Trumps Chaostour

Seite 2: Die bösen, bösen Deutschen

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In der Bundesrepublik sorgten aber vor allem die handelspolitischen Forderungen Trumps für Unruhe und regelrechte Empörung. Dieser hatte bei einem Treffen mit EU-Politikern offen die extremen deutschen Handelsüberschüsse kritisiert. Je nach Übersetzung habe Trump die deutsche Politik als "böse" oder als "schlecht" bezeichnet. Der US-Präsident griff laut Spiegel vor allem die deutsche Autoindustrie an: "Schauen Sie sich die Millionen von Autos an, die sie in den USA verkaufen. Fürchterlich. Wir werden das stoppen."

Damit verschärft Trump die bereits geäußerte Kritik am deutschen Wirtschaftsmodell, das vermittels Exportüberschüssen auch Schulden und Arbeitslosigkeit exportiert. Deutschlands Überschüsse stellen logischerweise die Defizite der entsprechenden Importländer deutscher Waren dar - dies hat selbst ein Trump begreifen können. Die jahrelang an dem deutschen Neo-Merkantilismus im Ausland zivilisiert formulierte Kritik, etwa von Paul Krugman, wurde hierzulande jahrelang schlicht ignoriert.

Dies ist nun aber im Falle eines ins Weiße Haus gewählten Rechtspopulisten nicht mehr möglich. Berlin wird sich den Folgen der extremen Exportausrichtung der deutschen Volkswirtschaft nun stellen müssen - mit einem unberechenbaren, nationalistischen Verhandlungspartner, dessen Ansichten dem deutschen Wirtschaftsnationalismus in nichts nachstehen. Es stellt sich überdies die Frage, was eigentlich erschreckender ist - ein intellektuell und emotional offensichtlich total überforderter Rechtspopulist als US-Präsident oder eine bundesdeutsche Öffentlichkeit samt ihrer Ökonomenzunft, die es immer noch schafft, die Folgen der deutschen Beggar-thy-Neighbour-Politik zu ignorieren oder rundweg zu leugnen?

In Berlin ist man es nicht mehr gewohnt, dass die extreme deutsche Exportausrichtung überhaupt noch kritisiert wird. Denn tatsächlich bilden Trumps Forderungen nach einer protektionistischen Wende in der Handelspolitik für Berlin den Super-Gau. Die Handelsüberschüsse stellen den mit Abstand wichtigsten konjunkturellen Motor der Bundesrepublik dar. Nur dank des Exports von Warenüberschüssen wird in der Deutschland AG noch die Illusion aufrecht gehalten, die allgegenwärtige Krise sei ein Problem des Auslands. Ohne Handelsüberschüsse könnte das deutsche "Wirtschaftswunder" zusammenbrechen.

Angesichts dieser nun anstehenden handelspolitischen Auseinandersetzungen mit den USA, bei denen es für die Deutschland AG um alles geht, scheinen in einigen Nachrichtenredaktionen - wo man sich an den herrischen Kommandoton gegenüber europäischen Pleitestaaten wie Griechenland längst gewöhnt hat - die ersten Sicherungen durchzubrennen.

Spiegel Online (SPON) etwa forderte jüngst den Regime Change in Washington - in einem eigens ins Englische übersetzten Artikel. Donald Trump sei "eine Gefahr für die Welt", er müsse "aus dem Weißen Haus entfernt" werden, bevor "alles noch viel schlimmer" komme, drohte SPON. Der US-Präsident hat seine Probleme mit der Geographie hinreichend unter Beweis gestellt. Doch beim Spiegel scheint ein weitaus größerer Fachkräftemangel zu herrschen. Washington ist nicht Athen, Trump kann nicht wie Tsipras behandelt werden.

In Berlin wehrt man sich gegen alle ernsthaften Vorstöße, die zu einem Abbau der Handelsüberschüsse der Bundesrepublik führen könnten. Dies wird zumeist als eine böswillige Verminderung der internationalen Konkurrenzfähigkeit Deutschlands interpretiert. Zuletzt hat der neu gewählte französische Präsident Macron für eine Wende in der exportorientierten deutschen Wirtschaftspolitik plädiert. Durch nachhaltige Steigerungen des Lohnniveaus, größere Investitionen und nennenswerte zusätzliche Sozialabgaben in Deutschland sollten Macron zufolge die deutschen Überschüsse abgebaut werden. Die ersten Reaktionen in Berlin darauf waren von Skepsis geprägt.

Trump hingegen begnügte sich nicht mit freundlichen Appellen. Schon im Vorfeld des G7-Gipfels, der im Anschluss an die denkwürdigen Brüsseler Auftritte Trumps im italienischen Taormina stattfand, kündigten seine Berater einen sehr harten Verhandlungskurs an: "Wir werden eine sehr kontroverse Debatte über den Handel haben und wir werden darüber reden, was frei und offen bedeutet", sagte Trumps Wirtschaftsberater Gary Cohn.

Dabei sitzt der US-Präsident bei diesem drohenden Handelskrieg mit Berlin eindeutig am längeren Hebel, da bei einer entsprechenden Eskalation mit wechselseitigen protektionistischen Maßnahmen immer diejenige Seite stärker in Mitleidenschaft gezogen wird, die die stärkeren Handelsüberschüsse aufweist. Die Zahlen sind hier eindeutig. Laut dem Statistischen Amt der USA wies die Bundesrepublik in den vergangenen fünf Jahren Handelsüberschüsse von 60 bis 74 Milliarden US-Dollar gegenüber den Vereinigten Staaten auf. Die Überschüsse sind, trotz eines geringen Rückgangs im vergangenen Jahr, immer noch auf einem historisch sehr hohen Niveau, da die Exportüberschüsse der Bundesrepublik selbst kurz vor dem Ausbruch der Schuldenkrise 2008, als die USA sich einem schuldenfinanzierten Bau- und Konsumrausch hingaben, niemals die 50 Milliarden überschritten.