Syrien - Christen in Angst

Seite 8: Handlungsempfehlungen und Forderungen

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An die Autonome Selbstverwaltung in Nordsyrien und die SDF

1. Es müssen sofort neue und bedingungslose Gespräche zwischen allen politischen Parteien einschließlich dem KNCS5, der Nationalen Allianz der kurdischen Parteien6 und der kurdischen Peşverû-Partei7 sowie der ADO über die Erweiterung der Strukturen der autonomen Selbstverwaltung aufgenommen werden. Eine breite politische Basis der Selbstverwaltung wird sowohl die Überlebenschance von Rojava erhöhen als auch die Demokratie und Menschen- und Minderheitenrechte stärken.

2. Es muss Sorge dafür getragen werden, dass die Arbeit der Behörden in Nordsyrien transparenter wird. Ohne Transparenz kann eine Verwaltung nicht lange erfolgreich funktionieren. 3. Es muss dafür gesorgt werden, dass das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung sowie die Pressefreiheit vollständig gewährleistet werden.

An die deutsche Bundesregierung

Die deutsche Bundesregierung leistet seit Jahren Hilfe an die syrische Opposition. Oft wird die finanzielle Hilfe über die die Türkei oder von der Türkei aus geleistet. Daher fordert die GfbV von der deutschen Bundesregierung, sich sowohl bei der türkischen Regierung als auch bei den syrischen islamistischen Gruppen, die Hilfe aus Deutschland erhalten, dafür einzusetzen, dass,

  1. die Gewalt durch islamistische Kampfverbände der Opposition gegen die Zivilbevölkerung, insbesondere gegen Christen und andere Minderheiten eingestellt wird.

  2. alle oppositionellen Gruppen die Einhaltung der Menschenrechte garantieren. Oppositionelle Gruppen müssen in den von ihnen kontrollierten Gebieten die Meinungs- und Demonstrationsfreiheit und Menschenrechte für alle gewährleisten. Sie müssen freien Zugang für internationale und lokale Kommissionen erlauben, die die Gefängnisse, die sie unterhält, untersuchen wollen.

  3. die Verantwortlichen für schlimmste Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen zur Rechenschaft gezogen werden.

Ferner wird die deutsche Bundesregierung aufgefordert,

  1. dafür zu sorgen, dass der türkische Angriffskrieg und die völkerrechtswidrige Besetzung in Afrin international verurteilt werden; die türkische Armee muss sich aus diesem Gebiet und aus anderen Teilen Syriens zurückziehen. Die Politik der Türkei sorgt für mehr Instabilität, mehr Konflikte, mehr Geflüchtete und vor allem mehr radikalen Islam in Syrien. Der autonome Status von Afrin innerhalb Syriens muss wiederhergestellt werden.

  2. dafür zu sorgen, dass die Zivilbevölkerung in ganz Syrien ausreichend mit Medikamenten und Lebensmitteln versorgt wird. Die Zivilbevölkerung muss vor Übergriffen geschützt werden.

  3. alle Pläne in Kooperation mit anderen westlichen Regierungen, in Syrien militärisch zu intervenieren, nur dann in Betracht zu ziehen, wenn ein vollständiges Konzept für die Lösung der bestehenden innersyrischen Konflikte "auf dem Tisch liegt". Die Minderheiten und die gesamte Zivilbevölkerung müssen nicht nur vor Assads Luftwaffe, sondern auch vor marodierenden bewaffneten Gruppen jeglicher Couleur vor Ort geschützt werden. Die Bevölkerung in Syrien darf nach einem militärischen Eingreifen nicht ihrem Schicksal überlassen werden, wie etwa in Somalia.

  4. die Unterstützung für jegliche oppositionellen Gruppen in Syrien daran zu knüpfen, dass in einer neuen Verfassung die sprachlichen, kulturellen und administrativen Rechte der Assyro-Aramäer, Kurden, Armenier und anderer ethnischen Minderheiten sichergestellt werden. Christen, Yeziden, Alewiten und Drusen müssen vollständige Glaubensfreiheit genießen.

  5. so schnell wie möglich eine internationale Syrienkonferenz einzuberufen. Auf dieser Konferenz muss ein Friedensprozess angestoßen werden, an dem alle Syrer, neben der Opposition und dem Regime auch alle Minderheiten, beteiligt sind. Außerdem müssen alle ausländischen Akteure an einer konstruktiven Lösung des Konflikts mitarbeiten.

  6. dafür zu sorgen, dass die Zivilbevölkerung auch im autonomen selbstverwalteten Nordsyrien humanitär unterstützt wird, insbesondere bei der Bereitstellung von Trinkwasser und Strom. Auch die zivilgesellschaftlichen Hilfsorganisationen, die sich in Nordsyrien engagieren, sollten verstärkt finanziell unterstützt werden.

  7. dazu beitragen, dass die Konflikte unter kurdischen Parteien sowie unter Kurden und Assyrern/Aramäern friedlich und im Sinner aller Beteiligte gelöst werden.

  8. die türkische Regierung dazu zu bewegen, dass Grenzübergänge nach Nordsyrien, Afrin, Kobani und Qamischli dauerhaft für Personen, Handel und vor allem humanitäre Hilfe geöffnet werden.

  9. die von der türkischen Regierung beabsichtigte "Schutzzone" in Nordsyrien nicht zu unterstützen. Stattdessen sollte sich Ankara um einen Ausgleich mit den Christen und Kurden in Nordsyrien bemühen.

Der Autor ist Nahostreferent der Gesellschaft für bedrohte Völker (GbV).