen Zensur, wie man gleich vermuten könnte, sondern ein Sender hat angeblich im Juni dieses Jahres zwei Wochen lang eine subliminale Werbung ausgestrahlt und wurde deswegen offenbar erst einmal aus dem Verkehr gezogen.

Vorsicht, Verführung. Nach Wilson Bryan Key ist der Ritz-Keks so erfolgreich, weil die Löcher die Buchstaben S-E-X andeuten

Der Sender befindet sich in Yekaterinburg und heißt Avtorskiye Televisionniye Novosti, kurz: ATN. Und dieser Sender irgendwo im fernen Sibirien hat immer mal wieder mal schnell die Botschaft aufblitzen lassen: "Bleib sitzen und schaue nur ATN an" oder wie der Slogan auf russisch auch immer gelautet haben mag. Auch wenn sich angesichts solcher Plumpheit selbst das Unbewusste aufregen würde, auf das die schnell aufblitzende Werbung gerichtet ist, konnte sich der für die Medien zuständige Minister Michail Seslavinsky nicht zurückhalten und schloss, wie die Moscow Times am 19. August berichtete, den Sender. Subliminal heißt, dass etwas so kurz nur dargeboten wird, dass es bewusst nicht wahrgenommen werden kann, aber möglicherweise, wie offenbar das Ministerium meint, vom Unbewussten registriert wird und dort seine Wirkung entfaltet.

"Niemand ist jemals derart dreist gewesen", sagte der Minister in einem Interview. "Die Verwendung versteckter Botschaften, die auf das Unbewusste einwirken, ist nach zwei verschiedenen Gesetzen verboten - nach dem Artikel 4 des Gesetzes für die Massenmedien und nach dem Artikel 10 des Gesetzes für Werbung." Der Sender hält allerdings entgegen, es habe sich dabei gar nicht um eine subliminale Werbung gehandelt. Sie habe zwar nur kurz aufgeblitzt, aber man habe sie durchaus bewusst wahrnehmen können.

The Subliminal Domain

This is the only message you will actually see.

www.subliminal.com/

Die große Zeit hatte die subliminale Werbung, als die Konsumgesellschaft erste Höhen erklommen und das Fernsehen seinen Siegeszug angetreten hatte. Der kalte Krieg sorgte mitsamt der nuklearen Aufrüstung für permanente Ängste, die UFOs waren schon ins Bewusstsein der Menschen getreten und der Rock'n'Roll begann die Menschen zu faszinieren.

Den ersten Auftritt feierte die subliminale Werbung allerdings im Kino. 1957 gab ein bis dato nicht sehr bekannter Marktforscher, der sich mit "Motivationsforschung" beschäftigt und dabei unter anderem die Blinzelrate der Augen von Frauen in Geschäften untersucht hatte - angeblich ein Indikator für das Interesse an bestimmten Produkten oder Darbietungsformen -, bekannt, er habe in einem sechswöchigen Experiment in einem New Yorker Kino alle 5 Sekunden die Werbetexte "Iss Popcorn" und "Trink Cola" so schnell eingeblendet, dass die Zuschauer dies bewusst gar nicht bemerkt hätten. Gleichwohl sei daraufhin im Kino der Verkauf von Popcorn mit 58 Prozent und Cola mit 18 Prozent sprunghaft angestiegen. Auch wenn Vicary damit seiner subliminalen Projektionsmaschine oder überhaupt seiner Firma Subliminal Projection Co. einen Push geben wollte und man nicht weiß, ob dieses Experiment wirklich stattgefunden hat, so wurde damit fast eine Massenhysterie ausgelöst, die bis in den Senat und den Kongress ihre Wellen schlug. Vicary und seine subliminale Werbung wurden zwar bekannt, auch wenn er selbst diese nur als eine schwache Methode bezeichnete und vorschlug, man sollte den Zuschauern vorher ankündigen, dass man so werben wolle.

