Supraleitendes Plutonium

Als ob man nach einem neuen Pudding-Rezept sucht und dabei ein exzellentes Material für den Bau von Wolkenkratzern findet

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Das Phänomen Supraleitung sorgt immer wieder für Überraschungen. Jetzt berichten Physiker in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature, dass ein Material auf Plutoniumbasis widerstandslos Strom leiten kann.

Supraleiter - der so genannte Meißner-Ochsenfeld-Effekt, Bild: Technorama Winterthur (Schweiz)

Das Los Alamos National Laboratory ist in den letzten Jahren immer wieder wegen Sicherheitslücken und Schlampereien in die Schlagzeilen geraten. 1999 wurden in diesem US-Waffenlabor geheime Daten über das amerikanische Atomwaffenprogramm auf einem allgemein zugänglichen Rechner abgespeichert (Vgl. Daten aus US-Atomwaffenlabor geklaut). Im Jahr 2000 tauchten nach mehrwöchiger Suche verschwundene Computer-Festplatten, auf denen geheime Daten über die nuklearen Waffen Frankreichs, Russlands und Chinas gespeichert waren, hinter einem Fotokopiergerät wieder auf. 2001 wurde dann ein Mitarbeiter als Hacker festgenommen (Vgl. Sicherheitslücken beim Los Alamos National Laboratory?). Und gerade erst berichtete die New York Times darüber, dass dort in den vergangenen drei Jahren Eigentum der Einrichtung im Wert von fast drei Millionen Dollar verschwand. Irgendwie scheint Los Alamos eine Institution zu sein, die ein wenig die Eigenschaften eines schwarzen Loches aufweist. Und das, obwohl das Labor der Ort ist, wo unter strengster Geheimhaltung die erste Atombombe entwickelt wurde und heute das Personal das Atomwaffenarsenal der USA sowie die nationalen Vorräte an Tritium, Plutonium und angereichertem Uran verwaltet und wartet.

Aber jetzt kommt immerhin zumindest eine grundlegende Entdeckung zu einer bisher unbekannten Eigenschaft von Plutonium von den Wissenschaftlern des atomaren Forschungszentrum. J. L. Sarrao, L. A. Morales, J. D. Thompson, B. L. Scott und G. H. Lander vom Los Alamos National Laboratory, G. R. Stewart von der University of Florida sowie F. Wastin, J. Rebizant, P. Boulett und E. Collineau von der European Commission, Institute for Transuranium Elements berichten in Nature über Supraleitung in Plutonium.

Plutonium ist glänzendes, silberfarbenes Schwermetall. Es ist extrem dicht, radioaktiv und hochgiftig. Eigentlich ist es im Verhältnis zu den anderen Metallen ein sehr schlechter Strom- und Wärmeleiter. Es gehört zu den fünf seltensten Elemente in der Erdhülle und gehört physikalisch-chemisch zur Gruppe der Actiniden. Plutonium wird durch natürliche Prozesse (natürliche Kernreaktionen mit der Höhenstrahlung) in Uran ständig gebildet. Es entsteht bei der Nutzung von Kernenergie und ist wesentlicher Bestandteil der Atombombe. Außerdem dient es in Satelliten und Herzschrittmachern in Isotopenbatterien zur Erzeugung von elektrischem Strom.

Eigentlich ist Plutonium ein schlechter Leiter, aber bisher ist seine elektronische Struktur insgesamt wissenschaftlich nicht völlig verstanden.

Supraleitfähigkeit, also der widerstandslose Stromtransport, ist nahe dem absoluten Nullpunkt (-273 °C) in Metallen seit Anfang der Jahrhunderts bekannt. Die Sprungtemperatur ist die Temperatur, bei dem die Supraleitung einsetzt, dann bewegen sich die Elektronen ohne jeden Widerstand durch das Material. Hochtemperatur-Supraleiter in Kupferoxiden kennt die Physik seit Mitte der 80er Jahre. Heute gibt es Cuprate, deren Sprungtemperatur bei ca. 90 Kelvin (-183,15 °C) liegt.

Im vergangenen Jahr wurde entdeckt, dass Magnesiumdiborid bei 39 Kelvin (-234 °C) supraleitend wird. Seither wird an diesem neuen Supermaterial intensiv daran geforscht (Vgl. Mind the gap!).

Sarrao und sein Team haben eigentlich am magnetischen Verhalten von Plutonium geforscht, wobei sie verblüfft feststellten, dass eine Probe des Materials diamagnetisch, also anti-magnetisch reagierte. Der Meißner-Ochsenfeld-Effekt bedeutet, dass im supraleitenden Zustand Magnetfelder nicht in ein Metall eindringen können, dadurch beginnt eine Stück des Supraleiters in einem äußeren Magnetfeld zu schweben, wenn die Sprungtemperatur erreicht ist. Das ist ein typischer Nachweis für Supraleitung (Vgl. Wenn es aufwärts tropft).

Die Supraleitfähigkeit von Plutonium konnte dann durch weitere Experimente bestätigt werden konnte. Einer der Autoren, Greg Stewart, kommentiert:

Das ist eine außergewöhnliche Supraleitung, die faszinierend ist. (...) Es ist, als ob Sie nach einem neuen Pudding-Rezept suchen und dabei ein exzellentes Material für den Bau von Wolkenkratzern finden. Einfach völlig unerwartet.

Die Plutoniumverbindung PuCoGa5 hat eine bemerkenswert hohe Sprungtemperatur von 18,5 Kelvin (-254.65 °C). Das ist unerwartet hoch. Insgesamt weisen die neuen Forschungsergebnisse darauf hin, dass es möglicherweise eine dritte, bisher unbekannte und unkonventionelle Klasse zwischen den metallischen und den Hochtemperatursupraleitern gibt.

Die supraleitenden Eigenschaften von Plutonium sind durchaus technisch interessant, aber aufgrund der Radioaktivität und Giftigkeit des Materials kommt es für praktische Anwendungen nicht in Frage. Aber die neuen Forschungsergebnisse sind ein wichtiger Schritt, um das Phänomen Supraleitung fundamental besser zu verstehen.