Ukraine-Krise: "USA und Nato hätten Eskalation möglicherweise verhindern können"

Seite 2: Enger Schulterschluss zwischen Russland und China

Die Allianz zwischen Moskau und Peking sei nicht ganz so fest, wie es den Anschein hatte, schrieb die FAZ nach der Sicherheitskonferenz, sie sah gar "Chinas Stoppschild für Putin". Bei der Dringlichkeitssitzung des Sicherheitsrates Montagnacht war davon nichts zu merken. Schätzen hiesige Beobachter das Verhältnis zwischen Moskau und Beijing richtig ein?

Rüdiger Lüdeking: Die russisch-chinesische Erklärung, die beim Treffen der Präsidenten Wladimir Putin und Xi Jinping bei der Eröffnung der Olympischen Winterspiele veröffentlicht wurde, muss aufhorchen lassen. Sie markiert einen engen Schulterschluss beider Staaten nicht nur in der Ukraine-Frage.

Bemerkenswert sind sehr weitgehende Formulierungen zur Freundschaft und Zusammenarbeit beider Länder. Der Westen kann geopolitisch kein Interesse daran haben, Russland weiter in die Arme Chinas zu treiben.

Der Tag nach der Anerkennung von Donezk und Luhansk als eigenständige Staaten war von Meldungen über Sanktionen gegen Russland bestimmt. Empfinden Sie diese Reaktion als souverän, bringt sie den Westen aus der Offensive und vor allem: Wird sie etwas ändern?

Rüdiger Lüdeking. Bild: privat

Rüdiger Lüdeking: Es ist jetzt wichtig, dass mit der notwendigen Entschiedenheit und Geschlossenheit auf die russische Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine reagiert wird. Damit soll auch Russland von weiteren militärischen Eskalationsschritten abgeschreckt werden.

Gleichzeitig ist es aber auch erforderlich, wieder den Weg für Verhandlungen zur Gestaltung der europäischen Sicherheitsarchitektur und zur Wiederbelebung der Rüstungskontrolle zu ebnen. Die Nato kann dabei realistischerweise auch die Frage ihrer Erweiterung nicht aussparen. Und Russland ist gefordert, die Anerkennung der sogenannten Volksrepubliken rückgängig zu machen. Es droht ein Kalter Krieg, an dem weder Russland noch die Nato ein Interesse haben können.

Herr Lüdeking, wie werden wir in einigen Jahrzehnten auf den 21.02.2022 zurückblicken, welche Rolle wird dieses Datum spielen?

Rüdiger Lüdeking: Die Anerkennung der sogenannten Volksrepubliken markiert einen tiefen Einschnitt in den Beziehungen zu Russland. Ich hoffe dennoch, dass dieses Datum lediglich als Fußnote in die Geschichtsbücher eingeht, und es doch noch gelingt, die Ukraine-Krise diplomatisch zu bewältigen, die territoriale Integrität der Ukraine wiederherzustellen und einen Neubeginn in dem Verhältnis zu Russland zu schaffen.

Rüdiger Lüdeking ist Rüstungsexperte und war bis 2018 Beamter im deutschen Auswärtigen Dienst.