Natürlich wollte man diese Form der Werbung ausprobieren, doch beispielsweise ließ es nach einer Protestwelle der Zuschauer ein kalifornischer Sender dann lieber doch bleiben. Aus Sorge forderte die National Association of Radio and Television Broadcasters ihre 300 Mitglieder noch 1957 lieber von subliminaler Werbung Abstand zu nehmen, weil dies die Kunden verprellen könnte. Ein kanadischer Sender strahlte während einer halbstündigen Show die subliminale Aufforderung "Telefoniere jetzt" aus, von 500 Befragten hatte aber nur einer gesagt, dass er einmal zum Telefonhörer greifen wollte, die meisten sagten, sie hätten Durst oder Hunger empfunden. Dennoch wollten Politiker subliminale Botschaften ganz verbieten, unter anderem deswegen, weil sie auch politische Propaganda tragen und so ein totalitäres Regime errichten könnten. Zu einem expliziten Verbot aber kam es damals nicht, allerdings verbietet die Federal Communications Commission (FCC) subliminale Werbung als bewussten Versuch der Täuschung der Zuschauer.

Auch der CIA ließ sich anstecken und beschäftigte sich mit dem Thema, was ein freigegebener Bericht mit dem Titel: "The Operational Potential of Subliminal Perception" aus dem Jahr 1958 zeigt. Man wollte einfach sicher gehen, nichts zu verpassen, auch wenn laut Bericht die Beeinflussung der subliminalen Wahrnehmung - bedauerlicherweise? - keine Wirkung versprach: "It must be concluded that there are so many elusive variables and so many sources of irregularity in the device of directing subliminal messages to a target individual that its operational feasibility is exceedingly limited." Das passt ganz gut zu den damaligen "Studies in Intelligence", bei denen der amerikanische Geheimdienst mit so ziemlich allen möglichen Techniken zur Beeinflussung des Geistes und des Verhaltens von LSD bis zur Deprivation herumexperimentierte.

Auch wenn die meisten Wissenschaftler nicht an die Wirksamkeit der subliminalen Werbung glauben und sie nicht bestätigen konnten, spukte dieses Thema der "geheimen Verführer", so ein Bestseller von Vance Packard von 1957, weiter in den Köpfen umher. 1973 etwa entfachte Wilson Bryan Key mit seinem Buch "Subliminal Seduction" die Debatte noch einmal. Vor allem entdeckte dieser Aufklärer nun bereits überall die subliminalen Botschaften und sah den Großteil der amerikanischen Bevölkerung schon subliminal gesteuert. In der Werbung seien vor allem die Worte, die mit Sex zu haben, am meisten in Werbung versteckt. Das ging für ihn sogar so weit, dass er auch in Keks von Ritz die Buchstaben des Wortes Sex entdeckte.

Mitte der 80er Jahre brandete allerdings die Diskussion wieder in einem neuen Bereich auf, nämlich in dem der Rockmusik. Befürchtet wurde, dass rückwärts eingespielte Botschaften in die Musik (Backmasking), die sich beispielsweise auf Drogen, Satanskulte oder sexuelle Inhalte bezogen, vornehmlich die Jugendlichen beeinflussen und verführen. Es kam dabei auch zu Prozessen und gar zu Gesetzesvorschlägen, obgleich aus der empirischen Psychologie keine Nachweise dafür erbracht werden konnten. Der Höhepunkt der Aufregung war der Prozess im Jahr 1990 in Nevada gegen die britische Musikgruppe "Judas Priest", die beschuldigt wurde, durch rückwärts eingespielte Botschaften mit satanischen Inhalten - darunter "Do it" - den Selbstmordversuch zweier Jugendlicher mit verursacht zu haben. Aufgrund mangelnder wissenschaftlicher Nachweise wurde die Anklage zurückgewiesen.

Dann aber verlagert sich die Szene eher nach Russland, denn nach der Wiederwahl von Boris Jelzin im Jahr 1996 kam das Gerücht auf, dass der Fernsehsender ORT am Abend vor der Wahl subliminale Botschaften zugunsten von Jelzin ausgestrahlt habe.

Und jetzt eben der Fernsehsender ATN. Nach Untersuchungen von Mitarbeitern des zuständigen Presseministeriums sollen in Werbesendungen, die ATN zum Inhalt haben, des öfteren seltsame Blitze aufleuchten, darunter eben auch die beanstandete Botschaft, die ungefähr alle 25 Bilder kurz auftauchte. ATN wurde deswegen von der für Werbung zuständigen regionalen Behörde zur Zahlung von 450 Dollar verurteilt, was ATN vor das Gericht ziehen und Widerspruch einlegen ließ. Eine Entscheidung liegt noch nicht vor.