USA: Versagen der Politik und Militäreinsatz in Zeiten der Pandemie

Seite 2: II. Die Politik

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Kompetenzstreitigkeiten

In Fragen der nationalen Sicherheit bzw. der Seuchenbekämpfung sind die politischen Verantwortlichkeiten im föderalen System der USA zwischen dem Präsidenten Donald Trump und den Gouverneuren der fünfzig Bundesstaaten aufgeteilt. Der Präsident ist in Personalunion Staatsoberhaupt, Regierungschef und Oberbefehlshaber der (Atom-)Streitkräfte (militärische Codebezeichnung PINNACLE). Seine Anordnungen werden bzw. wurden gemäß ihrer Dringlichkeit und Wichtigkeit eingestuft als Presidential Emergency Action Document (PEAD), Emergency Action Package (EAP) oder Major Emergency Action (MEA).

Allerdings funktionierte die Zusammenarbeit zwischen dem Präsidenten und den Gouverneuren in den letzten Monaten nicht, zumal die Bundesregierung und ihre zivile Katastrophenschutzbehörde untätig blieben. Zwar verfügt die Federal Emergency Management Agency (FEMA) in ihrer Zentrale in Washington D.C. über ein National Response Coordination Center (NRCC), ein eigenes Alarmierungssystem (Integrated Public Alert and Warning System - IPAWS), ein eigenes National Incident Management System (NIMS) und einen eigenen Strategic Plan. Aber wenn die Staatsbeamten nichts tun, dann tun sie halt nichts. Wenn überhaupt, dann unterstützte Donald Trump bei der Seuchenbekämpfung besonders die Bundesstaaten, in denen er viele Anhänger hat, während die von Demokraten geführten Staaten, wie z. B. Michigan, oft leer ausgingen.

Über die Lage in den Bundesstaaten berichtete der Journalist Klaus Brinkbäumer:

Doch die Gouverneure warteten. Sie klagten, dass es zu wenige Tests gebe, zu wenige Betten, Schutzmasken, vor allem viel zu wenige Beatmungsgeräte. Trump schimpfte, sie seien nicht nett zu ihm, nicht respektvoll genug. Knappe drei Wochen lang hörten die Gouverneure bei jedem Anruf und jedem Mailwechsel, dass Trump demnächst FEMA einsetzen würde, die Federal Emergency Management Agency, die das Material verteilen würde. Die Fallzahlen stiegen, die ersten Menschen starben. Auch FEMA hat weniger Geld und weniger Personal als in früheren Jahren - alles gestrichen oder nicht nachbesetzt, denn Trump verachtet ja den deep state, all diese Fachidioten. Niemand bestellte Masken. Niemand verteilte Beatmungsgeräte. FEMA tat nichts.

Am 13. April verkündete der US-Präsident - eher unwissend als wirklich verfassungsfeindlich - er habe als Präsident "allumfassende Macht", was dem demokratischen Prinzip der "checks and balances" widerspricht. Gleichzeitig griff er die kritischen Medien heftig an. Daraufhin bezeichnete "CNN" die Pressekonferenz als den "bislang größten Ausraster". US-Journalist Sam Stein befand: "Es ist absurd!" Und der MSNBC-Moderator Joe Scharborough meinte frustriert zur Trumps bizarren Auftritt: "Das kann so nicht weitergehen".

Zwei Tage später attackierte Trump den US-Kongress und drohte diesen vorübergehend in Urlaub zu schicken. Als Vorwand nannte er die Personalnot innerhalb der US-Regierung: Seit seinem Amtsantritt vor drei Jahren sind zahlreiche Planstellen immer noch unbesetzt, außerdem kam es zu einer exorbitant hohen Personalfluktuation. Nun kam Trump ein knappes Jahr vor dem Ende seiner Amtszeit und ausgerechnet während der Corona-Krise auf die Idee, diese Personalnot endlich zu beheben. Allerdings müsste der Kongress bei politischen Stellenbesetzungen seine Zustimmung erteilen. Dieses parlamentarische Akkreditierungsrecht will der US-Präsident umgehen und daher den Kongress vorübergehend "beurlauben" bzw. entmachten.

