Trump will Ukraine-Krieg beenden – auf Kosten Europas?
Donald Trump kündigt einen schnellen Frieden in der Ukraine an. Der designierte US-Präsident steht ab Januar in der Verantwortung. Was plant er wirklich?
Nur 24 Stunden bräuchte er, Donald Trump, um nach seiner Wahl zum 47. Präsidenten der Vereinigten Staaten den Krieg in der Ukraine zu beenden. Nun steht Donald Trump als Sieger im Rennen um das Weiße Haus fest.
Ab Januar wird Donald Trump als Präsident für die Ukraine-Politik der USA verantwortlich sein. Wie könnte diese aussehen und welche Auswirkungen könnte das auf den Krieg haben?
Das US-Mediennetzwerk The Conversation geht beispielsweise davon aus, dass Donald Trump versuchen könnte, ein Abkommen zwischen Kiew und Moskau zu erzwingen, das zumindest einen Waffenstillstand entlang der aktuellen Frontlinien beinhaltet.
Dies könnte eine dauerhafte Lösung umfassen, die Russlands territoriale Gewinne anerkennt, einschließlich der Annexion der Krim im Jahr 2014 und der seit der Invasion im Jahr 2022 besetzten Gebiete.
Es ist auch wahrscheinlich, dass Trump die Forderungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin akzeptieren würde, um eine zukünftige Nato-Mitgliedschaft der Ukraine zu verhindern. Angesichts von Trumps bekannter Feindseligkeit gegenüber der Nato würde dies auch Kiews europäische Verbündete unter Druck setzen. Trump könnte erneut mit dem Austritt aus dem Bündnis drohen, um die Europäer zu einem Deal mit Putin über die Ukraine zu bewegen.
Auch CNN geht von einer dramatischen Reduzierung der US-Unterstützung für die Ukraine aus:
Während seines gesamten Wahlkampfes hat der designierte republikanische Präsident und sein Kandidat J.D. Vance starke Zweifel an einem weiteren Engagement der USA in Kiew geäußert, da der Krieg mehr als zweieinhalb Jahre nach dem Einmarsch der russischen Streitkräfte andauert. Ferner hat Trump Äußerungen gemacht, die darauf hindeuten, dass die USA die Ukraine zu einem für sie ungünstigen Waffenstillstand mit Russland drängen könnten.
Die New York Times sieht dagegen einen sicheren, aber in der Richtung noch unklaren Politikwechsel gegenüber der Ukraine.
Bekanntlich hat sich Trump in der Vergangenheit mehrfach skeptisch gegenüber der Nato geäußert, 2020 erklärte er gegenüber der Europäischen Kommission, die Nato sei tot und die USA würden Europa nicht verteidigen, wie der britische Guardian noch im Januar berichtete.
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Trotz Kritik an der Nato hielt Trump in seiner ersten Amtszeit an dem Bündnis fest. Vor allem die wiederholte Forderung nach einer Erhöhung der europäischen Militärausgaben blieb ein zentrales Element seiner Nato-Politik.
In Polen plante er eine deutliche Erhöhung der US-Präsenz und tatsächlich wurden bis zum Ende seiner Amtszeit rund 500 Soldaten nach Polen verlegt, die vollständige Umsetzung der angekündigten US-Truppenverstärkung erfolgte dann aber erst unter der Biden-Administration in den Folgejahren. Heute befinden sich etwa 10.000 US-Soldaten in Polen.
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Seine Haltung gegenüber Russland war in seiner ersten Amtszeit widersprüchlich: Einerseits demonstrierte er ein freundschaftliches Verhältnis zu Präsident Wladimir Putin, andererseits war seine Politik gegenüber Russland von Härte und nicht von Entspannung geprägt. So hielt er die Sanktionen gegen Russland nicht nur aufrecht, sondern weitete sie sogar aus.
Trump war ein entschiedener Gegner der Pipeline Nord Stream 2 und setzte auch die am Bau beteiligten Unternehmen auf eine Sanktionsliste.
