TV-Duell Scholz gegen Merz: Ist das wirklich das Beste, was Deutschland zu bieten hat?

Kanzler Scholz und Herausforderer Merz im Bundestag. Merz spricht, Scholz hört zu. Foto von 2023.

Die beiden Kontrahenten im Bundestag. Bild (2023): Juergen Nowak / Shutterstock.com

Bundestagswahl 2025: Die Kontrahenten lieferten sich gestern ein nüchternes Rededuell. Wer mehr überzeugte – eine Bilanz und erste Konsequenzen.

Trauen wir diesem Mann zu, dass er uns vor einem Krieg schützt? Trauen wir diesem Mann zu, dass er die Wirtschaftskrise in Deutschland überwindet? Wer von den beiden könnte die Beziehungen zu den europäischen Verbündeten besser pflegen? Wer wird etwas gegen den Klimawandel tun? Würden wir eher von Olaf Scholz oder von Friedrich Merz einen Gebrauchtwagen kaufen?

Das waren in etwa die Fragen, die man sich vor dem ersten Fernsehduell von Olaf Scholz gegen Friedrich Merz gestern Abend stellen konnte.

Es war klar: Der Kanzler musste angreifen, den Herausforderer stellen, und bei den Zuschauern zwei Wochen vor der Bundestagswahl "Punkte machen", Herausforderer Merz musste umgekehrt darauf achten, keine Fehler zu machen und seine spontanen Impulse unter Kontrolle zu halten.

Wie Rundfunk im Totalitarismus: Einheitsprogramm auf allen Kanälen

Es war wie Rundfunk im Totalitarismus: Im ersten Programm (ARD>) wie auf dem zweiten Programm (ZDF) lief "Scholz gegen Merz" und auch auf Phoenix und auf tagesschau24 gab es kein Entkommen. Warum eigentlich?

Und: Wer die beiden Kanzlerkandidaten nicht sehen wollte, konnte sie selbst im Deutschlandfunk noch wenigstens hören. Warum muss das sein? Was bezweckt man mit solcher Programmierung? Es mag noch angehen, die Sendung in einem weiteren Kanal mit Gebärdensprache für Behinderte auszustrahlen. Aber auf vier Sendern gleichzeitig?

Warum Einheitsprogramm auf allen Kanälen? Müsste man nicht, wo doch allerorten gern Diversität proklamiert wird, auch hier für Vielfalt des Angebots sorgen?

Vor allem aber war in dem deutlich zu sehen, dass die Amerikanisierung des deutschen Wahlkampfs auch in Deutschland voranschreitet.

Zwei nüchterne Zivilbeamte mit Tendenz zur Selbstisolation

Das erste, was auffiel, waren körperliche Unterschiede: Warum eigentlich hatte niemand Olaf Scholz einen Bierkasten unter die Füße gestellt, um die 20 Zentimeter Längenunterschiede auszugleichen?

Der Raum war in Petrol und Hellbraun gehalten, die Anzüge blau, die Hemden darunter weiß.

Maybrit Illner und Sandra Maischberger fragten abwechselnd. Etwas zu oft kam Merz als Erster dran, sodass Scholz nur reagieren konnte und gerade Illner ging dann immer gern dazwischen.

Lustig oder humorvoll war nichts an diesem Abend, zwei nüchterne Zivilbeamte mit Tendenz zur Selbstisolation traten da auf, keine Kommunikatoren, sondern ein Verwalter und einer, der es werden wollte.

"Sie wollen das Ding auseinander hauen"

Inhaltlich blieb auch nahezu alles im bekannten Rahmen und ohne Überraschungen: Migration, Wirtschaft, Soziales, Außenpolitik waren die Themenblöcke.

Vor allem bei den Fragen zur Zusammenarbeit mit der AfD eierte Herausforderer Merz, als ihm der Kanzler "Wortbruch" und einen "Tabubruch" vorwarf. Peinlichen Fragen wich der Unionskandidat vor allem aus, etwa der: "Wie sehr schmerzt es Sie, dass Michel Friedman aus der CDU ausgetreten ist?"

Erstaunlich war aber, wie wenig aggressiv und angriffslustig Olaf Scholz alles in allem auftrat. Als Merz einmal auf eine Frage mit Angela Merkels Wahlkampf-Spruch antwortete: "Sie kennen mich", lag es nah, zu antworten: "Eben!"

Man wüsste gern, wer Scholz vor so einem Duell beraten hat und wie. Warum hat der Kanzler nicht angegriffen, warum hat er Merz an keiner Stelle entgegengehalten: "Sie haben noch nie regiert. Sie haben noch nie ein Unternehmen geführt"?

Nur zweimal rutschte dem Kanzler seine Abneigung gegen Merz heraus: "Was sie hier vorgetragen haben, ist lächerlich." Merz sondere "Sprechblasen" ab.

Gerade bei den Themen Wirtschaft und Soziales kamen einige sehr präzis gesetzte Hiebe gegen Merz. Ob die kühle Feststellung: "Das hat mit der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland 0,0002 Prozent zu tun." Oder zum Mindestlohn: "Ich bin dafür, dass die Menschen, die wenig verdienen, in diesem Land mehr verdienen. Im Übrigen können Sie ja mal ausrechnen, was man bei einer 40-Stunden-Woche mit 15 Euro verdient."

Oder: "Es ist völlig verfehlt, wenn der Kernvorschlag von Herrn Merz ist, dass diejenigen, die das meiste Geld verdienen, 20 Milliarden Steuersenkung bekommen sollen."

