Ukraine-Krieg: Russland zerstört systematisch Energieinfrastruktur
Seite 2: Konsequenzen für die ukrainischen Streitkräfte
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Noch am Samstag musste der ukrainische Oberbefehlshaber Oleksandr Syrsky einräumen, dass "sich die Lage an der Ostfront in den letzten Tagen deutlich verschlechtert hat".
Ohne eine leistungsfähige Luftabwehr wird sich die Lage an der Front weiter deutlich verschlimmern. Die russischen Streitkräfte werden weiterhin in der Lage sein, die vorhandenen Verteidigungsstellungen durch massive Gleitbombeneinsätze systematisch zu zerstören und dadurch weitere stetige Geländegewinne zu erzielen.
Es ist davon auszugehen, dass die frontnahen ukrainischen Verteidigungsstellungen stärker ausgebaut wurden als diejenigen im rückwärtigen Raum. Wolodymyr Selenskyj hat den Ausbau der Verteidigungsanlagen nicht vorangetrieben.
Daraus lässt sich ableiten, dass sich bei schwächeren Verteidigungsstellungen im Hinterland der Vormarsch der russischen Streitkräfte mit der Zeit und der Überwindung der besser ausgebauten Stellungen in Frontnähe beschleunigen wird. Dies kann einen Kaskadeneffekt auslösen und zumindest zu einem teilweisen Zusammenbruch der Front führen.
Überdies behindern die strategischen Luftangriffe auf dem gesamten Territorium der Ukraine massiv die Regenerationsfähigkeit der ukrainischen Streitkräfte.
Dabei geht die Kriegsmaschinerie der russischen Armee systematisch vor, um dem Gegner Schaden zuzufügen. Die verbliebenen Rüstungsbetriebe müssen mit Produktionseinschränkungen rechnen, die Logistik der Armee wird entscheidend geschwächt, da ein Großteil der Transporte über die elektrische Eisenbahn läuft. Nicht zuletzt dürfte die Energieknappheit zu einer Demoralisierung der Bevölkerung führen.
Trotz der Intensität der russischen strategischen Luftkampagne werden relativ wenig Opfer unter der ukrainischen Zivilbevölkerung gezählt. Zwar wird in westlichen Medien immer wieder berichtet, die russischen Streitkräfte würden zivile Wohnhäuser, Krankenhäuser oder gar Kindergärten bombardieren. Doch mit dem zunehmenden Ausfall der ukrainischen Luftabwehr scheinen die Opferzahlen unter der Zivilbevölkerung zu sinken.
Eine Bombardierung der Zivilbevölkerung wäre nicht nur militärisch wertlos, sondern würde im Gegenteil die Opferbereitschaft der ukrainischen Bevölkerung erhöhen, was nicht im Interesse der russischen Führung sein kann.
Kommt der Großangriff der russischen Armee?
Tag für Tag, Runde für Runde gelingt es den russischen Streitkräften, die Ukraine weiter zu schwächen, und das bei vermutlich vergleichsweise geringen eigenen Verlusten. Daher bleibt die Frage offen, ob in diesem Jahr tatsächlich mit einer Großoffensive der russischen Armee zu rechnen ist.
Zwar hat die russische Luftwaffe ihre Angriffe etwa auf die ukrainische Großstadt Charkow verstärkt. Die Einnahme der Stadt im Häuserkampf wäre aber vermutlich mit sehr hohen Verlusten für die Angreifer verbunden.
Denkbar wäre stattdessen eine Ausweitung der oben beschriebenen russischen Angriffstechnik mithilfe von Gleitbombeneinsätzen auf den bisher ruhigen Grenzabschnitt zwischen der Oblast Sumy und der weißrussischen Grenze bei gleichzeitiger weiterer systematischer Zerstörung der ukrainischen Infrastruktur.
Gegenangriffe der ukrainischen Truppen: Welche strategische Wirkung?
Dagegen haben die ukrainischen Gegenschläge gegen russische Rüstungsbetriebe und Einrichtungen der Ölindustrie bisher keine strategische Wirkung entfalten können. Erst wenn sich dies ändert, etwa durch effektive Einsätze gegen Werke der russischen Rüstungsindustrie, könnte die russische Führung gezwungen sein, ihre Angriffsbemühungen zu verstärken. Dies ist jedoch nicht absehbar.
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Systematische Schwächung der Verteidigungs- und Regenerationsfähigkeit der ukrainischen Armee
Daher erscheint es wahrscheinlicher, dass die russischen Streitkräfte den eingeschlagenen Kurs eines langsamen und überlegten Vorgehens der Bodentruppen unter Ausnutzung der überlegenen Feuerkraft, verbunden mit einer systematischen Ausschaltung der strategischen Infrastruktur der Ukraine, beibehalten werden.
Bei diesem Vorgehen gibt es keine großangelegten Truppenmanöver, keine raumgreifenden Eroberungen, keine spektakulären Durchbrüche. Es ist eine systematische Schwächung der Verteidigungs- und Regenerationsfähigkeit der ukrainischen Armee und Industrie, die die Fähigkeit der Ukraine, den Kampf gegen Russland fortzusetzen, zunehmend infrage stellt.