Ukraine-Krieg: Von Sanktionen zum Embargo
Seite 2: Zerstörungswut der EU-Kommission
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- Zerstörungswut der EU-Kommission
- Politische Paralyse
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Hinsichtlich dieser Kosten zeigen sich die EU-Kommission, aber auch deutsche Politiker bisher noch völlig schmerzfrei. "Deutschland ist bereit, diesen Preis zu bezahlen", heißt es in der Regierungskommunikation, ohne dass überhaupt klar ist, wie hoch dieser überhaupt ausfallen wird. In Vorbereitung auf das sechste Sanktionspaket wurde in Brüssel eine Studie des IWF aus dem April erwähnt.
Laut ersten Schätzungen des IWF werde Russland in eine "tiefe Rezession" geraten. Für 2022 rechnet der IWF mit einem Einbruch der Wirtschaftsleistung um 8,5 Prozent. Dazu passt auf magische Weise ein aktueller IMK-Report demzufolge ein abrupter Versorgungsstopp bei russischem Erdgas die Produktion in Deutschland um bis zu 8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts einbrechen lassen würde.
Natürlich bieten Konjunkturprognosen viel Luft in alle Richtungen, aber Konsens unter den Wirtschaftswissenschaftlern ist immerhin, dass die politischen Reaktionen auf den Krieg in der Ukraine die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland und den EU-Staaten schwer beeinträchtigen.
Im Mittelpunkt stehen dabei mit den Energiebeziehungen die Verflechtungen, sprich die Interdependenz, mit dem Wirtschaftsraum Russland. Egal, ob man wie Rüdiger Bachmann und die Leopoldina allerhand Faktoren ausblendet, um einen Wirtschaftseinbruch zwischen 0,5 und 3 Prozent des BIP in Deutschland politisch für "verkraftbar" zu erklären, oder wie das IMK nach einer Methodenkritik bei 6 Prozent oder mehr landet: Die Sanktions- und Embargopolitik drückt die wirtschaftliche Entwicklung auch in Deutschland und dem EU-Raum drastisch in eine negative Richtung.
Genau das ist die Logik von Interdependenz, die ihre friedensstiftende Wirkung eben daraus bezieht, dass sie idealerweise zu gegenseitiger Abhängigkeit führt und eben nicht zu einseitiger Verletzbarkeit, worauf Olaf Scholz ansatzweise hingewiesen hat. Deshalb hat er auch völlig recht, eine Politik als irrational zu brandmarken, die eben diese Verflechtungen zerstört.
Allerdings kommt bei einer etwas ernsthafteren Betrachtung auch niemand darum herum anzuerkennen, dass diese Effekte weder durch die unmittelbaren Kriegshandlungen entstehen, noch durch Sanktionsmaßnahmen der russischen Regierung gegen Deutschland und die EU verursacht werden. Die Sanktionen, Enteignungen und Embargomaßnahmen sind einseitig durch die EU-Staaten erlassen worden, obwohl weder Deutschland noch die EU dort bisher Konfliktpartei sind.
Wenn es also irrational ist, die Interdependenz zu zerstören, Decoupling zu betreiben und die Globalisierung zurückzudrehen, wie der Bundeskanzler vor dem Übersee-Club festgestellt hat, betrifft diese Bewertung ganz maßgeblich auch das Handeln seiner eigenen Regierung und der EU-Kommission.
Diese Selbstkritik würde natürlich nur eingeschränkt zutreffen, wenn es etwa irgendwelche positiven energiepolitischen Ziele gäbe, die der breiteren Öffentlichkeit bisher unbekannt sind. Leider spricht alles für das Gegenteil.
Im fünften Sanktionspaket entschied die Kommission, keine Steinkohle mehr aus Russland zu importieren. Die Bundesregierung geht davon aus, dass bis zum Herbst etwa 15 Millionen Tonnen mit Lieferungen aus den USA, Australien und Kolumbien substituiert werden können. Die Kohlemine El Cerrejon in Kolumbien ist nicht nur einer der größten Tagebaue der Welt, die Betreiber sind auch seit Jahrzehnten für skandalöse Umweltstandards und brutale Angriffe auf die Rechte von Arbeitern und Anwohnern berüchtigt.
Die zumeist indigene Bevölkerung auf der Halbinsel Guajira wurde aus dem Einzugsgebiet vertrieben, wer protestiert bekommt Besuch von Paramilitärs. Als ehemaligem Hamburger Bürgermeister müsste Olaf Scholz das Problem eigentlich gut bekannt sein, weil es in der Stadt seit Jahren Proteste dagegen gibt, dass Vattenfall in Hamburg Moorburg Blutkohle aus Kolumbien verfeuert.
Die Pläne, russische Unternehmen aus dem Erdgasgeschäft in Westeuropa zu verdrängen und stattdessen LNG aus der nordamerikanischen Fracking-Förderung abzusetzen, laufen bereits seit mehr als 10 Jahren. Schon auf dem zweiten Treffen des EU-USA-Energierates waren die "Energieunabhängigkeit" der Ukraine und amerikanische Flüssiggasexporte in die EU ein prominentes Thema, ausgerechnet grüne Spitzenpolitiker wie Annalena Baerbock und Robert Habeck betätigen sich seit Jahren als informelle Botschafter der Fracking- und LNG-Industrie.
Dabei ist bis heute völlig unklar, ob die zur Rede stehenden Mengen überhaupt aus anderen Quellen beschafft werden können, mal davon abgesehen, dass Länder wie Kolumbien, Saudi-Arabien, Katar oder auch Ägypten selbstverständlich eine noch viel düstere Menschenrechtsbilanz aufweisen als etwa Russland. Die bisherige Linie der Energiepolitik von Rot-Grün-Gelb lautet ganz klar: Unsicherer, teurer, dreckiger.