Tödliche Geburtstage

An den Geburtstagen steigt nach einer Studie die Sterbewahrscheinlichkeit deutlich an, Stress und Alkohol könnten dafür entscheidend mit verantwortlich sein

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Wissenschaftler müssen forschen. Und es gibt viel zu tun. Zumindest wenn man nach statistischen Zusammenhängen sucht. Hier ist die Auswahl unerschöpflich. Wissenschaftler der Universität Zürich wollen nun herausgefunden haben, dass die Geburtstage riskant und buchstäblich lebensgefährlich sind.

In den siebziger Jahren wurde erstmals die Theorie erstellt, dass berühmte Menschen ihren Tod aufschieben können und häufiger erst sterben, wenn ihr Geburtstag vorüber ist. Das ließ sich zwar nicht belegen, aber die Meinung ist auch sonst weit verbreitet, dass Menschen in der Lage seien, das Sterben zu verzögern, um noch ihren Geburtstag oder ein anderes wichtiges Ereignis zu erleben.

Und dann gibt es auch noch die Theorie der Jahrestagsreaktion. Wenn sich ein Jahrestag beispielsweise für ein traumatisierendes Ereignis wiederholt, so die Annahme, dann würden die davon Betroffenen dieses wieder durchleben müssen, Ängste erleben oder aggressiv. Kinder sollen so auch am wiederkehrenden Todestag eines Elternteils entsprechende Reaktionen zeigen. Aber es soll nicht nur trübselige Jahrestage geben, sondern auch freudige. So könnte der Geburtstag als "lifeline" oder als Sterbeverschieber fungieren, aber eben auch als "deadline", als ein Tag, der vermehrt zu Sterbefällen führt. Für beide Thesen gibt es Untersuchungen. Eine US-Studie aus dem Jahr 1992, die den Todestag von mehr als 2,7 Millionen Menschen untersuchte, kam beispielsweise zu dem Ergebnis, dass Männer eher kurz vor dem Geburtstag sterben sollen, während die Sterberate von Frauen vor dem Geburtstag zurückgeht und in der Woche nach diesem einen Peak erreicht.

Die Schweizer Forscher haben es also erneut unternommen, einen Zusammenhang zwischen dem Geburtstag und dem Todestag zu suchen. Für ihre Studie, die in den Annals of Epidemiology erschienen ist, wurden die Daten aus der Schweizerischen Mortalitätsstatistik zwischen 1969 und 2008 ausgewertet. Kleinkinder, die vor dem ersten Jahr gestorben sind, blieben außen vor. Aus den Sterbedaten von mehr als 2 Millionen Personen wurden dann Zeitreihen der Todeshäufigkeit auf der Grundlage der Unterschiede zwischen den Sterbe- und Geburtstagen gebildet. Das Ergebnis: Geburtstage sind offenbar gefährlich, die Wahrscheinlichkeit, an diesem Tag zu sterben, ist um 13,8 Prozent höher als an jedem beliebigen anderen Tag.

Todesursachen sind vor allem Herzinfarkte und Gehirnschläge. An Geburtstagen treten tödliche Herzinfarkte 18,6 Prozent häufiger auf, bei Frauen ist das Risiko, an einem tödlichen Gehirnschlag zu sterben, sogar um 21,5 Prozent höher. Selbst die Wahrscheinlichkeit, an einem Krebs zu sterben, geht um 10 Prozent nach oben, dafür geht hier in der Woche nach dem Geburtstagtag die Sterbehäufigkeit leicht zurück. Männer laufen an Geburtstagen ein deutlich erhöhtes Risiko, auch an nicht krankheitsbedingten Ursachen zu sterben. Die Wahrscheinlichkeit, sich selbst umzubringen, liegt am Geburtstag um 35 Prozent höher, tödliche Stürze gibt es 29 Prozent häufiger. Die Wissenschaftler vermuten, dass der Grund dafür in einem erhöhten Alkoholkonsum liegt. Schon kurz vor dem Geburtstag steigt bei Männern die Zahl der tödlichen Unfälle. Ansonsten sei für ältere Menschen der Stress an Geburtstagen wahrscheinlich höher, was das Sterberisiko in die Höhe treibe.

Aufschiebende Wirkung scheint ein Geburtstag nach der Studie jedenfalls nicht zu haben. Die Wissenschaftler sprechen hingegen davon, dass sie zu mehr Sterbefällen als erwartet zu führen scheinen. Besser also, man vergisst seinen Geburtstag, wobei einem Alzheimer helfen könnte, oder feiert ihn nicht und hält auch die Angehörigen und Freunde davon ab, ihn zu begehen. Ob das etwas hilft, lässt die Studie freilich offen.