USA: Versagen der Politik und Militäreinsatz in Zeiten der Pandemie

Seite 5: III. Das Militär

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Akuter Einsatz des US-Militärs

Am 1. April erklärte Donald Trump: "Amerika führt weiterhin einen kompromisslosen Krieg, um das Virus zu bekämpfen. (…) Ich weiß, dass in dieser Zeit der Not jeder Amerikaner seine patriotische Pflicht erfüllen und uns dabei helfen wird, einen totalen Sieg zu erringen."

Aber das Potential an Einsatzkräften ist begrenzt. In Detroit befanden sich Anfang April von 2.500 Polizeibeamten 525 in Quarantäne, 91 Polizisten wurden positiv getestet, in New York City haben sich derzeit 7.000 von rund 50.000 Cops - aus unterschiedlichen Gründen - krankschreiben lassen oder sind in Quarantäne - Tendenz steigend. Daraufhin mobilisierte Donald Trump die Streitkräfte. Aber - im Vergleich zu den gigantomanischen Militärausgaben jedes Jahr - ist auch deren Potential eher dürftig:

Der Militäreinsatz zur Seuchenbekämpfung wird von der DoD Covid-19 Task Force geleitet. Mittlerweile wurden 265 Millionen Dollar für die Errichtung von Feldlazaretten und 100 Millionen Dollar für die Beschaffung von medizinischem Material (Masken, Handschuhe, Beatmungsgeräte, etc.) freigegeben. Die Materialbeschaffung erfolgt über die Joint Acquisition Task Force (JATF).

Das U.S. Northern Command setzt z. Zt. mindestens 13.200 Soldaten aus den aktiven Streitkräften und Reservisten ein. Sie sind in mindestens sieben Bundesstaaten im Einsatz. Täglich werden weitere Verstärkungen herangeführt. In allen fünfzig Bundesstaaten wurde die paramilitärische Army National Guard (ANG) mobilisiert. Mitte April waren rund 30.000 Gardisten im Einsatz in Edison, Newark, New York, Stamford, Boston und Detroit.

Das Militär baut Feldlazarette auf, so im TCF-Kongresszentrum von Detroit (1.000 Betten), im Jacob Javits Convention Center in New York City, wo ein Lazarett mit 2.500 Betten vom 9th Field Hospital (HQ Fort Hood) und der Expeditionary Medical Facility (Bethesda) errichtet wurde und im CenturyLink Field Event Center in Seattle (250 Betten), das von Soldaten aus Fort Carson und von der Joint Base Lewis-McChord errichtet wurde.

Am 5. April kündigte Verteidigungsminister Mark T. Esper an, er werden weitere 1.100 Ärzte und Sanitäter nach New York entsenden, um das Personal der zivilen Hospitäler zu verstärken. Einen Teil der Sanitäter stellen die 927th Aerospace Medical Squadron (HQ MacDill AFB) und das Naval Medical Center in Portsmouth. Die Army Reserve mobilisiert gerade acht medical task forces für den Einsatz in New York, New Jersey, Connecticut, Michigan und Massachusetts.

In Los Angeles und New York haben Hospitalschiffe angelegt. Die U.S.N.S. Mercy (T-AH-19) der Mercy-Klasse mit 6 OP-Sälen und 1000 Krankenbetten, darunter 80 Intensivbetten, hat am 27. März in Los Angeles angelegt, und das Schwesterschiff, die U.S.N.S. Comfort (T-AH-20), dümpelt seit dem 6. April vor New York City.

Die zivile Katastrophenschutzbehörde FEMA fragte beim Pentagon um die Lieferung von 100.000 Leichensäcken (human reamains pouches) nach. Die Defense Logisticas Agency (DLA) hatte aber "nur" 50.000 ihrer "military-style body bags" auf Lager. Außerdem forderte FEMA die Entsendung von Personal zur Leichenidentifizierung an. Nicht zuletzt sollen die Streitkräfte mit Notrationen (Meals Ready to Eat) bei der Versorgung der Zivilbevölkerung mit Lebensmitteln aushelfen.

