USA: Versagen der Politik und Militäreinsatz in Zeiten der Pandemie

Seite 3: - Reopening und Zweite Infektionswelle?

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Trump versagte nicht nur bei der Corona-Bekämpfung, auch sein Versprechen vom 24. März, er würde die Beschränkungen zu Ostern wieder aufheben, konnte er nicht einhalten. Am 10. April musste Trump seine Ankündigung zurücknehmen und durch eine neue Ankündigung mit viel Brimborium ersetzen:

It's been my great honor to have been there president and I have a big decision coming up and I only hope to God that it's the right decision. It will be based on the input from a lot of very talented--talented people, very smart people and people that love our country.

Nun stritt er sich mit den Gouverneuren der Bundesstaaten erneut darüber, wer die erneute Öffnung der Geschäfte und Betriebe (reopening) feierlich verkünden darf. Aufgrund seines eingebildeten "erfolgreichen" Krisenmanagements glaubte Trump, er hätte das Recht, "die Richtlinien der Bundesstaaten für die Wiederöffnung des Landes festzulegen", wie er verkündete. Allerdings musste er am 16. April zurückrudern.

Seit dem 14. April grübelte ein "Rat zur Öffnung unseres Landes" im Weißen Haus über eine Aufhebung der Ausgangsbeschränkungen und die Ankurbelung der Wirtschaft. Am 16. April veröffentlichte der Präsident entsprechende Richtlinien als Empfehlung an die Gouverneure. Die Konzeption "opening up America again" sieht eine Ankurbelung der Wirtschaft in drei abgestuften Phasen vor. Bundesstaaten, die von der Infektion nicht so stark betroffen waren, werden eher zu einem "normalen Leben" zurückkehren können, als die Länder, die als hot spot des Virus gelten:

In der ersten Phase werden die bisherigen Richtlinien, die zum Monatsende auslaufen, nur leicht gelockert. Ansammlungen von mehr als zehn Menschen sollen weiterhin vermieden werden. Wer von zu Hause arbeiten kann, soll das weiter tun. Wo das möglich ist, sollen Arbeitnehmer stufenweise an ihre Arbeitsstellen zurückkehren. Schulen, die derzeit geschlossen sind, sollen geschlossen bleiben. Restaurants, Kinos und Gotteshäuser sollen nur öffnen, wenn ein Sicherheitsabstand zwischen Besuchern gewährleistet werden kann.

In der zweiten Phase sollen Arbeitnehmer weiterhin zur Arbeit von zu Hause aus ermutigt werden. In Unternehmen sollen Gemeinschaftsbereiche, wo Menschen zusammenkommen, geschlossen bleiben. Besuche in Altersheimen und Krankenhäusern sollen weiter untersagt bleiben. Reisen, die nicht essenziell sind, sollen aber wieder möglich sein. Schulen sollen wieder öffnen.

In der dritten Phase sollen Arbeitnehmer wieder ohne Einschränkungen an ihre Arbeitsstellen zurückkehren, dann sollen auch wieder Besuche in Altersheimen und Krankenhäusern erlaubt werden. Gefährdete Bevölkerungsgruppen sollen aber weiterhin Abstand zu anderen Menschen halten. Personen, die nicht zu diesen Gruppen gehören, sollen erwägen, so wenig Zeit wie möglich in Menschenmengen zu verbringen.

Allerdings scheint es dafür noch ein bisschen zu früh zu sein: So verbuchte die Johns Hopkins University am 16. April die Rekordsumme von 2.569 Menschen, die an diesem Tag verstorben waren. Trotzdem zeigte sich Donald Trump am selben Tag hoch erfreut: "Die Daten deuten darauf hin, dass wir landesweit den Höhepunkt von neuen Fällen hinter uns haben. Demgegenüber hatte Deborah Birx schon vorher gewarnt: "Wir haben den Höhepunkt noch nicht erreicht!" Die Katastrophenschutzbehörde FEMA und das Seuchenbekämpfungszentrum CDC warnten in einer gemeinsamen Erklärung, selbst eine vorsichtige und stufenweise Zurücknahme der derzeitigen Einschränkungen, sei riskant, denn: "will entail a significant risk of resurgence of the virus".

Die "Washington Post" berichtete dazu:

The framework lays out criteria that should be in place before a region can responsibly ease guidelines related to public gatherings: a "genuinely low" number of cases; a "well functioning" monitoring system capable of "promptly detecting" spikes of infections; a public health system able to react robustly to new cases and local health systems that have enough inpatient beds to rapidly scale up in the event of a surge in cases.

Angesichts der weiterhin dramatischen Lage wollen der Bürgermeister von New York City Bill de Blasio und der Gouverneur des Bundesstaates New York Andrew Cuomo alle Schulen gleich für ein halbes Jahr bis zum September 2020 schließen, davon wären allein in der Stadt New York 1,1 Millionen Schüler betroffen. Er warnte vor einer "zweiten Infektionswelle". Ein Wiederankurbeln der Wirtschaft sei nur sukzessive möglich.

Defizite im Gesundheitswesen

Dem US-Gesundheitssystem mangelt es zwar nicht an Medizin-Nobelpreisträgern, aber an allem anderen. Das ganze US-Gesundheitssystem ist lückenhaft und überaus teuer. So verfügen die USA "nur" über 924.000 Krankenhausbetten und 160.000 Beatmungsgeräte - viel zu wenig für eine solche Pandemie. Die medizinische Behandlung einer Krankheit oder einer Verletzung ist in den USA ungefähr doppelt so kostspielig, wie in Deutschland, weil Versicherungen und Pharma-Unternehmen ordentlich mitverdienen.

