Syrien: Russland und die Kurden

Seite 4: Erdogan ist kein ernstzunehmender Verhandlungspartner

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Das Interesse der USA ist nach wie vor sehr undurchsichtig, was auch den gegenwärtigen Machtkämpfen im Weißen Haus geschuldet sein dürfte. Einerseits gibt es erklärtermaßen kein strategisches Interesse der USA an Rojava, andererseits kommen die USA nicht ohne Gesichtsverlust an Rojava vorbei, angesichts des weltweiten Interesses und der Medienpräsenz vor Ort.

Und sie haben keinen verlässlichen Partner gegen den IS außer die YPG/YPJ und deren verbündete Milizen, die zum Teil aus der Freien Syrischen Armee (FSA) kommen. Aber auch sie sind keine homogene Gruppe: Im Norden operieren sie mit der YPG/YPJ gegen den IS und Al Nusra, in anderen Gebieten Syriens bekämpfen sie das Assad Regime.

Bild YPG/YPJ

Die Türkei scheint in dieser Frage keine Rolle mehr zu spielen mit Erdogans neoosmanischen Großmachtsphantasien. Hier geht es nur noch um kleine Diplomatie: Wie lange können die westlichen Staaten den Krieg in den kurdischen Gebieten der Türkei ausblenden? Wer geht den ersten Schritt, Erdogans Allmachtsphantasien ein Ende zu setzen und ihm beizubringen, dass er im Prinzip aus dem Spiel ist? Im großen Spiel um eine Lösung des Syrienkrieges hat die Türkei jedenfalls längst verspielt - weshalb Erdogan auch im eigenen Land gegen seinen Untergang mit allen Mitteln kämpft.

Die Frage ist: Wann wird unsere Bundesregierung endlich begreifen, dass Erdogan kein ernstzunehmender Verhandlungspartner ist, sondern ein narzistisch gestörter Despot, der ums Überleben kämpft mit allen Mitteln und der diesen Konflikt auch nach Deutschland trägt?

Eine Chance, ihn in die Grenzen zu verweisen wurde gerade verspielt: Dadurch, dass Erdogan in Brüssel gerade versprochen hat, 2 Millionen Flüchtlinge von Europa fernzuhalten und in eigenen Flüchtlingslagern unterzubringen, hat er einen cleveren Schachzug gemacht: Gerade mal ca. 400. 000 Flüchtlinge leben in den staatlichen Flüchtlingslagern, die von der Regierung islamistisch ausgerichtet sind mit subtilen Mitteln wie islamischen Unterricht von Kindern.

Die Mehrheit der Flüchtlingscamps in der Türkei, vor allem im Südosten, wird von der HDP und den kurdischen Kommunalverwaltungen organisiert - in Selbstverwaltung mit der ansässigen Bevölkerung - die mittlerweile massiven Repressionen ausgesetzt sind. Zahlreiche Bürgermeister sind mittlerweile inhaftiert worden, um diese Strukturen zu zerstören. Besonders brisant: Wie die EU möchte auch Erdogan, dass die Türkei als sicheres Herkunftsland eingestuft wird.

Das heißt nämlich im Klartext, dass auch politisch verfolgte Kurden oder Aktivisten in der Türkei keine Chance hätten, in Deutschland um politisches Asyl zu bitten. Und um die Flüchtlinge aus Deutschland fernzuhalten, wird mal wieder ein Auge zugedrückt, was Erdogan gerade mit der kurdischen Bevölkerung im kurdischen Teil der Türkei anrichtet.

In Sirnak wurde am vergangenen Wochenende ein Filmemacher durch mehrere Kugeln von der Polizei hingerichtet und anschließend mit einem Polizeiwagen am Seil durch die Stadt gefahren. Die türkische Regierung erklärte dazu, es hätte sich dabei um eine 'Sicherheitsmaßnahme' gehandelt, die Leiche hätte ja eine Sprengfalle sein können.

Nun kann sich jeder fragen: Wie soll ein Mensch, der vom türkischen Militär selbst erschossen wurde und dann angebunden wurde an ein Fahrzeug sich selbst als Sprengfalle präpariert haben, ohne dass sie losgeht? Das sind übrigens die Praktiken des IS, Leichen als Sprengfallen zu präparieren.