Wer drei Millionen verdient, kann ein bisschen mehr Steuern bezahlen. Ich finde das und das finden Sie nicht und das ist der Unterschied.

In seinen kürzesten Antworten war Olaf Scholz aber am wirkungsvollsten: "Nö!", "Stimmt!". Oder zur Bahn: "Sie wollen das Ding auseinander hauen."

Scholz kam bei Frauen und Jungen besser an

Als alles nach eineinhalb Stunden vorbei war, folgte die Auswertung, nun immerhin nicht mehr in synchronem Programm.

Laut einer ersten Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen im Auftrag des ZDF hat Scholz das Duell knapp für sich entschieden.

37 Prozent der wahlberechtigten Zuschauer gaben an, Scholz habe sich besser geschlagen als Merz, so das ZDF. 34 Prozent sahen den CDU-Chef vorn. Scholz kam bei den Zuschauern demnach auch glaubwürdiger (42 Prozent) und sympathischer (46 Prozent) an.

Beim Thema Sachverstand unterschieden sich die beiden Kontrahenten aus Sicht der Zuschauer nicht. Scholz kam bei Frauen besser an und überzeugte 43 Prozent (Merz: 29 Prozent) der Zuschauerinnen von sich. Auch unter jüngeren Befragten lag Scholz deutlich vorn: Von den 18- bis 34-Jährigen entschieden sich 47 Prozent für Scholz und nur 25 Prozent für Merz.

Markus Söder: "Die nächste Bundesregierung wird sowieso eine Drei-Parteien-Regierung sein"

Bei der Sendung "Caren Miosga" saßen danach die Politiker, und mit Markus Söder und Lars Klingbeil wurde es deutlich unterhaltsamer als zuvor: "Ich fand die Augen von Olaf Scholz seltsam", analysierte Markus Söder.

Die erste halbe Stunde, das war ein Olaf Scholz, den ich noch nie gesehen habe. Der ist aufgetreten, als hätte er fünf Red Bull getrunken.

Aber trotzdem: "Die Geschichte von Olaf Scholz ist auserzählt. Das war der letzte große Auftritt", sagte der CSU-Chef.

"Wie verlässlich wäre Merz denn als Bundeskanzler?" konterte Klingbeil. Der CDU-Mann würde "überdrehen". Aktuell sei ein "kühler Kopf wie Scholz" notwendig.

Schnell wurde darüber geredet, dass zwar angeblich alle mit der Ampel-Regierung unzufrieden sind, die Ampelparteien aber zusammen immer noch mehr Zustimmung haben als die Union. Zwei Drittel der Wähler misstrauen Friedrich Merz oder sind unzufrieden mit seiner Leistung, obwohl er noch gar nicht im Amt ist.

An einigen Stellen ging Söder vorsichtig auf Distanz zu Merz: Zur parlamentarischen Abstimmung mit der AfD äußerte sich Söder erkennbar distanziert: "Das ist eine Führungsentscheidung von Friedrich Merz. Ich habe es nicht nur akzeptiert, sondern auch unterstützt."

Die Bundestagswahl in zwei Wochen sei "nicht nur eine Abstimmung über Scholz oder März. Das ist eine Volksabstimmung über Migration über Wirtschaft".

Die nächste Bundesregierung werde "sowieso eine Dreiparteienregierung sein, weil CDU/CSU zwei Parteien sind".

Drei Szenarien

Was könnte nach dem 23. Februar passieren? Unter der – wahrscheinlichen – Voraussetzung, dass SPD und Grüne zusammen keine Mehrheit im Bundestag bekommen, und dass es auch sehr unwahrscheinlich ist, dass sie – vorausgesetzt dass die Linke und/oder BSW überhaupt in den Bundestag einziehen – mit einer dieser Parteien eine Dreierkoalition bilden, beziehungsweise dass überhaupt SPD oder Grüne eine solche Koalition anvisieren würden, sind drei Optionen am wahrscheinlichsten:

Option 1: Friedrich Merz wird Kanzler einer Zweiparteienkoalition.

Option 2: Die Union führt eine Regierung, aber nicht mit einem Kanzler Friedrich Merz.

Option 3: Weil sich keine neue Regierung bildet, führt Olaf Scholz die Bundesregierung als geschäftsführender Bundeskanzler weiter über einen längeren Zeitraum von mindestens einigen Monaten.

Die erste Option ist die wahrscheinlichste. Aber was tritt ein, wenn die Union zwar eine Regierung bilden kann, aber entweder in den Wahlen so schlecht abgeschnitten hat, dass Friedrich Merz in die innerparteiliche Diskussion gerät und zurücktritt oder ersetzt wird, zum Beispiel durch Hendrik Wüst oder Markus Söder.

Diese zweite Option könnte auch dann eintreten, wenn SPD oder Grüne einen Kanzler Merz aufgrund der jüngsten Vorgeschichte ablehnen. Dies könnte dann lange oder scheiternde Koalitionsverhandlungen und die dritte Option zur Folge haben.

Wachsende Zweifel an Friedrich Merz

Die Chancen von Olaf Scholz sind nach diesem ersten Fernsehduell gestiegen. Der Kanzler hat Sympathiepunkte gewonnen und darf weiter auf einen schweren Fehler des Unions-Kanzlerkandidaten hoffen.

In den letzten Tagen wird immer wieder erkennbar, dass es in der Union wachsende Zweifel an Friedrich Merz gibt. Am Abend nach der Schließung der Wahllokale werden sie lauter werden. Wie laut, das hängt jetzt vom Wahlergebnis ab, nicht mehr von Friedrich Merz.