Trumps Chaostour

Seite 3: Trump ist der Totengräber der geopolitischen Nachkriegsordnung

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

An Streitthemen herrscht an diesem Wochenende in Taormina somit wahrlich kein Mangel. Neben der bisherigen Handelsordnung stellte Trump nebenbei am ersten Gipfeltag auch noch einen mühsam ausgehandelten Flüchtlingsplan und das Klimaabkommen infrage.

Die von Dilettantismus, gewöhnlicher Dummheit und primitiven Nationalismus geprägten Aufritte des US-Präsidenten verdecken durch ihre unfreiwillige Komik aber die grundlegenden Triebkräfte, die das Phänomen Trump hervorbrachten: Trump ist ein Symptom für den krisenbedingt drohenden Zusammenbruch des Westens als global dominanter wirtschaftlicher und geopolitischer Kraft. Der zunehmende Nationalismus, die eskalierenden Partikularinteressen und die wirtschaftlichen und geopolitischen Zentrifugalkräfte bedrohen die transnationalen Bündnissysteme und Institutionen, die der Westen hervorbrachte - und die wie etwa die Nato, IWF und die EU Garanten seiner globalen Hegemonie waren.

Trump, angetreten, die USA "wieder groß zu machen", wandelt sich binnen weniger Monate zum Totengräber der geopolitischen Nachkriegsordnung. Ein ganzes Bündnissystem, ja ein Gesellschaftssystem scheint vor unser aller Augen in Auflösung überzugehen. Es ließen sich hier eventuell Parallelen zur Endphase der Sowjetunion ziehen. Der sowjetische Staatssozialismus brach endgültig zusammen, als Russland aus der Sowjetunion austrat. Etwas Ähnliches scheint sich auch jetzt zu vollziehen, da die USA das Bündnissystem zunehmend offen infrage stellen, das sie selber in den Jahrzehnten ihrer unangefochtenen Hegemonie prägten.

Die eskalierenden Interessengegensätze können aber nicht nur den Westen als ein Bündnissystem sprengen, sondern auch der historischen Ära der kapitalistischen Globalisierung ein Ende setzen. Dies wiederum würde an die Ära des Vorfaschismus in den frühen 30er Jahren des 20. Jahrhunderts erinnern, als im Gefolge der Weltwirtschaftskrise von 1929 Nationalismus, Chauvinismus und Protektionismus ungeheuren Auftrieb erhielten.