Wieviele Soldaten sich durch ihren zivilen Hilfseinsatz selbst mit Corona infiziert haben, ist nicht bekannt. Bis Anfang April wurden mehr als 1.000 positiv getestet. In Einzelfällen kann dies zum Ausfall von ganzen Militäreinheiten führen, wie der Seuchenfall an Bord des Flugzeugträgers CVN-71 U.S.S. Theodore Roosevelt vor Guam zeigt. In Folge des Seuchenausbruch an Bord des Schiffes musste der "Zyniker" Thomas B. Modly am 7. April als Marineminister zurücktreten. Er hatte sein Amt erst ein halbes Jahr innegehabt. Modly wurde durch Konteradmiral a. D. James Edwin McPherson abgelöst. Die U.S. Air Force wiederum befürchtet, dass ihr Mangel an ausgebildeten Kampfpiloten 2020 weiter steigen wird. Mehrere Übungen und Truppenverlegungen mussten abgesagt werden.

Langfristig müssen die Joint Chiefs of Staff (JCS) unter ihrem "chairman" General Mark Alexander Milley (mit-)entscheiden, wie es in den USA nach der Corona-Krise weitergehen soll. In der Vergangenheit kam es in Krisensituationen wiederholt zu ernsten Machtkonflikten zwischen der hohen Generalität und der politischen Führung des Landes. Erinnert sei hier an den Konflikt zwischen Präsident Harry S. Truman und Admiral Douglas MacArthur während des Koreakrieges Anfang der fünfziger Jahre und an die Auseinandersetzungen zwischen John Fitzgerald Kennedy und General Curtis Emerson LeMay während der Kuba-Krise Anfang der sechziger Jahre.

Gesetze und Präsidentendirektiven

Die US-Staatsbürger haben gemäß der Declaration of Independence vom 4. Juli 1776 und der Constitution vom 17. September 1787 gewisse demokratische Grundrechte. Allerdings sind diese "unveräußerlichen" Rechte im Notstandsfall stark eingeschränkt bzw. nicht mehr existent. Dazu hat der US Kongress mehrere Gesetze erlassen, die durch Direktiven des US Präsidenten als militärischem Oberbefehlshaber im Frieden wie im Krieg ergänzt wurden.

So zeigt ein Blick hinter die demokratische Fassade, dass das War Department bzw. Department of Defense (DoD) sich spätestens seit dem Ende des Ersten Weltkrieges in Permanenz auf bewaffnete Aufstände und Einsätze im Inneren zur Durchsetzung eines autoritären Regimes vorbereitet, entsprechende Einsatzpläne ausgearbeitet und sogar gelegentlich in die Praxis umgesetzt hat. Als subversiven Elemente wurde mal die Arbeiterschaft, mal die Kommunisten oder die Afroamerikaner ausgemacht. Als neueste Bedrohung wurde in den letzten Jahren die Massenmigration der Hispanics identifiziert, die vor den kriminellen US-Marionettenregimen in Mittelamerika fliehen.

"Posse Comitatus Act"

Nach den traumatischen Erfahrungen des amerikanischen Civil War (1861-65) und der Errichtung eines militärischen Besatzungsregimes über die Südstaatengruppe durch die siegreichen Yankees, erließ der US-Präsident Rutherford B. Hayes am 16. Juni 1878 den Posse Comitatus Act (PCA - dt. "Kraft für das Land Gesetz"). Dieses Gesetz erlaubte es, alle Männer ab 15 Jahren zum Militärdienst einzuberufen. Zugleich beschränkte es den Einsatz von Truppen im Inland und verordnete eine strikte Trennung von Militär- und Polizeigewalt.

