US-Regierung will Citigroup retten

Mit einer Verstaatlichung soll die einst weltweit größte Bank vor der Pleite bewahrt werden, die Demokratische Partei bastelt an einem Rettungspaket von bis zu 700 Milliarden Dollar

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Schon im Januar wurde über eine Pleite der Citigroup spekuliert. Nun ist der Lehman-Fall eingetreten. Mit 326 Milliarden US-Dollar aus der Staatskasse soll die Pleite abgewendet werden. Für 20 Milliarden kauft Washington Vorzugsaktien der Bank und verstaatlicht sie praktisch. Ihre Aktien haben im Laufe des Jahres fast 90 % an Wert verloren. Doch damit sind die Probleme nicht beseitigt, denn General Motors könnte ebenfalls Insolvenz anmelden. Während die Bundesregierung die Bevölkerung auf ein schlimmes kommendes Jahr einschwört, basteln die Demokraten in den USA an einem Konjunkturpaket in einer Höhe von bis zu 700 Milliarden Dollar.

Noch vor zwei Jahren hatte die Citigroup einen Börsenwert von mehr als 250 Milliarden Dollar und war damit die größte Bank der Welt. Doch seit dem Ausbruch der Finanzkrise tauchte das Institut immer wieder mit Milliardenverlusten in den Schlagzeilen auf (US-Hypothekenkrise schlägt wieder zu). Schon jetzt ist die Bank nicht einmal mehr die 25 Milliarden Dollar wert, welche die US-Regierung ihr schon im Oktober über ihr Bankenrettungspaket gewährt hatte.

Wie erwartet haben derlei Hilfen der Bank genauso wenig geholfen, wie die massiven Sparpläne, die sie in der letzten Zeit aufgelegt hat. Die Citigroup Link auf /tp/blogs/8/118999 an, insgesamt 75.000 Stellen zu streichen. Weltweit arbeiten bei der Bank etwa 375.000 Menschen. Vom Management wurden in der vergangenen Woche alle Optionen geprüft: Darunter befanden sich die eigene Zerschlagung durch Verkauf von Teilen des Instituts, aber auch die Flucht in die rettenden Arme einer kleineren Bank, die zuvor schon andere große Finanzinstitute angetreten haben (Erneuter Börsenabsturz und neue Milliardenspritzen).

Doch in der Nacht zum Montag gab nun die US-Regierung nach Verhandlungen bekannt, dass sie für 20 Milliarden Dollar Vorzugsaktien der Citigroup kauft und damit die Bank praktisch verstaatlicht. Besonders sticht eine Formulierung des Finanzministeriums hervor, wonach die "Aktien auf Dauer" gehalten werden sollen. Das ist neu, denn bisher wurde stets behauptet, schnell wieder aus den verstaatlichten Banken aussteigen zu wollen.

Man werde die Bank vor "außergewöhnlich hohen Verlusten" schützen, hieß es aus Washington. Die Einlagensicherungsbehörde FDIC wird für Anlagen von bis zu 306 Milliarden Dollar bürgen. Die Notenbank FED stehe sogar bereit, alle weiteren Risiken im Anlagebereich über Kredite ohne Regressforderungen zu übernehmen. Dafür erhalte der Staat Vorzugsaktien im Gesamtwert von 27 Milliarden Dollar. Auch die neuen 20 Milliarden stammen aus dem 700 Milliarden-Rettungspaket, weshalb die Citigroup nun insgesamt 45 Milliarden aus dem Fonds erhält. Sie gehörte zu den ersten neun Banken, die Geld aus dem Hilfsprogramm erhielten. Bei ihr zeigt sich erneut, dass die Tatsache, andere Banken übernehmen zu wollen, nichts über die eigene Situation aussagt. Erst Anfang dieses Monats hatte die Citigroup das Bieterduell um die angeschlagene Wachovia-Bank verloren. Die ging für 10 Milliarden Dollar an Wells Fargo.

Demokraten planen Konjunkturprogramm mit Hunderten von Milliarden Dollar

Die Anforderungen zur Rettung angeschlagener Banken und Unternehmen und die genannten Summen werden immer größer und die Palette derer, die Hilfe wollen, immer breiter. Da sind vor allem die großen Automobilkonzerne zu nennen. Ford, Chrysler und General Motors (GM) schreiben Milliardenverluste. Allerdings sind sie zunächst in mit ihrer Forderung nach Staatskrediten in einer Höhe von 25 Milliarden Dollar abgeblitzt. Zwar reisten die Konzernchef wenig bescheiden im Privatjet nach Washington, hatten ihre Hausaufgaben aber nicht gemacht. Außer der Drohung, es stünden rund zwei Millionen Arbeitsplätze auf dem Spiel, konnten sie keinerlei Sanierungskonzepte vorlegen. Bis zum 2. Dezember sollen sie nun Pläne vorlegen, wie die Hilfe verwendet werden soll.