Seuchenperzeption und Seuchenbekämpfung à la White House

Im Vorfeld der Seuche, am 8. Mai 2018, hatte Donald Trump bzw. John Robert Bolton das Directorate of Global Health Security and Biodefense des National Security Council (NSC), damals unter der Leitung von Konteradmiral R. Timothy Ziemer, aufgelöst. Es war besser bekannt als "Pandemic Response Team". Als er jetzt darauf angesprochen wurde, erklärte Trump: "Ich weiß davon nichts."

Am 14. Dezember 2019 charakterisierte der "Spiegel" den US-Präsidenten Trump in einer Titelgeschichte noch als den "Unverwundbaren": "Yes, he can!" Aber das ist lange her. Mit dem Beginn der Corona-Krise zum Jahresanfang 2020 schien es zunächst noch so, als würde die US-Regierung ein rationales Krisenmanagement aufnehmen: In Reaktion auf die Seuchengefahr gründete der US-Präsident die aufgelöste Task Force unter einem neuen Namen neu.

Seit dem 29. Januar 2020 arbeitet die White House Coronavirus Task Force unter Leitung des Vizepräsidenten Mike Pence wieder. Sie umfasst insgesamt 22 Mitglieder - eine Mischung aus Experten und Politikern. Zu den weiteren Mitgliedern zählen u. a. Dr. Deborah Leah Birx, die als Koordinatorin fungiert, Dr. Anthony Stephen Fauci, Direktor des National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) in Bethesda (Maryland), Dr. Robert R. Redfield vom Center for Disease Control and Prevention (CDC) mit seinem Emergency Operations Center in Druid Hills (Georgia), Gesundheitsminister Alex M. Azar II, Sanitätsinspektor Vizeadmiral Jerome Michael Adams, Finanzminister Steven Terner Mnuchin, etc.

Neben der Berufung dieser Task Force erließ Präsident Trump am 31. Januar 2020 als erste Maßnahme lediglich ein Einreiseverbot für alle Personen, die sich zuvor in China aufgehalten hatten, am 12. März weitete er das Einreiseverbot auf Westeuropa aus.

Im Gegensatz zu Südkorea oder Deutschland verzichteten die USA zunächst auf ein umfassendes Testprogramm. Ein wesentlicher Grund hierfür war, dass das einstmals renommierte CDC unter ihrem neuen Direktor nur minderwertige "test kits" ("2019-nCoV Real-time RT PCR Panel [RUO]") zur Reverse-Transcriptase-Polymerase-Chain Reaction liefern konnte, die oft falsche Ergebnisse ("falsch negativ") anzeigten.

Unverzeihlich war und ist, dass Präsident Trump die neue Bedrohung der nationalen Sicherheit drei lange Monate nicht ernst genommen hat. Er handelte nach dem Motto, wo keine Seuche ist, kann man auch keine bekämpfen. Er handelte als US-Präsident so, wie ein "US-Staatsfeind Nr. 1" handeln würde, um dem Lande den größtmöglichen Schaden zuzufügen. Am 22. Januar 2020 behauptete Trump bei seinem Besuch des World Economic Forum in Davos (Schweiz): "We have it totally under control. It’s one person coming in from China, and we have it under control. It’s going to be just fine."

Am 10. Februar erklärte Trump bei einer Wahlkampfrede in Manchester (New Hampshire):

And by the way, the virus, they're working hard. Looks like by April, you know, in theory, when it gets a little warmer, it miraculously goes away.

Am 26. Februar verharmloste der US-Präsident die aggressive neuartige Lungenkrankheit:

This is a flu. This is like a flu. It's a little like the regular flu that we have flu shots for. And we'll essentially have a flu shot for this in a fairly quick manner."Und: "When you have 15 people and the 15 within a couple days is going to be down to close to zero, that's a pretty good job we've done.

Am 27. Februar prophezeite Trump erneut, dass Virus würde einfach so verschwinden:

One day -- it’s like a miracle -- it will disappear. And from our shores, we -- you know, it could get worse before it gets better. It could maybe go away. We’ll see what happens. Nobody really knows,

Am 29. Februar versprach der Präsident, es werde ein Impfstoff entwickelt: "very quickly".

Am 7. März wiederholte er dem Besuch einer brasilianischen Regierungsdelegation, unter der sich mindestens drei kontaminierte Personen befanden: "I’m not concerned at all. No, I’m not. No, we’ve done a great job."