From and after the passage of this act it shall not be lawful to employ any part of the Army of the United States, as a posse comitatus, or otherwise, for the purpose of executing the laws, except in such cases and under such circumstances as such employment of said force may be expressly authorized by the Constitution or by act of Congress; (…) Whoever, except in cases and under circumstances expressly authorized by the Constitution or Act of Congress, willfully uses any part of the Army or the Air Force as a posse comitatus or otherwise to execute the laws shall be fined under this title or imprisoned not more than two years, or both.

Jedoch versuchte die Bush-Regierung am 17. Oktober 2006 mit dem John Warner National Defense Authorization Act for Fiscal Year 2007 (NDAA 2007) die Kompetenzen des Präsidenten für den Einsatz der Streitkräfte im Inneren stark ausweiten:

1) The President may employ the armed forces, including the National Guard in Federal service, to

(A) restore public order and enforce the laws of the United States when, as a result of a natural disaster, epidemic, or other serious public health emergency, terrorist attack or incident, or other condition in any State or possession of the United States, the President determines that-

(i) domestic violence has occurred to such an extent that the constituted authorities of the State or possession are incapable of maintaining public order; and

(ii) such violence results in a condition described in paragraph (2); or

(B) suppress, in a State, any insurrection, domestic violence, unlawful combination, or conspiracy if such insurrection, violation, combination, or conspiracy results in a condition described in paragraph (2).

(2) A condition described in this paragraph is a condition that

(A) so hinders the execution of the laws of a State or possession, as applicable, and of the United States within that State or possession, that any part or class of its people is deprived of a right, privilege, immunity, or protection named in the Constitution and secured by law, and the constituted authorities of that State or possession are unable, fail, or refuse to protect that right, privilege, or immunity, or to give that protection; or

(B) opposes or obstructs the execution of the laws of the United States or impedes the course of justice under those laws.

Gleichzeitig wurde versucht mit dem Military Commissions Act (MCA) im Rahmen des Anti-Terror-Krieges die Kompetenzen des Militärs und der Militärjustiz auszudehnen, aber im Juni 2008 erklärte der Oberste Gerichtshof im Zusammenhang mit der Debatte über das Gefangenenlager in Guantánamo beide Gesetze für verfassungswidrig und kassierte sie. Ein Jahr später wurde eine abgeschwächte Version des MCA vom US Kongress verabschiedet.

"National Security Council Directive (NSCD)"

Schon am 4. Mai 1949 verabschiedete der National Security Council (NSC) eine "Directive on Internal Security".

"National Emergencies Act"

Der erste US-Präsident, der einen "nationalen Notstand" - damals noch ohne gesetzliche Vollmacht - erklärte, war am 5. Februar 1917 Präsident Woodrow Wilson, der die mangelnde Versorgung über See während des Ersten Weltkrieges beklagte. Mittlerweile haben US Präsidenten sechzig Mal einen "nationalen Notstand" festgestellt.

Um seine verfassungsmäßigen Rechte auch in einem solchen Fall zu wahren, verabschiedete der US Kongress am 14. September 1976 das National Emergencies Act: Während das Parlament den Präsidenten im Lauf der Zeit mit insgesamt 136 Sondervollmachten ausstattete, versuchte die Legislative mit dem Gesetz sich eine Kontrolle über die Handlungen des Präsidenten im Falle eines nationalen Notstandes zu bewahren.

"Stafford Act"

Das Stafford Disaster Relief and Emergency Assistance Act (192 Seiten) vom 23. November 1988 (letzte Fassung vom Juni 2019) ist nach Senator Robert T. Stafford benannt. Es besagt, dass der Präsident zur Vermeidung einer Naturkatastrophe Präventivmaßnahmen gemäß dem Federal and State Disaster Preparedness Program ergreifen kann. Im Eintrittsfall kann der Präsident das Vorhandensein eines nationalen Notstandes feststellen und zu dessen Bewältigung die Federal Emergency Management Agency (FEMA) mobilisieren:

"Emergency" means any occasion or instance for which, in the determination of the President, Federal assistance is needed to supplement State and local efforts and capabilities to save lives and to protect property and public health and safety, or to lessen or avert the threat of a catastrophe in any part of the United States.