US-Beziehungen zu Russland belastet
Die Beziehungen zu Russland wurden 2019 durch seine einseitige Aufkündigung des INF-Vertrags zur Begrenzung nuklearer Mittelstreckenraketen massiv belastet.
Die erste Amtszeit Trumps steht auch für eine deutliche Erhöhung des Militärbudgets: So betrug das US-Militärbudget im Haushaltsjahr 2017, dem letzten Jahr unter Obama, 606 Milliarden US-Dollar. Unter Trump stieg das Budget dann kontinuierlich an und erreichte 2021, dem letzten Haushaltsjahr unter Trump, 703 Milliarden US-Dollar.
Kontrast zu scheinbarer Nato-Kritik
Das entspricht einer Steigerung von mehr als 15 Prozent. Dies ist Teil seiner "America First"-Doktrin und steht im Kontrast zu seiner scheinbar kritischen Haltung gegenüber der Nato.
Trotz der verbalen Kakofonie war die erste Amtszeit Trumps von Kontinuität in der US-Außenpolitik geprägt. Trumps "America First"-Ideologie lässt sich gut mit der jahrzehntealten US-Militärdoktrin der "Full Spectrum Dominance" übersetzen, der bis heute gültigen Vorstellung, dass die USA die dominierende Macht auf jedem potenziellen militärischen Schauplatz der Welt sein sollten. Die signifikante Erhöhung des Militärbudgets unter der Regierung Trump 1 kann diese Vision untermauern.
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Eine Regierung Trump 2 wird daher keineswegs das Ende der Nato bedeuten. Aber Europa wird sich mit der wiederholten Forderung konfrontiert sehen, seine Militärbudgets zu erhöhen, um weitere US-Militäreinsätze in der Welt flankieren zu können. Denn für die USA ist die Nato nicht in erster Linie ein Verteidigungsbündnis, sondern das wichtigste von ihnen dominierte Vehikel zur globalen Machtprojektion.
Der Krieg in der Ukraine verläuft für die USA derzeit ungünstig. Sollte die Ukraine trotz massiver US-Waffenlieferungen auch an relativ modernem Kriegsgerät verlieren, könnte sich dies für den Anspruch der USA auf globale Full Spectrum Dominance, Trumps "America first", als äußerst nachteilig erweisen, Einflusssphären könnten an aufstrebende Machtblöcke abgetreten werden müssen, mit dem damit verbundenen Verlust des Zugangs zu Ressourcen.
Wahrscheinlich: Europäisierung des Ukraine-Krieges
Vor diesem Hintergrund ist es unwahrscheinlich, dass Trump ein Ende der Kampfhandlungen in der Ukraine anstrebt, was die USA schwach erscheinen lassen würde.
Stattdessen könnte der neue Präsident Trump versuchen, den Krieg weiter zu europäisieren, das finanzielle Engagement der USA zu reduzieren und den Krieg in der Ukraine als Exportchance für US-Rüstungsprodukte zu nutzen.
Dieses größere strategische Bild fügt sich gut in die Theorie des französischen Historikers Emmanuel Todd ein. Seiner Ansicht nach geht es bei dem Krieg in der Ukraine vorwiegend darum, Deutschland zu schwächen:
Die Finanzkrise von 2008 hat deutlich gemacht, dass Deutschland mit der Wiedervereinigung zur europäischen Führungsmacht und damit auch zum Rivalen der USA geworden ist. Bis 1989 war es ein politischer Zwerg. Nun zeigte sich Berlin bereit, sich mit den Russen zu arrangieren. Der Kampf gegen diese Annäherung wurde zu einer Priorität der amerikanischen Strategie. Die USA hatten immer deutlich gemacht, dass sie den Gasvertrag torpedieren wollten. Die Expansion der Nato in Osteuropa richtete sich nicht in erster Linie gegen Russland, sondern gegen Deutschland. Deutschland, das seine Sicherheit Amerika anvertraut hatte, wurde zur Zielscheibe der Amerikaner. Ich habe großes Mitgefühl mit Deutschland. Es leidet unter diesem Trauma des Verrats durch den schützenden Freund, der 1945 auch ein Befreier war.