Aus Angst vor einem Verlust des Arbeitsplatzes oder überbordenden Kosten gingen viele Infizierte weiterhin zur Arbeit und viel zu spät zum Arzt. So trugen sie zur Ausbreitung der Seuche bei. Knapp 28 Millionen US-Bürger verfügten 2018 ohnehin über keinerlei Krankenversicherung, über 20 Millionen neue Arbeitslose, die mit dem Verlust des Arbeitsplatzes i. d. R. auch ihre Krankenversicherung verlieren, kommen jetzt hinzu. Bis zu 12 Millionen Latinos, die illegal über die Grenze aus Mexiko kamen, haben ohnehin keinerlei gesetzliche Versorgungsansprüche. Gleiches gilt für die rund 500.000 Obdachlosen. Die Minimalversorgung gemäß dem Patient Protection and Affordable Care Act ("Obama Care"), die 2010 vom demokratischen Amtsvorgänger Barack Obama eingeführt worden war, wurde von Donald Trump wieder abgeschafft.

Nun können sich zahlreiche Krankenhäuser des Ansturms an Kranken kaum erwehren und schicken die milderen Fälle mit einer Packung Paracetamol wieder nach Hause, wo sie weitere Personen infizieren. Außerdem gehören wohl die meisten Amerikaner zu einer so genannten "Risikogruppe": Sie sind alt, leiden wegen ihrer Fastfood-Adipositas an Diabetes oder an Bluthochdruck. 60 Prozent der Bevölkerung haben ein chronisches Leiden, 40 Prozent sogar zwei unheilbare Krankheiten. So sind allein 11 Millionen US-Bürger als Diabetiker registriert.

Darüberhinaus waren die USA auf den Ausbruch einer Pandemie schlecht vorbereitet. Angesichts der Versorgungs- und Ausstattungsdefizite mussten die Ärzte und Krankenschwestern improvisieren. Statt ABC-Schutzbrillen hat so mancher Arzt auf seine private Taucherbrille zurückgegriffen, vielen Krankenhäusern gehen die Atemschutz-Masken des amerikanischen Standards N95 aus, die den deutschen FFP-3-Halbmasken entsprechen. Gebläseanzüge, mit denen auch ABC-"Laien" in den heißen Sommermonaten unter Vollschutz arbeiten könnten, sind kaum vorhanden. Weil ABC-Schutzkittel fehlen schützt sich so manche Krankenschwester mit einer übergestülpten Mülltüte aus Plastik. Aber den Mangel an Beatmungsgeräten kann man nicht kompensieren. Am 23. März 2020 zwang der US-Präsident mit Hilfe des Defense Production Act vom 8. September 1950 den Autohersteller "General Motors" in Detroit und später auch "General Electric" dazu, Beatmungsgeräte zu konstruieren, zu bauen und zu verkaufen. Am 2. April zwang Trump "3M" zum Bau vom Atemschutzmasken N-95.

Den Mangel an Atemschutzmasken versucht die US-Regierung nun dadurch zu beheben, dass sie auf dem Weltmarkt den Kanadiern, Brasilianer, Franzosen, Italienern und Deutschen die angebotenen Produkte wegschnappen, damit möglichst viele des diebischen US-Volkes überleben. Jegliche Exporte aus den USA wurden vom Weißen Haus untersagt. Internationale Lieferungen, die über Flughäfen in den USA abgewickelt werden, werden nach dem Defense Production Act (DPA) vom Zoll einfach beschlagnahmt.

So beklagte der Berliner Senat, er habe bei einem deutschen Zwischenhändler 2 Millionen Schutzmasken FFP-2 und FFP-3 zur Ausrüstung der Berliner Polizei gekauft, die der US-Konzern "3m" in China produziert hatte. Man hatte die Lieferung schon bezahlt, aber ein US-Unternehmer habe die Masken auf dem Flughafen in Bangkok (Thailand) konfisziert und in die USA ausgeflogen. Dazu erklärte der Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD) am 3. April 2020: "Wir betrachten das als Akt moderner Piraterie. So geht man mit transatlantischen Partnern nicht um." Das seien "Wildwest-Methoden". Daraufhin erwog die Bundesregierung zeitweise, zukünftige Maskenlieferungen durch die Bundesluftwaffe transportieren zu lassen.

Mittlerweile hat Präsident Trump seinen unfähigen Schwiegersohn Jared Kushner erneut in seine Kamarilla im Weißen Haus aufgenommen und mit der Beschaffung zusätzlicher ABC-Ausrüstung und von Beatmungsgeräten beauftragt, dieser wies aber einen Mehrbedarf am 2. April gleich zurück:

I’m doing my own projections, and I’ve gotten a lot smarter about this. New York doesn’t need all the ventilators." (…) People who have requests for different products and supplies, a lot of them are doing it based on projections which are not the realistic projections.

Dazu meinte die Kolumnistin der "New York Times" Michelle Goldberg:

Now, in our hour of existential horror, Kushner is making life-or-death decisions for all Americans, showing all the wisdom we’ve come to expect from him.