Syrien: Baschar al-Assad lässt sich wieder wählen

Dé·jà-vu: Assad-Plakat vor den Wahlen in Syrien 2014. Bild: Hosein Zohrevand, CC BY 4.0

Abstimmung trifft im Westen auf Ablehnung. Signale aus dem Land und der Region widersprüchlich. Sieger steht wohl schon fest

Am heutigen Mittwoch finden in Syrien Präsidentschaftswahlen statt. Drei Kandidaten konkurrieren um das höchste Amt im Land, das von zehn Jahren Krieg und einer massiven Wirtschaftskrise schwer gezeichnet ist.

Nach der Verfassung von 2012 beträgt die Amtszeit des Präsidenten sieben Jahre, er kann zwei Wahlperioden im Amt bleiben. Diese Regel wurde allerdings schon bei den letzten Präsidentschaftswahlen 2014 außer Kraft gesetzt, als Baschar al-Assad für eine dritte Amtszeit wiedergewählt wurde. Vieles deutet darauf hin, dass er nun eine vierte Amtszeit antreten wird.

Die im Ausland lebenden Syrer konnten bereits am 20. Mai in syrischen Botschaften oder Konsulaten wählen. Eine kleine Gruppe von Staaten, darunter auch Deutschland, die USA und die Türkei untersagten allerdings die Wahlen in den syrischen Vertretungen. Im Libanon strömten Tausende zur syrischen Botschaft in Beirut.

Mehr als 400 Angestellte, Richter, Anwälte und Journalisten waren vor den Wahlen aus der Haft entlassen worden. Sie hatten sich in den sozialen Medien kritisch über die schlechte wirtschaftliche Lage im Land geäußert. Zusätzlich kamen Tausende Gefangene im Zuge einer allgemeinen Amnestie frei, die wegen Währungsspekulation, Drogenhandel, Schmuggel oder Entführung inhaftiert worden waren.

Kritiker der syrischen Regierung und Menschenrechtsorganisationen wiesen darauf hin, dass es keine Freiheit für politische Oppositionelle gab, die teilweise seit Jahren und ohne Gerichtsverfahren inhaftiert sind.

UN: Wahl in Syrien nicht auf Basis von Resolution 2254

Insgesamt treten drei Kandidaten zu den heutigen Wahlen an.

  • Abdallah Saloum Abdallah von der linksgerichteten Nasseristischen Partei Syriens tritt mit dem Motto "Unsere Stärke ist unsere Einheit" an.
  • Baschar al-Assad, der von der Baath-Partei nominiert wurde, proklamiert "Hoffnung liegt in der Arbeit" und "Gemeinsam fordern wir heraus".
  • Der dritte Kandidat, Mahmoud Ahmed Marei, gehört der oppositionellen Demokratischen Arabischen Sozialistischen Union (Dasu) an. Mit zwölf anderen Parteien hatte die Dasu sich 2011 zum Nationalen Koordinationskomitee für Demokratischen Wandel (NCC) zusammengeschlossen, einer zunächst sehr einflussreichen Dachorganisation der syrischen Opposition.

Marei stellt zwei Punkte in den Mittelpunkt seiner Kampagne. Zum einen fordert er ein gemeinsames Engagement für die Freilassung politischer Gefangener. Zum anderen spricht er sich für eine "Regierung der nationalen Einheit mit einer wirklichen Vertretung der Opposition" aus.

Das syrische Parlament hat Parlamentarierdelegationen aus 14 Staaten als Wahlbeobachter eingeladen: Algerien, Oman, Mauretanien, Russland, Iran, China, Armenien, Venezuela, Kuba, Belarus, Südafrika, Ecuador, Nicaragua und Boliven.

Der UN-Sonderbeauftragte für Syrien, Geir Pedersen, erklärte bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates am 28. April 2021, die Wahl entspreche der aktuellen syrischen Verfassung und sei "nicht Teil des politischen Prozesses entsprechend der UN-Sicherheitsratsresolution 2254".

Kritik an der Wahl in Syrien

Die EU-Kommission, das EU-Parlament, Regierungen in Großbritannien, Frankreich, Deutschland, den USA und der Türkei kritisierten - ebenso wie die syrische Auslandsopposition - die Präsidentschaftswahlen als "Farce" und "Fälschung". Wiederholt hatten die EU-Institutionen und westliche Politiker angekündigt, die Wahlen und das Ergebnis nicht akzeptieren zu wollen.

In einem Interview mit der Tageszeitung Al-Sharq al-Awsat erklärte der EU-Außenbeauftragte Joseph Borrell, die einzigen Wahlen, die man in Syrien anerkenne, seien Wahlen entsprechend der UN-Sicherheitsratsresolution 2254. Die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen könnten "nicht zur Normalisierung der Beziehungen zum Regime führen." Die EU habe andere Akteure in der internationalen Gemeinschaft und in der Region aufgerufen, "keine Normalisierung (mit Syrien) einzugehen."

