Türkei-Israel-Handel: Wenn Palästina draufsteht, ist Israel drin

Demonstranten mit türkischen und palästinensischen Fahnen

Pro-palästinische Demonstration in Istanbul. Foto: orhan yunus, shutterstock

Türkei verurteilt Israel öffentlich scharf. Offiziell exportiert sie nur noch nach Palästina, nicht nach Israel. Investigative Recherchen zeigen: Das ist ein Etikettenschwindel.

Inmitten politischer Spannungen zwischen der Türkei und Israel, die natürlich vor allem durch den Konflikt in Gaza ausgelöst wurden, gibt es bemerkenswerte Enthüllungen bezüglich des weiterhin bestehenden Handels zwischen den beiden Ländern.

So weist etwa der Wilson Center in einer Analyse darauf hin, dass die türkische Regierung unter Präsident Recep Tayyip Erdoğan öffentlich eine harte Linie gegen Israel vertritt, im Hintergrund jedoch ganz andere Interessen vorherrschen.

Laut Angaben der BBC hatte die Türkei zwar angekündigt, den Handel mit Israel aufgrund der Geschehnisse in Gaza auszusetzen. Investigativjournalist Metin Cihan und andere deckten jedoch auf, dass der Handel zwischen den beiden Nationen bei weitem nicht vollständig eingestellt wurde.

Türkische Waren für Israel nach Palästina deklariert

Besonders peinlich: Berichten des Nachrichtenportals Sendika.org zufolge setzte sogar Erdoğans Sohn Ahmet Burak den Handel mit Israel nach dem 7. Oktober fort. Bemerkenswert ist auch, dass türkische Waren Israel nun oft unter dem Vorwand erreichen, sie seien für Palästina bestimmt.

Diese Enthüllung ist für diejenigen, die mit Ankara vertraut sind, zwar keine Überraschung. Sie zeigt aber, dass tagespolitische Notwendigkeiten auch in der Türkei so gehandhabt werden, dass die wirtschaftlichen Schäden begrenzt werden können.

Die Türkei, die angesichts der schon länger andauernden wirtschaftlichen Schwierigkeiten vor erheblichen innenpolitischer Herausforderungen steht, ist offensichtlich bestrebt, die ökonomischen Beziehungen zu Israel aufrechtzuerhalten, ohne dabei ihr öffentliches Ansehen allzu sehr zu beschädigen.

Auch anti-israelische Demos streng überwacht

Vergleichbares lässt sich auch angesichts der Verläufe von Protesten konstatieren, die die öffentliche Empörung gegen Israel in der Türkei widerspiegeln. Die türkische Regierung hat Demonstrationen zwar zugelassen, jedoch streng überwacht, wie aus Berichten der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu Ajansı hervorgeht.

Unabhängige Protestaktionen, die sich außerhalb des von der Regierung organisierten Rahmens bewegten, wurden von den Behörden unterbunden, und es kam zu Festnahmen. Dies deutet darauf hin, dass Ankara die Proteste eher als Mittel zur Imagepflege auf internationaler Bühne denn als echte Opposition gegen Israel einstuft.

Die wirtschaftlichen Hintergründe

Nach dem 7. Oktober 2023 schrumpfte der Handel zwischen Israel und der Türkei bis März 2024 um etwa ein Drittel.

Doch erst als Israel im April 2024 türkischen Frachtflugzeugen verbot, humanitäre Lieferungen nach Gaza zu bringen, reagierte die Türkei mit Exportbeschränkungen für 54 Produkte, darunter Aluminium, Stahl und Düsentreibstoff. Im Gegenzug beschränkte Israel die Einfuhr bestimmter türkischer Produkte.

Am 2. Mai 2024 verkündete die Türkei schließlich einen kompletten Stopp des Handels mit Israel, einschließlich Importen und der Durchfuhr von Waren durch die Türkei. Dieser Schritt war der öffentlichen Empörung in der Türkei und der Besorgnis über die humanitäre Lage in Gaza geschuldet. Doch ist dieses vermeintliche Handelsembargo löchrig, und das wird von der Wirtschaftsseite auch offen so kommuniziert.

"Das Handelsministerium und der Zoll sind keine Detektive ..."

"Das Handelsministerium und der Zoll sind keine Detektive, die den Bestimmungsort ermitteln können", äußerte etwa ein Unternehmer gegenüber dem Middle East Report auf die Frage, warum die Ausfuhren nach Palästina plötzlich so rasant steigen. Für die Türkei gehe es in erster Linie darum, auf der internationalen Bühne gegen Israel Stellung zu beziehen, und das tue sie immer noch und nach wie vor auch erfolgreich.

Selbstverständlich hat Ankara auch Forderungen ignoriert, die den Öllieferstopp über die Baku-Tbilisi-Ceyhan-Pipeline von Aserbaidschan durch die Türkei betreffen. Ein solcher Schritt hätte auch weitreichende Konsequenzen, denn diese Pipeline gehört BP.

Dennoch: Die Doppelmoral zwischen offizieller Rhetorik und tatsächlichem Handeln belastet die Glaubwürdigkeit der türkischen Politik und zeigt, wie wirtschaftliche Überlegungen die politische Positionierung im In- und Ausland Ankaras konterkarieren.