Gefährlicher Trend: Psychiatrie öffnet Tür für Drogenmissbrauch

(Bild: Eva Kristin Almqvist/Shutterstock.com)
Psychedelika feiern ein Comeback in der Psychiatrie – als neue Hoffnung gegen Depressionen. Doch Experten warnen vor fatalen Folgen.
Psychedelische Substanzen – von Esketamin (einem Ketamin-Derivat) und Psilocybin (dem Wirkstoff halluzinogener Pilze) bis hin zu MDMA –, die in den 1970er Jahren in Vergessenheit geraten waren, werden heute wieder als potenzielle Therapien für schwere psychiatrische Erkrankungen angesehen.
Zugelassene psychedelische Antidepressiva
Antidepressiva auf der Basis von Esketamin wurden in Ländern wie Frankreich und den Vereinigten Staaten zugelassen, in denen auch Dextromethorphan verwendet wird. Australien ist noch einen Schritt weiter gegangen und hat MDMA und Psilocybin für die Behandlung bestimmter psychiatrischer Erkrankungen zugelassen.
Eine von Forschern der Universität Rennes durchgeführte Analyse legt jedoch nahe, dass die wissenschaftlichen Belege für diese Behandlungen schwach sind. Außerdem bergen diese Substanzen erhebliche Risiken, einschließlich Missbrauch und Anfälligkeit für den psychischen Zustand des Patienten.
Nicht neu, aber wieder im Kommen
Halluzinogene werden heute als Durchbruch bei der Behandlung schwerer psychiatrischer Störungen wie Depressionen oder posttraumatischer Belastungsstörungen angepriesen, manchmal in Kombination mit Psychotherapie.
Obwohl sie als Innovationen angepriesen werden, ist das therapeutische Potenzial von Psychedelika keine neue Entdeckung. In den 1960er und 1970er Jahren wurden diese Substanzen für den medizinischen Gebrauch erforscht, gerieten jedoch aufgrund regulatorischer Einschränkungen schnell in Ungnade.
Jetzt, im Jahr 2024, stellt sich die Frage: Sind Psychedelika wirklich wirksam bei der Behandlung psychiatrischer Störungen? Ein internationales Expertengremium – zwei Psychiater, ein Suchtexperte und drei Psychologen, unterstützt von Forschern der Universität Rennes – hat klinische Studien gesichtet, um Licht ins Dunkel zu bringen.
Herausforderungen bei der Beurteilung von Psychedelika in klinischen Studien
Psychedelika wie MDMA und Psilocybin sind in Regionen wie den USA, Europa und Australien bereits zugelassen. Die Bewertung ihrer Wirksamkeit stellt jedoch eine besondere Herausforderung dar, insbesondere im strengen Rahmen von Doppelblindstudien.
Bei herkömmlichen Medikamententests werden zwei Patientengruppen miteinander verglichen: Die eine erhält das Medikament, die andere ein Scheinmedikament (Placebo) oder eine Standardbehandlung.
Um unverzerrte Ergebnisse zu gewährleisten, wissen weder die Patienten noch die Ärzte, wer welche Behandlung erhält.
Bei Psychedelika funktioniert diese Methode nicht. Ihre offensichtlichen Wirkungen – Halluzinationen, veränderte Wahrnehmung und Dissoziation – machen es nahezu unmöglich, die "Blindheit" der Studiengruppen aufrechtzuerhalten, was die Ergebnisse verzerren kann.
Beschleunigte Zulassung gefährdet wissenschaftliche Sorgfalt
Psychedelika werden oft als letzter Ausweg für Patienten angesehen, die auf konventionelle Therapien nicht ansprechen.
Daher verlassen sich die Zulassungsbehörden häufig auf beschleunigte Zulassungsverfahren, um ihre Verfügbarkeit zu beschleunigen. Leider erfordern diese Verfahren in der Regel weniger solide wissenschaftliche Nachweise als die herkömmlichen Zulassungsverfahren – ein Trend, der Anlass zur Sorge gibt.
Einige Mängel in wissenschaftlichen Artikeln
Die Analyse identifizierte eine Reihe von Mängeln in Studien zu psychedelischen Behandlungen:
- Fehler wurden häufig gefunden, manchmal sogar in den Titeln der veröffentlichten Artikel.
- Der Nutzen von Psychedelika wurde oft übertrieben dargestellt.
- Die Studien umfassten in der Regel kleine Patientengruppen und wurden über kurze Zeiträume durchgeführt, was ihre Relevanz selbst in späten Studienphasen einschränkte.
- Die Grenzen von Doppelblindstudien mit Psychedelika wurden nicht ausreichend berücksichtigt.
Unterschätzte Risiken
Laut den Autoren des Artikels haben diese Lücken schwerwiegende Folgen: Sie behindern eine gründliche Bewertung nicht nur der Langzeitwirkungen dieser Substanzen, sondern auch der Sicherheitsrisiken, insbesondere der schwerwiegenden Nebenwirkungen, die bei Patienten während der Behandlung auftreten können.
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In der Tat bergen Halluzinogene aufgrund ihrer vielfältigen und noch wenig verstandenen Wirkmechanismen erhebliche potenzielle Risiken, die sorgfältig abgewogen werden müssen. Ihr Einsatz in der Psychotherapie birgt zusätzliche Risiken des Missbrauchs und der Nötigung, da die Verwendung von Halluzinogenen die Vulnerabilität der Patienten erhöhen kann.
Insbesondere bei Patienten, die wegen therapieresistenter Depressionen mit Esketamin behandelt wurden, wurden besorgniserregende psychiatrische Nebenwirkungen (wie Dissoziation und Suizidgedanken) berichtet.
Der chronische Konsum von Ketamin und seinen Derivaten kann auch zu Erkrankungen der Harnwege führen. Substanzen wie Psilocybin und MDMA können ebenfalls schwere kardiovaskuläre Nebenwirkungen hervorrufen, insbesondere durch ihre Metaboliten.
Empfehlungen für einen sichereren Konsum
Die Autoren der Studie betonen die Notwendigkeit strengerer Vorschriften und verbesserter klinischer Studienprotokolle.
Sie fordern die Gesundheitsbehörden auf, von beschleunigten Zulassungsverfahren Abstand zu nehmen und strengere Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass der Nutzen von Psychedelika die Risiken überwiegt.
Durch die Berücksichtigung dieser Bedenken können Forscher und Regulierungsbehörden die Patienten besser schützen, während sie das therapeutische Potenzial dieser mächtigen Substanzen erforschen.
Florian Naudet ist Psychiater und Professor für Therapie beim Centre d'Investigation Clinique der Université de Rennes (Frankreich).
Dieser Text erschien zuerst auf The Conversation auf Englisch und unterliegt einer Creative-Commons-Lizenz.