Ukraine-Krieg und NS-Nostalgie: Auftritte von Asow-Sturmbrigade in Hamburg und Berlin gecancelt
SPD und Grüne schwiegen zu Propaganda-Tour problematischer Bündnispartner. Was die Hintergründe sind – und warum es doch zu Absagen kam. Ein Kommentar.
Die Werbeveranstaltung der 3. Sturmbrigade des ukrainischen Asow-Regiments in der deutschen Hauptstadt ist von den Veranstaltern kurzfristig abgesagt worden. Dies gab die Brigade am Donnerstagnachmittag auf ihrem Telegram-Kanal bekannt. Schon am Vortag war eine Veranstaltung mit denselben Gästen im Hamburg gestrichen worden. Auch in Rotterdam, Brüssel und Köln wurden die Termine der ukrainischen Brigade gecancelt.
Die Europatour der ukrainischen Ultranationalisten mit Kontakt ins Nazi-Milieu ist damit größtenteils ausgefallen.
Wurzeln in der extremen Rechten
Die Einladung klang martialisch: "Informelle Kommunikation mit Kriegern, die den Feind an den heißesten Fronten vernichtet haben" wurde da angekündigt. Dafür sollten die Besucher 20 Euro zahlen. Der Erlös sollte an die Asow-Brigade gehen, deren Wurzeln in der extremen Rechten offensichtlich sind.
Gegründet wurde sie 2014 als Sammelbecken für Rechtsextremen, die gegen Russland und vermutete Kollaborateure im Osten der Ukraine kämpfen wollten. Dabei verwendete man offen faschistische Symbolik und vernetzte sich mit Neonazis europaweit.
Lediglich in Prag und Vilnius soll die Sturmbrigade noch auftreten. Die Absagen in Westeuropa sind ein Erfolg des Protests antifaschistischer und antimilitaristischer Gruppen.
Wenn nationalistische Krieger Fans im Ausland treffen
Die Veranstaltung sei Teil einer Europatournee der Asow-Brigade mit dem Ziel "Fans im Ausland zu treffen", hatten sie kritisiert. Zudem gehe es um die Gewinnung von Freiwilligen für den Kampf in der Ukraine und die Akquise von Finanziers", hieß es in einem Aufruf der auch von der Berliner Linksjugend Solid und dem Bündnis "Rheinmetall Entwaffnen" unterzeichnet wurde.
In Hamburg war die rechte Veranstaltung auch von den parteilosen Mitgliedern der Hamburger Bürgerschaft, Martin Dolzer und Mehmet Yildiz heftig kritisiert worden.
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Asow oder die wandlungsfähigen Nazis
"Rechtsextreme und Faschist:innen dürfen in der Hansestadt kein Forum bekommen. Das gilt erst recht, wenn ein deklariertes Ziel die Rekrutierung für den Krieg in den Reihen der Organisation ist", hatten die beiden Parlamentarier erklärt.
Der Asow-Gründer Andrij Bilezkyj ist auch Kommandant der 3. Sturmbrigade, die nach eigenen Angaben 2.500 Männer umfasst. Auch die Grundsätze von Asow hat die Brigade übernommen. Auf deren Homepage finden sich die Stichworte "Ukraine-Zentriertheit, Traditionalismus, Hierarchie und Verantwortung".
Heldenstatus der Ultrarechten erschwert Kritik
Obwohl der rechte Hintergrund der Brigade ebenso und des Asow-Regiments lange bekannt und gut dokumentiert ist, gibt es wenig kritische Stimmen von ukrainischen Gruppen und Initiativen zu der Veranstaltungsreihe. In Berlin sollte die nun abgesagte Veranstaltung im Hotel Continental – Art Space in Exile stattfinden, in dem sich unterschiedliche Gruppen aus der ukrainischen Community in Berlin treffen.
In manchen Teilen der Ukraine genießt Asow einen Heldenstatus, sodass auch für nichtrechte Ukrainer eine Kritik nicht einfach ist. Viele haben Angst vor dem Druck der Rechten. So wird auch darüber hinweggesehen, dass erst kürzlich ein Asow-Soldat in der Gedenkstätte des ehemaligen Vernichtungslagers Auschwitz mit einen NS-T-Shirt provozierte.
Asow-Regiment in der Ukraine gut verankert
Doch der Ultranationalismus ist unter der gegenwärtigen Regierung in der Ukraine sehr gut verankert. Asow steht dort nicht am rechten Rand, sondern in der Mitte der bürgerlichen Gesellschaft der Ukraine. Die reagiert oft abweisend, wenn sie auf rechte Gruppierungen angesprochen wird.
Das bedeutet: Ultranationallisten mit Kontakten in Nazimilieu sind Bündnispartner im Kampf der prodeutschen Fraktion der Ukraine gegen die russische Welt. Diese Zusammenarbeit begann nicht erst als Reaktion auf den russischen Einmarsch 2022. Schon beim Maidan-Aufstand 2014 waren die Ultranationalisten eine gut organisierte Minderheit, welche die politische Agenda stark mitbestimmte.
Ukrainischer Nationalist Bandera als einigendes Band
Dabei ging es auch immer um die Geschichtspolitik. So ist die Verehrung für den ukrainischen Nationalisten Stepan Bandera nicht nur bei Ultrarechten weit verbreitet. Längst wurden in vielen Städten Bandera-Denkmäler errichtet. Auch der ehemalige ukrainische Botschafter in Berlin bekannte sich als Freund von Bandera.
Dabei wird großzügig übersehen, dass Bandera ein erklärter Antisemit und zeitweilig enger Verbündeter Hitler-Deutschlands war. Stepan Bandera floh vor der Roten Armee ins noch von den Nazis regierte Deutschland. Nach dessen Kapitulation wurde er im Kalten Krieg ein Verbündeter des Westens und lebte in München, wo er 1959 einem wahrscheinlich vom KGB initiierten Anschlag zum Opfer fiel.
Deutsch-ukrainische Kooperation mit NS-Geschichte
Diese Hintergründe sind wichtig. Wenn heute über Asow-Aktivitäten in Deutschland gesprochen wird, darf diese Vorgeschichte nicht verschwiegen werden. Wer vom Asow-Regiment spricht, darf über die wechselvolle Geschichte der deutsch-ukrainischen Kooperation seit 1941 nicht schweigen.
Daher wären nicht nur ukrainische Exilorganisationen zu befragen, wie sie zu Ultranationalisten mit NS-Verbindungen stehen. Diese Fragen müssen auch der SPD und den Grünen gestellt werden. Sie, die sich sonst immer so vehement gegen die Gefahr von rechts wenden, haben zu den geplanten Auftritten der 3. Sturmbrigade in Deutschland geschwiegen.
Dass sie letztlich abgesagt wurden, ist nicht ihr Verdienst. Es wäre vielleicht an der Zeit zu fragen, wie weitere Versuche der Asow-Nationalisten verhindern werden können, auch unter ukrainischen Migranten in Deutschland um Anhänger zu werben.