Übergewicht und Substanzkonsum: Regierungen wünschen sich gesünderes Volk

Seite 2: Ungesunde Umgebung?

Gesundheit ist aber nicht nur eine individuelle Entscheidung. Darauf deuteten bereits die genannten sozialen Faktoren hin. Man könnte sich zudem auch einmal die Umgebung anschauen, in der Menschen ihre Nahrungs- und Genussmittel kaufen:

Diese ist nämlich nicht nur mit psychologischen Tricks darauf optimiert, dass die Kunden immer öfter zugreifen (Mensch in Körper und Gesellschaft: Was heißt Freiheit?). Sondern auch die Produkte, die man dann im Einkaufswagen landen, sind nicht unbedingt gesund.

Um guten Geschmack bei niedrigen Kosten zu erzielen, enthalten viele Nahrungs- und Genussmittel nämlich große Anteile von Geschmacksträgern wie Fett, Salz oder Zucker sowie Aromen und Geschmacksverstärker. Dabei treiben Fett und Zucker die Kalorien in die Höhe; hoher Salzkonsum belastet auf Dauer das Herz-Kreislaufsystem und kann verschiedene Organe schädigen.

Wenn dazu dann auch noch Stress, wenig Zeit für alternative Möglichkeiten und fehlendes Wissen über gesunde Ernährung kommen, dann ist die Wahrscheinlichkeit für ein ungesünderes Leben deutlich höher. Wie wichtig ist uns der Wert Gesundheit? Wenn er so wichtig ist, wie uns die Gesundheitspolitiker weismachen wollen, dann sollte man jedenfalls nicht nur aufs Individuum schauen.

Gesundes und gutes Leben

In der Gesamtschau ergibt sich also ein Konflikt verschiedener Akteure: Unternehmen wollen mehr Gewinne und höhere Marktanteile; Regierungen wollen Steuereinnahmen und eine produktive Bevölkerung mit niedrigen Gesundheitskosten; Bürgerinnen und Bürger wollen – ja was?

Schon vor der Coronapandemie klagten viele über zunehmenden und zu viel Stress (Deutsche wollen weniger Stress - doch wie?). Das scheint ein Phänomen zu sein, das zu entwickelten Industrie- und Dienstleistungsgesellschaften gehört. Dazu passt, dass die Weltgesundheitsorganisation davon ausgeht, Depressionen würden bald zum größten Gesundheitsproblem der Welt.

In diesem Umfeld blühen wiederum Sport-, Fitness-, Yoga- und Achtsamkeitskurse. Bei näherer Betrachtung werden Yoga und Meditation aber oft so unterrichtet, dass Menschen zwar besser mit Stress umgehen oder ihn kompensieren – nicht aber vermeiden (Wozu Meditation und Achtsamkeit – und wozu nicht?).

Mit anderen Worten: Man lernt als Individuum, die gesellschaftlichen An- und Herausforderungen besser zu managen; man wird ein unternehmerisches, "resilientes" (widerstandsfähiges) Selbst, das erfolgreich ist und sich wie ein Stehaufmännchen immer wieder an neue (Markt-) Bedingungen anpasst.

Doch geht diese Rechnung wirklich auf? Denn, einerseits, wie gesagt, klagen immer mehr Menschen über Stress und andererseits werden auch immer mehr Menschen krank (Die Deutschen sind kränker denn je). Und das waren, wohlgemerkt, noch Befunde von vor der Coronapandemie.

Wie lange uns noch neue Virusvarianten, Long-Covid sowie die sozialen Folgen der Pandemie und ihrer Schutzmaßnahmen beschäftigen werden, ist heute noch gar nicht abzusehen. Bis auf Weiteres sieht es jedenfalls so aus, als ob das Erreichen eines "perfekten" Lebens nicht einfacher geworden wäre (Der Preis fürs "perfekte Leben").

Schaffen wir ein Umdenken?

Anstatt über Kosten und Gesundheit, könnte man auch über Werte und Ziele sprechen. Dann würde einem vielleicht Auffallen, dass Wohlstand, jedenfalls ab einem gewissen Maß, nicht mehr zu einem guten Leben beiträgt. Im Gegenteil wird er kontraproduktiv, wenn Menschen aufgrund von Wettbewerb und sozialer Ungerechtigkeit unter Ausgrenzung und Neid leiden.

Die Anstrengungen zur Aufrechterhaltung des Dogmas "Wohlstand durch Wirtschaftswachstum" nehmen immer weiter zu, während sich der Abstand zwischen den Krisen immer weiter verringert. Dabei sind die externen, nicht in die ökonomische Gleichung einfließenden Folgekosten für Mensch und Natur immer größer.

Wird uns als Menschheit noch ein Umdenken hin zu einem glücklicheren und nachhaltigeren Leben gelingen? Oder werden wir die Möglichkeit für menschliches Leben auf unserer Erde schließlich abschaffen? Im ersten Fall wäre das Problem für uns, im letzten das Problem für die Welt gelöst.

Hinweis: Dieser Artikel erscheint ebenfalls im Blog "Menschen-Bilder" des Autors.