Unicef in Sorge vor Kinderhandel in Katastrophenregion

Die Regierungen überbieten sich weiterhin in "Großzügigkeit" mit Hilfszusagen - die Bundesregierung will nun bis zu einer halben Milliarde geben

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Einer der ersten Politiker, die die Flutkatastrophe für eine (mediale) Präsenz in der betroffenen Region nutzten, war der US-Außenminister Colin Powell, der mit Jeb Bush, dem Bruder des US-Präsidenten und Gouverneur von Florida, Indonesien, Sri Lanka und Thailand besucht. Die Militärhilfe für die Opfer in Indonesien und die bislang zugesagten 350 Millionen US-Dollar an Hilfsgeldern, wurden von Powell in den Zusammenhang gestellt, mit der Unterstützung das beschädigte Image der USA verbessern zu können. Auf einer Pressekonferenz mit dem indonesischen Außenminister Hassan Wirayuda sagte er: "Ich denke, das gibt der muslimischen Welt und dem Rest der Welt die Möglichkeit, die amerikanische Großzügigkeit, die amerikanischen Werte in Aktion zu sehen."

Um das Ansehen der USA und nicht zuletzt auch das eigene zu steigern, hat US-Präsident Bush es auch in einer geschickten PR-Inszenierung geschafft, seinen Vater und Bill Clinton zu gewinnen, um die Amerikaner zu weiteren Spenden aufzurufen. Den Betroffenen kann es nicht schaden, aber durchsichtig sind diese Aktionen schon, zumal sich Bush erst einmal viel Zeit für eine Reaktion nach der Katastrophe gelassen hat, bis die Spindoktoren der "Gunst" der Stunde gewittert haben. Zumindest lässt Powell an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Die Hilfe diene auch der Bekämpfung der Terroristen und damit der nationalen Sicherheit. Und ganz allgemein erhofft er sich nach dem Debakel besonders in der muslimischen Welt mit der Hilfe in Indonesien eine andere Wahrnehmung der USA: "Und ich hoffe, dass unser Wertesystem, wenn die Bürger von Indonesien unserer Hubschrauberpiloten helfen sehen, verstärkt wird."

Nicht ganz so ehrlich wird mittlerweile der unter dem Druck der Öffentlichkeit stattfindende Überbietungswettkampf der Regierungen weiter betrieben (Wer ist großzügiger?). Zuletzt hatten, nachdem die US-Regierung ihre Hilfszusage erhöht hatten, China und Saudi-Arabien ebenfalls ihre Zusagen gesteigert - und Japan, das seine politische Rolle in der Region stärken möchte, mit der Zusage einer halben Milliarde Dollar alle anderen übertrumpft.

Offenbar sah sich die EU dadurch provoziert und erklärte im Vorlauf vor dem Gipfel der Geberländer, der am Donnerstag in Jakarta stattfindet, dass die EU und ihre Mitgliedsländer weltweit an der Spitze stehen und insgesamt 436 Millionen Euro zugesagt haben. Darin sind von der EU nur 23 Millionen enthalten, in Aussicht gestellt werden aber weitere Gelder in Höhe bis zu 220 Millionen Euro. Zudem würden sich die EU-Außenminister am Freitag treffen, um über die Katastrophe zu beraten. Simon Horner von ECHO kündigte eine Entscheidung über zusätzliche "substanzielle" finanzielle Unterstützungen an.

Einig scheint man sich mittlerweile zu sein, das die eichen Ländern des von der Katastrophe betroffenen Staaten, allen voran Sri Lanka und Indonesien, die Schuldenrückzahlungen zu erlassen oder zumindest einzufrieren. Genaueres wird auf dem Gipfel am Donnerstag beschlossen werden.

Deutschland hatte bislang mit einer Hilfszusage von 20 Millionen Euro einen relativ bescheidenen Beitrag leisten wollen. Aber nun scheint die deutsche Regierung auch vom Virus der Überbietung angesteckt worden zu sein und will die Hilfe auf möglicherweise 500 Millionen Euro anheben, um damit vorerst an erster Stelle aller Geberländer zu stehen. Die von Putin versprochene Schuldenrückzahlung soll die Hilfe ermöglichen. Fraglich ist natürlich, was die Bundesregierung sich davon erwartet, auf Platz 1 in Sachen (vorerst nur versprochener) Großzügigkeit zu stehen. Will man damit der US-Regierung oder dem Rest der Welt demonstrieren, wie selbstlos der eigentlich klamme deutsche Staat ist?

Katastrophenhilfe in touristisch interessanten Regionen kann allerdings die langfristige Bekämpfung der Armut nicht kompensieren. Aber diese ist auch weniger medien- und aufmerksamkeitsorientiert und auch bei den Bürgern weniger gut durchzusetzen als eine schnelle Reaktion auf eine überraschende Katastrophe. Die im Schatten der Medienaufmerksamkeit an anderen Katastrophen, an Hunger oder Bürgerkriegen täglich sterbenden und leidenden Menschen geraten zudem durch die "große" Katastrophe noch weiter in Vergessenheit. Wie weit die zugesagten Gelder dann wirklich fließen, wenn die Aufmerksamkeit sich wieder anderen Themen zuwendet, ist dann erfahrungsgemäß schon eine andere Sache.

Ausbeutung der Not

Gleichwohl brauchen die Menschen dringend Hilfe, die schnell geleistet werden muss, um weitere Opfer zu verhindern. Neben den vielen Verletzten und Obdachlosen, die versorgt werden müssen, neben den Menschen, die Trinkwasser und Essen benötigen, wurden nach UN-Berichten auch Zehntausende von Kindern zu Waisen. Unicef betont, dass die Hilfe besonders Kindern zukommen muss, vor allem aber denjenigen, die durch die Katastrophe ihre Eltern verloren haben und nun sehr gefährdet sind. Nicht nur gesundheitlich oder psychisch, sondern auch von Menschenhändlern, die angeblich bereits in Indonesien begonnen haben, Kinder aufzugreifen, um sie zu verkaufen. Auch in Thailand besteht die Sorge, dass ein aus einem Krankenhaus verschwundener schwedischer Junge entführt worden sein könnte. Es werden auch weitere ausländische Kinder gesucht die die Flutwelle überlebt haben sollen, aber inzwischen verschwunden sind. Thailand ist bekannt für Sextourismus und Kinderhandel.

In Indonesien wurden sicherheitshalber, aber nicht nur aus diesem Grund, alle internationalen Adoptionen von Kindern aus Aceh gestoppt, schließlich könnte auch ein Elternteil wieder auftauchen. Kinder unter 16 Jahre dürfen nicht mehr aus der Katastrophenregion Aceh ausreisen. Unicef hat Berichte von Kindesentführungen in Indonesien erhalten. Viele Kinder sollen nach Jakarta, einige auch nach Malaysia gebracht worden sein. Angeblich sollen 300 Kinder zwischen drei und zehn Jahren zum Verkauf angeboten werden. John Budd von Unicef sagte, dass dies durchaus manchmal in guter Absicht geschehe sein kann, aber dass sich auch Kriminelle als Mitglieder von NGOs, Hilfsorganisationen oder Freunde der Familie ausgeben können, um Kinder zum Mitgehen zu verleiten und sie dann zur Prostitution, Arbeit oder gar zur Organentnahme zu verkaufen.