US-Sanktionen wirken sich merkbar auf Halbleitermarkt in China aus
Hochleistungschips sollen nicht mehr nach Beijing gelangen. Taiwan gerät zwischen Fronten. Das zeigt auch ein Interview des "Godfathers der AI" in Taipeh.
Unternehmen, die auf die Herstellung künstlicher Intelligenz spezialisiert sind, stellen sich auf die verschärften Exportkontrollen der USA im Halbleiterbereich ein.
Die in Shanghai ansässigen Grafikprozessor-Designer MetaX und Enflame reichten bei der Taiwan Semiconductor Manufacturing Co (TSMC) Ende 2023 herabgestufte Chipdesigns ein, um die US-amerikanischen Exportanforderungen zu erfüllen. Dies berichteten die Nachrichtenagentur Reuters und asiatische Medien.
MetaX hatte einen Grafikprozessor mit der Bezeichnung C280 für die Produktion bei TSMC entwickelt, nachdem die weiterentwickelten C500-Chips Anfang des Jahres nicht mehr verfügbar waren. TSMC betonte gegenüber Reuters, dass es die Zusammenarbeit mit Kunden so gestaltet, dass bestehende Gesetze nicht verletzt werden; gemeint waren offenbar die US-Sanktionen.
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Obwohl MetaX die Basistests für die C500-Chips am 13. Juni des Vorjahres abgeschlossen hatte und eine Massenproduktion für Ende 2020 geplant war, ist unklar, ob diese jemals gestartet wurde. Ein möglicher Grund für die Unterbrechung der Pläne könnte auch hier die US-Sanktionsgesetzgebung sein.
Am 17. Oktober letzten Jahres hatte das US-Handelsministerium neue Regeln veröffentlicht, die den Versand von Chips mit einer Gesamtleistung von 4.800 oder mehr oder einer Leistungsdichte von 5,92 oder mehr nach China verbieten.
Diese Chips gelangen nicht mehr nach China
Diese Regelungen verhinderten die Lieferung von Nvidias A800 und H800 Chips nach China. Der C500-Chip von MetaX, dessen Leistung zwischen dem A100 und dem A800 liegt, wäre ebenfalls betroffen.
Als Alternative könnte MetaX die auf Halbleiterfertigung spezialisierte Semiconductor Manufacturing International Corp (SMIC) in Shanghai beauftragen. Doch SMIC hat den Großteil seiner Produktionskapazitäten für 7-Nanometer-Chips bereits an Huawei Technologies vergeben.
Prüfung von Exportkontrollen
Nach Inkrafttreten der verschärften US-Exportkontrollen plante Nvidia, drei KI-Chips – H20, L20 und L2 – auf den chinesischen Markt zu bringen. Die Markteinführung wurde jedoch auf einen unbestimmten Zeitpunkt in diesem Jahr verschoben, da das kalifornische Unternehmen zunächst prüfen wollte, ob die Chips den US-Exportkontrollen entsprechen.
Im März begann Nvidia mit Vorbestellungen für seine H20-Chips, von denen Alibaba angeblich mehr als 30.000 Stück bestellt hat. Vergangenen Monat wurden H20-Chips in China mit einem Rabatt von mehr als zehn Prozent im Vergleich zu Huaweis Ascend 910B angeboten. Offenbar gab es ein Überangebot auf dem Markt.
Ungleiche Performance, fast gleiche Kosten
Anfang Juni hieß es in einem chinesischen Bericht, ein Server mit acht H20-Chips koste derzeit zwischen 1,1 und 1,3 Millionen Yuan (142.000 bis 169.000 Euro) kostet, während ein Server mit der gleichen Anzahl von Ascend 910B-Chips etwa 1,3 bis 1,5 Millionen Yuan kostet.
Aus dem gleichen Bericht geht hervor, dass die Leistung des H20 nur etwa die Hälfte der Leistung des Ascend 910B erreicht.
Die Marktentwicklung scheint auch politische Implikationen zu haben. Jensen Huang, Mitbegründer und CEO von Nvidia, bezeichnete Taiwan kürzlich als "eines der wichtigsten Länder der Welt". Angesichts der zunehmenden Spannungen mit China ist das eine heikle Aussage.
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Der "Godfather of KI" ging am 29. Mai durch die Straßen von Taipeh, als er von einem Reporter des chinesischen Staatsfernsehens angesprochen wurde. In einem spontanen Interview sagte er: "Die Computerindustrie ist dank Taiwan entstanden, es ist also ein sehr, sehr wichtiges Land".
Das war offensichtlich kein Versprecher. Branchenkenner hielten deshalb den Atem an. Die Angst vor einem Eklat mit Beijing war greifbar.
Denn wenige Tage vor dem Spontan-Interview in Taipeh hatte es in der Nähe von Taiwan großangelegte Militärübungen gegeben. Dies war eine unmittelbare Reaktion darauf, dass der taiwanesische Präsident Lai Ching-te in seiner Antrittsrede am 20. Mai die "Unabhängigkeit Taiwans" propagiert hatte.
Diese Entwicklungen verdeutlichen die komplexen Zusammenhänge zwischen Technologie, globalen Lieferketten und geopolitischen Spannungen, insbesondere zwischen den USA und China.
Geschäftsentscheidungen im Halbleitersektor sind zunehmend politisch aufgeladen. Auf spontane Interviews werden die führenden Akteure in Zukunft wohl verzichten.