Trotz dieser präpotenten Ankündigungen geschah zunächst nichts. Donald Trump hielt das Gerede über die Virengefahr über eine alarmistische Panikmache der Demokaten, die gerade ihr Impeachment-Verfahren verloren hatten. Nach dem Handelsstreit mit der VRC betrieb er gerade eine Wiederannäherung an Peking, die nicht gefährdet werden sollte. Außerdem sorgte er sich nach den "crashes" am 24. Februar und am 9. März um die weitere Entwicklung der Aktienkurse an der Börse. Nicht zuletzt war es ihm wichtig, von Januar bis Februar viermal nach Mar-a-Lago (Florida) zu fahren, um Golf zu spielen. Das (Über-)Leben irgendwelcher illegalen Inmigranten oder anderer "kleiner Leute" stand nicht im Focus seiner Politikkonzeption.

Unter der Frisur fällt ein Groschen

Erst am 13. März dämmerte Trump, dass SARS CoV-2 ein Killervirus ist, und so erklärte er rückwirkend einen "nationalen Notstand" (National Emergency Concerning the Novel Coronavirus Disease (COVID-19) Outbreak - Proclamation 9994). In der amtlichen Erklärung hieß es:

In December 2019, a novel (new) coronavirus known as SARS-CoV-2 ("the virus") was first detected in Wuhan, Hubei Province, People’s Republic of China, causing outbreaks of the coronavirus disease COVID-19 that has now spread globally. The Secretary ofHealth and Human Services (HHS) declared a public health emergency on January 31, 2020, under section 319 of the Public Health Service Act (42 U.S.C. 247d), in response to COVID-19. I have taken sweeping action to control the spread of the virus in the United States, including by suspending entry of foreign nationals seeking entry who had been physically present within the prior 14 days in certain jurisdictions where COVID-19 outbreaks have occurred, including the People’s Republic of China, the Islamic Republic of Iran, and the Schengen Area of Europe. (…)

The spread of COVID-19 within our Nation’s communities threatens to strain our Nation’s healthcare systems. As of March 12, 2020, 1,645 people from 47 States have been infected with the virus that causes COVID-19. It is incumbent on hospitals and medical facilities throughout the country to assess their preparedness posture and be prepared to surge capacity and capability. Additional measures, however, are needed to successfully contain and combat the virus in the United States.

NOW, THEREFORE, I, DONALD J. TRUMP, President of the United States, by the authority vested in me by the Constitution and the laws of the United States of America, including sections 201 and 301 of the National Emergencies Act (50 U.S.C. 1601 et seq.) and consistent with section 1135 of the Social Security Act (SSA), as amended (42 U.S.C. 1320b-5), do hereby find and proclaim that the COVID-19 outbreak in the United States constitutes a national emergency, beginning March 1, 2020.

In seiner Pressekonferenz ergänzte Trump:

To unleash the full power of the federal government ... I am officially declaring a national emergency. Two very big words. (…) The next eight weeks are critical.

Am 16. März empfahl er, man solle zueinander Abstand (social distancing) halten und in der Öffentlichkeit freiwillig einen Mundschutz tragen. Nun sehen die amerikanischen Metropolen aus wie die aufgegebenen Geisterstädte nach dem letzten Goldrausch. Angesichts der urplötzlichen Verknappung ihres Nahrungsmittelangebots kommen jetzt die Ratten aus ihren Löchern und erobern die Stadt zurück. Daher müssen die leerstehenden Cafés und Restaurants regelmäßig auf den Befall durch Ungeziefer kontrolliert werden.

Am 17. März behauptete der Präsident frech: "Ich habe geahnt, dass das eine Pandemie werden würde, lange bevor es so genannt wurde. (…) Ich habe das immer sehr ernst genommen."

Am 29. März erklärte Donald Trump, die US-Regierung wolle die Zahl der Corona-Toten beschränken:

And so, if we could hold that down, as we’re saying, to 100,000 — it’s a horrible number, maybe even less, but to 100,000, so we have between 100 [thousand] and 200,000 — we all together have done a very good job. (…) Think of the number — potentially 2.2 million people if we did nothing, if we didn’t do the distancing, if we didn’t do all of the things that we’re doing.

Vizepräsident Pence ergänzte:

Some of the initial estimates even in this modeling suggest that without every American [mitigating], that we could have literally seen between 1.6 million and 2.2 million losses. (…) But the president also wanted to make it clear that our most recent modeling suggests that with strong mitigation, the range is still heartbreaking when we think about the lives that could be lost.

