Über 10.000 Terroranschläge weltweit 2005

Nächste Woche legt die US-Regierung den jährlichen Terrorbericht für das Jahr 2005 vor, über Zahlen, Methodik und Interpretation wird es wieder unterschiedliche Meinungen geben

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Jährlich wurde von der US-Regierung der Bericht Patterns of Global Terrorism über die Zahl der Anschläge des internationalen Terrorismus vorgelegt. Bis vor kurzem war dafür das Außenministerium zuständig. Aber nach dem Irak-Krieg, als die Zahlen hochschnellten, wurden 2004 – vor der Präsidentschaftswahl - erst einmal die Zahlen für 2003 manipuliert, um einen Rückgang der Anschlagszahlen melden zu können. Schließlich wurden angebliche Rechenfehler vorgeschoben und der Bericht korrigiert. Es habe zudem Missverständnisse gegeben, weil nicht mehr das Außenministerium, sondern das neue Terrorist Threat Information Center dafür zuständig gewesen sei (Mehr Terroranschläge statt weniger).

Letztes Jahr wollte man den Bericht gar nicht mehr mit Zahlen veröffentlichen (Lieber keine Zahlen vom "Erfolg" im US-Krieg gegen den globalen Terrorismus). Die Kongressabgeordneten verlangten jedoch Einsicht, wodruch erste Zahlen bekannt wurden. Umstritten blieb jedoch, ob trotz des Anstiegs der schweren Anschläge – vor allem im Irak – korrekt gezählt wurde (2004: Starker Anstieg der Terroranschläge). Fraglich ist beispielsweise, welche Anschläge unter die Kategorie „international“ fallen sollen. So werden im Irak etwa Anschläge nicht mitgezählt, wenn sie nur irakische Opfer hatten oder wenn sie gegen US-Streitkräfte gerichtet waren.

Das National Counterterrorism Center, wo man auch ein Worldwide Incidents Tracking System, bei dem man zwar eine Länder-, aber wohlweislich keine Gesamtübersicht erhält, veröffentlichte Ende April schließlich eine Chronologie und erste Zahlen. Versichert wurde jedoch, dass man die Zahlen, die höher als die von 2003 lagen, nicht mit denen früherer Berichte vergleichen könne, weil die Datenbasis ganz anders sei. Ein Anschlag wurde nur erfasst, wenn Menschen von mindestens zwei Nationen oder die Territorien von mindestens zwei Nationen beteiligt gewesen sind. Opfer müssen „Nichtkämpfer“ sein. 651 schwere Terroranschläge wurden jetzt genannt, die 1.907 Todesopfer zur Folge hatten.

Im Juli wurden nach erneuter Kritik an der unseriösen Zählung die Kriterien allerdings erweitert und Terroranschläge als politisch motivierte Angriffe auf Zivilisten und Nichtkämpfende verstanden, wodurch beispielsweise auch Anschläge von Irakern auf Iraker mitgezählt wurden. Zudem wurden auch Anschläge einbezogen, die einen Sachschaden von unter 10.000 US-Dollar verursachten. Damit erhöhte sich die Zahl der Anschläge weltweit um das Fünffache auf 3.192. Dabei wurden 28.433 Menschen getötet, verwundet oder entführt. Im April hatte man im Irak noch 201 Anschläge 2004 gezählt, in der neuen Fassung waren es 866. Nur 19 Prozent der Anschläge seien islamistischen Extremisten zuzurechnen, allerdings galten 56 Prozent als nicht zuschreibbar.

Nun sind bereits Zahlen für das Jahr 2005 durchgesickert, die nächste Woche zusammen mit dem Bericht des Außenministeriums veröffentlicht werden sollen. Danach hat sich die Zahl der Terroranschläge nach den neuen Kriterien gegenüber 2004 noch einmal verdreifacht. Erstmals seien mehr als 10.000 Anschläge in einem Jahr gezählt worden. 85 Prozent der getöteten Amerikaner starben im Irak, in das man angeblich einmarschiert ist, um den Terrorismus zu bekämpfen. Vor allem der Irak und Afghanistan haben zu dieser Zunahme beigetragen, aber auch der Widerstand in Nepal.

Die Zahlen für 2005 würden vor allem auch deswegen so hoch sein, weil angeblich mehr Angestellte für die Erhebung eingesetzt wurden, so wird man nach Informanten argumentieren. Allerdings bleiben solche Aufzählungen wenig erhellend, auch wenn sie einen für die Bush-Regierung ungünstigen Anstieg dokumentieren, solange es keine allgemein akzeptable Definition des Terrorismus gibt. Und die wird es wohl nicht so schnell geben.