Im Jahr 2008 wurde das Gesetz durch das Disaster Recovery Reform Act (DRRA) ergänzt.

"PDD/NSC-62"

Am 22. Mai 1998 erließ US-Präsident die Presidential Decision Directive/NSC 62 (SECRET). Im Vorwort hieß es zur Bedrohungslage:

Because of our military superiority, potential enemies, be they nations, terrorist groups, or criminal organizations, are increasingly likely to attack us in unconventional ways. Adversaries will be tempted to exploit vulnerabilites in our critical infrastructure, impede continuity of government operations, use weapons of mass destruction against civilians in our cities, disrupt our transportation systems, attack us when we gather as a community at special events, and prey on our citizens overseas.

"NSPD 51/HSPD-20"

Am 4. Mai 2007 erließ US-Präsident George Walker Bush jr. die National Security and Homeland Security Presidential Directive 51/ Homeland Security Presidential Directive (NSPD 51/HSPD-20). Diese besagt, dass unter Notstandsbedingungen die demokratische Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative aufrechterhalten werden soll: Enduring Constitutional Government (ECG). Jeder dieser Zweige des staatlichen Apparates sei allerdings für das Fortdauern seiner Funktionsfähigkeit selbst verantwortlich: Continuity of Government (COG) oder Continuity of Operation (COOP). Hierfür wurde ein Bereitschaftssystem entwickelt. Continuity of Government Condition 4 (GOGCON 4) kennzeichnet den Normalbetrieb, COGCON 1 ist die höchste Bereitschaftsstufe.

"Pandemic and All Hazards Preparedness and Advancing Innovation Act (PAHPAI)"

Am 24. Juni 2019 unterzeichnete US-Präsident Trump die Gesetzesnovelle zur Reform des alten Pandemic and All-Hazards Preparedness Act (PAHPA) von 2006, das 2013 schon einmal überarbeitet worden war. Die Senatoren Lamar Alexander (R-TN), Richard Burr (R-NC), Bob Casey (D-PA), und Patty Murray (D-WA) hatten die neue Gesetzesinitiative eingebracht. Damit sollten die Präventivmaßnahmen für den Fall einer Pandemie oder anderen Naturkatastrophen ausgeweitet und modernisiert werden, indem z. B. die Bevorratung der medizinischen Materialreserve (National Strategic Stockpile - NSS) aufgestockt werden sollte. Diese Notfallreserve wurde 1999 angelegt; rund 200 Angestellte verwalten mehrere Depots an geheimen Orten. Tatsächlich wurde die NSS in den letzten Monaten noch nicht erhöht. Zuletzt hatte Gesundheitsminister Alex M. Azar am 5. Februar 2020 um vier Milliarden Dollar für Ankäufe von weiterem Material gebeten, dies wurde vom Präsidenten abgelehnt.

Außerdem sollte mit dem Gesetz die Bekämpfung neuartiger Erreger verbessert werden:

These strategic initiatives will accelerate and support advanced research, development, and procurement of countermeasures to address:

- Threats for which no countermeasure exists or which may become resistant to current countermeasures or existing countermeasures may be rendered ineffective.

- Threats that consistently exist or are continually circulating in a human or animal population and have significant potential to become a pandemic, such as pandemic influenza.

- Certain threats resulting from exposure to a CBRN agent and which may present increased complications in treating a countermeasure resistant disease or condition during a public health emergency, including antimicrobial resistant pathogens.

- Authorizes the Assistant Secretary for Preparedness and Response to implement strategic initiatives or activities to address threats, including pandemic influenza, or a chemical, biological, radiological, or nuclear agent that pose a significant level of risk to public health and national security based on the characteristics of such threats.