Am 31. März schwor Trump die Amerikaner auf die selbstverschuldete Tragödie ein: "I want every American to be prepared for the hard days that lie ahead." Und am Karfreitag, den 10. April, flüchtete sich Trump in religiöse Gefilde:

At this holy time, our nation is engaged in a battle like never before — the invisible enemy. Our brave doctors, nurses, and responders — first responders, responders of all — are fighting to save lives. Our workers are racing to deliver critical medical supplies. Our best scientists are working around the clock to develop lifesaving therapeutics, and I think they’re doing really well in doing so. Our people are making tremendous sacrifices to end this pandemic. (…)

As our nation battles the invisible enemy, we reaffirm that Americans believe in the power of prayer. We give thanks for the majesty of creation and for the gift of eternal life. And we place our trust in the hands of Almighty God.

Der Immunologe Dr. Anthony Stephen Fauci bekannte: "Wir sind gescheitert." Daraufhin wurde Fauci von Trump-Anhängern massiv angefeindet. So hat sich die Seuche bereits auf alle Landesteile ausgebreitet. Bisherige Zentren der Infektionen sind New York City, Chicago, Detroit, New Orleans, Florida, Kalifornien, Michigan und Louisiana. Leute aus New York City werden in anderen Bundesstaaten misstrauisch beäugt, Texas hat mittlerweile seine Grenzen zu Louisiana geschlossen. Besucher aus New York sollen in Florida ersteinmal für zwei Wochen in Quarantäne.

Erst mit zweimonatiger Verspätung leitete die US-Regierung eine nationale Seuchenbekämpfung ein. Ein "Shutdown" wurde bis zum 30. April ausgesprochen. Außerdem forderte Donald Trump seine Landsleute am 3. April auf, freiwillig Mundschutzmasken zu tragen.

Am 12. März machte die US-Notenbank bis zu 1,5 Billionen Dollar für die US-Banken locker. Nachdem an den Aktienmärkten der Dow-Jones-Index eingebrochen war. Der US-Kongress bewilligte ein Hilfspaket in Höhe von 2,3 Billionen Dollar. Gemäß dem Coronavirus Aid, Relief, and Economic Security Act (CARES) vom 27. März erhalten nun 80 Prozent aller Amerikaner nach dem Gießkannenprinzip "Hubschraubergelder" in Höhe von bis zu 1.200 Dollar pro Kopf. Bisher haben rund 80 Millionen US-Bürger von der Steuerbehörde (Internal Revenue Service - IRS) das Geld elektronisch erhalten, weitere 70 Millionen warten jedoch immer noch. Sie erhalten Papierschecks, auf die auf Wunsch des Präsidenten erst noch "Donald J. Trump" gedruckt werden musste. Mit der Verwaltung der Gelder war ursprünglich Glenn Fine beauftragt, aber er wurde bereits nach einer Woche wieder entlassen.

Weitere Hilfspakete sind angekündigt, die Rede ist von 250 Milliarden Dollar, aber Republikaner und Demokraten streiten sich im Kongress noch darum, wem das Geld zu Gute kommen soll - den Wirtschaftsunternehmern oder eher den "sozial Schwachen". Außerdem sind die USA sowieso längst "pleite".

Für seine eigene Unfähigkeit hat Präsident Donald Trump bereits einen anderen Schuldigen ausgemacht: Die korrupte World Health Organization (WHO), eine Anorganisation der UNO mit Sitz in Genf (Schweiz) habe unter ihrem äthiopischen Leiter, dem Biologen Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus, die Situation in der Volksrepublik China falsch eingeschätzt, den manipulierten Angaben der Regierung in Peking naiv vertraut und falsche Ratschläge erteilt. So hatte die WHO noch am 14. Januar 2020 getwittert, eine Übertragung des SARS CoV-2-Virus von Mensch-zu-Mensch sei nicht bewiesen.

Am 8. April drohte Trump damit, die US-Finanzierung der WHO in Höhe von jährlich fast 116 Millionen Dollar einzustellen. Am 14. April ordnete Trump an, dass die Zahlungen tatsächlich eingestellt werden. Es werde eine Überprüfung vorgenommen, um die Verschleierungstaktik der WHO bei der Ausbreitung des Corona-Virus zu entschlüsseln. Zwar ist die Trumps Kritik an der WHO berechtigt, dennoch schmälert dies nicht sein eigenes Versagen.