Entsprechend äußerte sich der kurdisch geführte "Syrische Demokratische Rat" am vergangenen Montag in Qamischli. Man habe nichts mit diesen Wahlen zu tun und werde auch "nicht dazu beitragen, dass irgendwelche Wahlen stattfinden, die die Bedeutung der UN-Resolution 2254 verletzen", hieß es in einer Erklärung. Wahlen in Syrien könnten nur "in Übereinstimmung mit internationalen Entscheidungen" stattfinden. Man fordere die Freilassung der Gefangenen, die Rückkehr von Vertriebenen und "eine neue Grundlage für einen politischen Weg gegen Tyrannei".

Die Nationale Koalition syrischer Revolutions- und Oppositionskräfte (Etilaf) mit Sitz in Istanbul organisierte zahlreiche Proteste gegen die Wahlen in Gebieten unter ihrer Kontrolle. In einem Brief an 75 Staaten und sieben internationale Organisationen bezeichnete der Chef der Syrischen Oppositionellen Organisation (Soc), Nasr al-Hariri, die Wahlen als "Putsch gegen den politischen Prozess" in Syrien.

Die Abstimmung sei "Augenwischerei" und das syrische Volk werde die Ergebnisse nicht anerkennen. Das "Assad-Regime" habe schon lange seine Legitimation verloren. Die einzigen akzeptablen Wahlen in Syrien seien Wahlen "an denen der Kriegsverbrecher Baschar al-Assad nicht teilnimmt".

Auswärtiges Amt lässt Abstimmung in Deutschland nicht zu

Ein Sprecher des französischen Außenministeriums bezeichnete die Wahlen als "null und nichtig" und sagte, dass sie "gar nicht stattfinden sollten". Das Außenministerium in Damaskus reagierte scharf und erklärte, nur die Syrer hätten das entscheidende Wort bei den Wahlen. Frankreich sollte wissen, dass die Zeit des Mandats (über Syrien, 1920-1946) endgültig vorbei sei.

Das Auswärtige Amt in Berlin antwortete auf Telepolis-Anfrage, die Bundesregierung habe "bereits im März in einem gemeinsamen Statement mit den USA, Vereinigtem Königreich, Frankreich und Italien sowie im Rahmen einer EU-27-Erklärung zu den Präsidentschaftswahlen klar Stellung bezogen". Die Wahlen seien "weder frei noch fair" und entsprächen nicht "der maßgebenden UN-Sicherheitsratsresolution 2254".

Eine formelle Anfrage der syrischen Botschaft für eine Zustimmung zur Teilnahme der in Deutschland lebenden syrischen Wahlberechtigten in der Botschaft in Berlin, habe das Auswärtige Amt "abschlägig beschieden", hieß es weiter. "Völkerrechtlich besteht keine Verpflichtung der Bundesregierung", die Wahlen zu genehmigen.

Kanada, Deutschland, Katar, Saudi-Arabien, die Niederlande, die Türkei, Großbritannien und die USA verweigerten den Syrern die Möglichkeit, in den Botschaften zu wählen. In 40 Staaten hingegen waren die Wahlen erlaubt. Besonders viele Syrer machten Beobachtern zufolge von ihrem Wahlrecht im Libanon Gebrauch. Auch teils massive Angriffe der Libanesischen Kräfte, einer christlichen Miliz im Zedernstaat, die mit Stangen und Fäusten die Menschen auf dem Weg zur Botschaft in Beirut attackierten, konnten die große Teilnahme nicht stoppen. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR beklagte, Syrer im Libanon seien zur Stimmabgabe gezwungen worden.

Im UN-Sicherheitsrat hatten die fünf Veto-Mächte unterschiedliche Meinungen geäußert. Während die USA, Großbritannien und Frankreich sich gegen die Wahlen aussprachen und erklärten, sie nicht anerkennen zu wollen, warnte der russische UN-Boschafter Wassili Nebensja davor, sich in die inneren Angelegenheiten Syriens einzumischen.

Russland fordere die westlichen Staaten auf, ein keine falschen Informationen zu verbreiten. Die Präsidentschaftswahlen hätten "nichts mit der Arbeit des Verfassungskomitees zu tun" sagte Nebenzya. Das tage unter dem Dach der Vereinten Nationen.

Das Recht zu wählen

Die Syrer reagierten auf ihre Weise auf die Kritik an den Wahlen. Landesweit fanden am vergangenen Sonntag Demonstrationen "Für das verfassungsgemäße Recht zu wählen" statt.

Die maßgeblich von gesellschaftlichen Organisationen der Baath-Partei vorbereiteten Versammlungen brachten in Latakia, Damaskus und im Nordosten Syriens Tausende auf die Straßen. In Tartus und Hasakeh demonstrierten Studierende, in der Hafenstadt Banias demonstrierten Fischer mit ihren Booten vor der Küste für das Recht zur Stimmabgabe.

Auch wenn man wisse, dass man an der Lage wenig ändern könne, sollten die Wahlen stattfinden, sagte eine Geschäftsfrau aus Damaskus der Autorin am Telefon. "Wir stimmen weniger über einen der Kandidaten ab, als für das grundsätzliche Recht zu wählen", sagte die Frau, die namentlich nicht genannt werden wollte. "Die Syrer sind stolz und politisch sehr bewusst. Sie wollen sich nicht bevormunden lassen, von niemandem."

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