Ukraine: Was kommt nach Krieg und Sieg?

Seite 2: Darf man Sanktionen und Sozialprobleme kritisieren? Und wenn ja, wer?

Unmittelbar mit dem Ukraine-Krieg verbunden ist die Frage der europäischen Russland-Sanktionen und der folgenden Energie-Wirtschafts- und Sozialkrise. Das Terrain ist politisch so vermint wie eine Landstraße zwischen Charkiw und Krematorsk, wie wir an dieser Stelle schon am Freitag festgestellt haben.

Die meisten politischen Parteien hierzulande ficht das nicht an, im Bundestag gibt es eine Große Koalition für Russland-Sanktionen. Allein die politischen Ränder befassen das Thema: Die rechtspopulistische AfD trommelt für ein Ende der Sanktionen und eine Wiederaufnahme der Energieimporte aus Russland.

Dennoch erkennen auch die Blauen an, dass Russland völkerrechtswidrig die Ukraine angegriffen hat. Einem Angeordneten ihrer Fraktion scheint selbst das zu weit gegangen zu sein. Er verließ gegen Ende der Woche die Fraktion, weil sie ihm offenbar zu kritisch gegenüber Russland eingestellt gewesen war.

Wie polarisiert die Debatte inzwischen geführt wird, belegt nach wie vor allem auch die Linke. Am Freitag berichteten wir über die Aufregung über eine Rede der Abgeordneten Sahra Wagenknecht, die bei manchen ihrer Genossinnen und Genossen bekanntlich nicht wohlgelitten ist.

"Das größte Problem ist Ihre grandiose Idee, einen beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen unseren wichtigsten Energielieferanten vom Zaun zu brechen", hatte Wagenknecht gesagt – und soll dafür mal wieder aus ihrer Partei fliegen. Fast zeitgleich stieß der außenpolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Gregor Gysi, in einem Streitgespräch mit dem SPD-Abgeordneten Michael Roth in die gleiche Kerbe und forderte, einige Wirtschaftsbereiche von den Sanktionen auszunehmen. Er warnte davor, die Sanktionen könnten auch im Energiebereich "Gegenantworten" Russlands zur Folge haben.

Reaktionen: null. Was zeigt, wie selektiv in der Kriegs- und Russland-Debatte Denk- und Sprechverbote wirken. Zugleich wird die Kritik an den Sanktionen und ihrer Folgen von einem Linken-Vorstandsmitglied als "Täter-Opfer-Umkehr" bezeichnet: "Tatsächliche Ursache der Energiekrise ist der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine", so Lorenz Gösta-Beutin, der sich damit unversehens in den ideologischen Schützengraben mit EU-Ratspräsidentin Ursula von der Leyen begab. Die Energiekrise ist schließlich Folge der Sanktionen, nicht des Krieges.