The Incredible Shrinking Ground Zero

Vom ursprünglichen majestätischen Master Plan Daniel Libeskinds bleibt auch aufgrund der Finanzkrise nicht viel übrig. Bild: Port Authority of New York & New Jersey

Von den geplanten fünf Türmen sollen zwei übrigen bleiben, auch sonst sieht es für den Wiederaufbau der alten Größe düster aus

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Nach den Terroranschlägen auf die WTC-Türme und dem daraufhin ausgerufenen Globalen Krieg gegen den Terror sollte die Wunde mitten in New York in neuer Pracht und Monumentalität wieder aufgebaut werden. Man wollte den Feinden die Stirne bieten und die eigene Kraft beweisen. Man wollte eine heroische Erinnerung pflegen und erneut herausfordernde Symbole bauen.

Aber trotz des Booms an der Wall Street nach dem Dot.Com-Crash kam der Wiederaufbau – vielleicht ähnlich dem im Irak und in Afghanistan – nur schleppend voran. Der Absturz an der Wall Street durch die Finanzkrise scheint nun endgültig die großen Pläne zu besiegeln. Das trifft auch unterirdisch zu, auf den Bahnhof von Ground Zero, den Stararchitekt Santiago Calatrava 2004 vorgestellt hat und der eigentlich 2009 fertig sein sollte.

Die von Santiago Calatrava entworfene Halle für den Bahnhof. Bild: Port Authority of New York & New Jersey

20 Meter unter dem Boden sollte eine riesige Halle unter einer ebenso riesigen Glaskuppel mit zwei an Vögel erinnernde Schwingen entstehen. Das Glasdach sollte sich auch öffnen können. Damals ließ das emotionsgeschwängerte Architekturkritiker wie den der FAZ in einen allerdings kritiklosen, religiös anmutenden Begeisterungstaumel verfallen: "Ein paar Zeichenstriche genügten ihm, um die Entwicklung des Zwei-Milliarden-Dollar-Projekts vom sich emporschwingenden Vogel, einer Friedenstaube, freigelassen aus Kindeshand, zum ätherischen Spiel der Bögen und Perspektiven zu rekonstruieren. … Mythenstiftend sollen sich Verbindungskraft und industrieller Heroismus der New Yorker Brücken in einem Bahnhof, der nichts weniger als eine neue Wesenhaftigkeit anstrebt, ebenso spiegeln wie der grüne Treffpunkt und Spielplatz aller städtischen Bevölkerungsschichten, der Central Park."

Die Flügel der Freiheit sind erstarrt. Bild: Port Authority of New York & New Jersey

Achja. Aus den 2 Milliarden sind inzwischen 3,2 Milliarden geworden, ein Termin für die Fertigstellung liegt in weiter Ferne. Das ganze Konstrukt wird mittlerweile, trotz aller Umplanungen und Einsparungen durch Calavatra – die Flügel sollen jetzt starr werden -, fragwürdig, wie die New York Times schreibt, die gigantische Halle zu einem nutzlosen architektonisches Spektakel, zu einer form without function,

Das markanteste Symbol, der von Daniel Libeskind entworfene Freedom Tower soll zwar noch 1776 Fuß (541,32 Meter) hoch werden, wurde aber schon einmal bis zur Unkenntlichkeit aufgrund von Sicherheitsauflagen verändert. Dann taufte man ihn im März noch ganz bescheiden in One World Trade Center um und machte aus ihm einen plumpen Wolkenkratzer, der alles Kühne und Verspielte verloren hat. Nach Bush und mit Obama kehrt man zurück zur Banalität und zum Geschäft.

Der banalisierte Freedom Tower, der seine Höhe vor allem durch die Antenne erreicht. Bild: Skidmore, Owings & Merrill LLP

Jetzt werden im Zuge der Kreditkrise und des auch in New York einbrechenden Immobilienmarktes auch noch die weiteren Türme eingedampft, von New York Daily News als das "incredible shrinking World Trade Center" bezeichnet. Turm 5, der an der Stelle gebaut werden sollte, wo das Deutsche-Bank-Hochhaus stand, soll erst einmal überhaupt nicht mehr entstehen. Die von den britischen Stararchitekten Norman Foster und Richard Roger entworfenen Hochhäuser mit 79 bzw. 71 Stockwerken und einer Höhe von 387 bzw. 347 m werden vermutlich radikal eingeschrumpft auf Gebäude mit vier oder fünf Stockwerken und damit von "towers" in "stumps" verwandelt. Die vorgesehenen Büroflächen sollen von fast einer Million Quadratmeter auf 460.000 halbiert werden. In den nächsten 20 Jahren, so die Prognose, sei die für den ursprünglichen Entwurf angenommene Nachfrage nach Büroräumen nicht zu erwarten.

Der vom japanischen Architekten Fumihiko Maki entworfene 300 m hohe Turm 4 mit 64 Stockwerken soll weiterhin gebaut werden. Er ist der einzige, der dem Immobilienentwickler Larry Silverstein noch verbleiben dürfte, der kurz vor den Anschlägen vom 11.9. das WTC gepachtet hatte und nach der Zerstörung mit 5 Wolkenkratzern den großen Reibach machten wollte. Für Turm 4 soll er von der Hafenbehörde immerhin noch eine Milliarde Dollar für Baukosten und Mieten erhalten, aber von allen anderen Kosten Abstand nehmen.

Das Zurückfahren der hochfliegenden Pläne mit der großen Symbolik belegt wohl nicht nur die aktuelle wirtschaftliche Lage, sondern auch die Befindlichkeit der Supermacht, die sich noch einmal mit aller Monumentalität zurückmelden wollte. Die fünf auf zwei Phalli geschrumpfte Machtdemonstration ist aber vielleicht ein architektonisch deutlich gemachtes Eingeständnis der Realität – und damit durchaus auch ein Hoffnungszeichen.