Als Pleitekandidat wird vor allem GM gehandelt. So berichtete das Wall Street Journal am Samstag unter Berufung auf Insider, das Management des einst größten Autokonzerns prüfe derzeit alle Optionen, darunter auch eine Insolvenz mit Gläubigerschutz nach US-Recht. Ein solcher Gläubigerschutz erlaubt den Unternehmen nach Kapitel 11 den Versuch, sich ohne unmittelbaren Zahlungsdruck zu sanieren. Diesen Weg hatte auch die abgestürzte Investmentbank Lehman Brothers versucht. Offiziell schließt das Mutterunternehmen von Opel diese Möglichkeit aus. Das Vertrauen der Kunden würde weiter fallen und somit würde sich die Notlage weiter verschärfen, argumentiert die Konzernleitung.

Neben den Hilfen für Banken und Unternehmen will die neue Regierung unter Barack Obama zudem ein Konjunkturprogramm auflegen. Hatte Obama im Wahlkampf von einer Summe in einer Höhe von 175 Milliarden Dollar gesprochen, werden nun bei den Demokraten ganz andere Summen gehandelt.

Der einflussreiche Senator Charles Schumer aus New York hat nun die Zahl von 700 Milliarden Dollar in den Raum gestellt. Auch die Sprecherin der Demokraten im Kongress, Nancy Pelosi erklärt, es "bedarf mehrere hundert Milliarden Dollar". Mit den staatlichen Investitionen sollen bis 2011 in den USA 2,5 Millionen Arbeitsplätze geschaffen werden. Obama sprach dabei vor allem von der Erneuerung der Infrastruktur, der Modernisierung von Schulen und der Nutzung alternativer Energien. Doch kann angesichts der genannten Summen davon ausgegangen werden, dass auch Geld für die Autobauer eingeplant wird.

Düstere Aussichten in Deutschland

In Deutschland stimmt die Regierung die Bevölkerung trotz ihres Konjunkturpakets auf ein schlechtes Jahr 2009 ein. Offenbar glaubt man in Berlin selbst nicht an die eigene Propaganda, man könne damit in den kommenden zwei Jahren Investitionen in einer Höhe von 50 Milliarden Euro anstoßen und eine Million Jobs retten. "Wir müssen damit rechnen, dass das kommende Jahr, zumindest in den ersten Monaten, ein Jahr schlechter Nachrichten wird", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

In das gleiche Horn bläst auch Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, der seinerseits die Genossen der SPD auf Verzicht einzustimmen versucht. "Wir sind in einer Rezession, und es liegt ein schweres Jahr 2009 vor uns", sagte er im Interview. Positive Prognosen, wie man sie noch kürzlich von Steinbrück gehört hat, gehören damit der Vergangenheit an. Niemand könne sagen, wann die schlimmsten Auswirkungen der weltweiten Finanz und Wirtschaftskrise überstanden seien, erklärte er nun angesichts der Möglichkeit, dass sogar eine Depression droht (Neuer Börsensturz und die Angst vor der Deflation).

Steinbrück erklärte, niemand hätte die Lage vorhersehen können, obwohl Experten schon vor Jahren genau vor dem nun ablaufenden Szenario warnten. Doch Steinbrück gefiel sich noch vor kurzem in der Rolle des deutschen Lehrmeisters: "Die Finanzmarktkrise ist vor allem ein amerikanisches Problem", Link auf /tp/blogs/8/116482 er im Parlament. Deutschland sei weit weniger von der Krise betroffen als die USA. Doch Steuererleichterungen, wie sie in Großbritannien Link auf /blogs/8/119299 sind, lehnt Steinbrück ab. Noch.

Statt einem Schrumpfen der Wirtschaftsleistung, welche die Bundesregierung noch mit 0,2 für 2009 angibt, wird allgemein im kommenden Jahr mit dem größten Einbruch in der Geschichte der Bundesrepublik gerechnet. Nach einer Umfrage der Financial Times Deutschland rechnen führende Ökonomen, dass die Wirtschaftsleistung 2009 um etwa 1 % schrumpfen wird. Von einem derart starken Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) habe auch Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) im Haushaltsausschuss des Bundestags nach übereinstimmenden Angaben von Teilnehmern gesprochen.

Nach Umfragen unter Einkaufsmanagern dürfte die deutsche Industrie in Kürze auch massiv Personal abbauen. Da der bisher stärkste Rückgang der Wirtschaftsleistung mit 0,9 % im Jahr 1975 (Ölkrise) gelegen hatte, ist Deutschland von der stärksten Rezession seit 1949 konfrontiert. Sowohl 1975, aber auch 1982, als die Wirtschaftsleistung um 0,8 % fiel, schnellte die Arbeitslosigkeit viel stärker nach oben, als es bisher von der Bundesregierung prognostiziert wird.